Experten empfehlen Ausweitung des UVP-Gesetzes
Wien (pk) - Umweltminister Josef Pröll hat dem Nationalrat kürzlich den Dritten Bericht
über die Vollziehung der Umweltverträglichkeitsprüfung in der Zeit von März 2002 bis Februar
2006 (III-223 d.B.) vorgelegt. Die UVP finde als ein wirksames Instrument der Umweltvorsorge große Anerkennung,
schreibt der Minister und teilt nicht ohne Stolz mit, dass es trotz starker Zunahme der Verfahren gelungen sei,
die Dauer von Umweltverträglichkeitsprüfungen erheblich zu senken.
Grundlage des Berichts ist die Studie "Evaluation der Umweltverträglichkeitsprüfung in Österreich".
Darin werden Qualität und Wirksamkeit von 136 abgeschlossenen UVP-Genehmigungsverfahren mit Stichtag 31. Oktober
2005 analysiert und repräsentative Einzelfälle juristisch untersucht.
Die Hauptergebnisse der UVP-Evaluationsstudie
Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung bereits
in der Planungs- und Projektierungsphase zu einer Optimierung des Vorhabens führe, weil Genehmigungshindernisse
frühzeitig aufgezeigt werden. Konflikte können unter effektiver Beteiligung der Öffentlichkeit ausgeglichen
werden, die Planungs- und Investitionssicherheit nehme zu, die Akzeptanz der Projekte werde verbessert.
Umweltverträglichkeitsprüfungen wirken sich auf das Verhalten von Behörden, UmweltanwältInnen,
ProjektwerberInnen, PlanerInnen und Bürgerinitiativen positiv aus, stellen die Autoren der Studie generell
fest. Rechtzeitige Information aller Beteiligten über Vor- und Nachteile eines Projekts und verständliche
Unterlagen zählen zu den Voraussetzungen eines effizienten Verfahrens. Vertrauensbildend wirken eine frühzeitige
Einbindung der Öffentlichkeit und die Beteiligung der Betroffenen im Vorverfahren. Angesichts der Klagen von
Bürgerinitiativen über das Informationsmonopol der ProjektwerberInnen plädieren die Experten für
Behördengutachten sowie für eine transparente und unparteiische Verhandlungsführung. Bewährt
haben sich auch Tage der offenen Tür, BürgerInnenbeiräte und Mediationsverfahren. Als Beispiel wird
in diesem Zusammenhang die Müllverbrennung Wels genannt. Dort ging die Genehmigung des Projekts ohne Berufung
durch - engagierte BürgerInnen waren in Form einer "Umweltkommission" in das Verfahren einbezogen.
Als wesentliche AkteurInnen im UVP-Verfahren führt die Evaluationsstudie die KoordinatorInnen an, die zur
Abstimmung zwischen den FachgutachterInnen und der Verfahrensleitung wirken. Die KoordinatorInnen sollten weiter
geschult, funktionell gestärkt und als Bindeglieder zwischen Behörden und Öffentlichkeit eingesetzt
werden.
Hinsichtlich der UVP-Novelle 2000, die Vorverfahren fakultativ machte und diese weitgehend durch informelle Abstimmungen
zwischen ProjektwerberIn und Behörde ersetzte, betonen die Autoren der Studie die Bedeutung des Vorverfahrens
bei der Abgrenzung von Vorhaben und Untersuchungsrahmen. Sachverständige sollten frühzeitig nominiert
werden, da die Chancen für Projektverbesserungen in der Zeit der Planung und Projektierung größer
seien als später. Mängel bei der Abgrenzung des Vorhabens und des Untersuchungsrahmens haben sich als
schwer korrigierbare Fehlsteuerungen im gesamten Verfahren erwiesen.
UVP fördern den ökologischen und technischen Fortschritt
Umweltverträglichkeitsprüfungen produzieren Wissen und nützen dem technischen und ökologischen
Fortschritt. Beim Industrieprojekt "Linz 2010" der VA Stahl etwa lieferte eine im Zuge der UVP erstellte
Studie Hinweise auf zusätzliche Energieeffizienz-Potentiale der geplanten Anlage. Aktuelle EU-Anforderungen
konnten dadurch übererfüllt werden.
Als Motor des ökologischen Fortschritts wirkte die UVP beim Kraftwerksprojekt Gamp an der Salzach, wo eine
spezielle Gestaltung des Ufers die Wiederansiedlung der Deutschen Tamariske und des Uferreitgrases ermöglichte.
Beim Hochwasserschutzprojekt Machland eröffnete die UVP den Ausgleich von Defiziten der Naturschutzgesetzgebung:
Die "Flutmulde" wurde ökologisch in den ehemaligen Auwald integriert.
Bei der Renaturierung der beim Abbauprojekt Steyregg entstehenden Gewässerufer wurde im Zuge der UVP eine
bis dahin nicht vermutete Blindschleichen-Population entdeckt und erfolgreich umgesiedelt.
Bei der Erweiterung des Schigebiets Mutterer Alm/Axamer Lizum hat die Wahrnehmung öffentlicher Beteiligungsrechte
dem Projektwerber frühzeitig Hinweise auf eine geologisch labile Hangsituation gegeben. Das "Frühwarn-
und Beteiligungssystem" der UVP hat auch im Sinne der Planungs- und Investitionssicherheit funktioniert.
Häufig angesprochene Schutzgüter
Als besonders relevante und häufig angesprochene Schutzgüter erweisen sich in Umweltverträglichkeitsprüfungen
die Luft sowie der Natur- und der Lärmschutz. Wasser ist hingegen weder besonders verfahrens- noch entscheidungsrelevant.
Laut Experten liegt der Grund dafür in den klaren und umfassenden gesetzlichen Regelungen für das Wasser.
Bei der Luft oder beim Naturschutz biete eine UVP Raum für eingehende Diskussionen und die Suche nach neuen
Lösungsansätzen wie Verkehrskonzepte, die Vorschreibung von Lärmkontingenten oder privatrechtliche
Vereinbarungen. Die UVP wirke kompensatorisch, sie gleicht legistische Schwachstellen durch Kompetenz im Verfahren
aus.
Anregungen und Vorschläge
Für die zukünftige Entwicklung des Anlagenrechts formulieren die ErstellerInnen der Studie folgende
Anregungen:
Um den Schutz der Umwelt weiter auszubauen, könnte man den Anwendungsbereich der UVP entsprechend der Umweltrelevanz
der Vorhaben erweitern und UVP-Elemente (z.B. Prüfbuch und Zeitplan) in die Genehmigung nicht-UVP-pflichtiger
Anlagen integrieren.
UVP-Tatbestände könnten vereinfacht und längere Fristen für das Feststellungsverfahren eingeräumt
werden. Die Behörden sollten personell und fachlich besser ausgestattet werden.
Bürgerinitiativen verlangen für ihre Arbeit finanzielle und rechtliche Unterstützung aus einem Fonds
sowie die Bereitstellung einer/eines NGO-Koordinatorin/Koordinators mit entsprechendem Budget sowie die vermehrte
Beiziehung nicht amtlicher Sachverständiger.
PlanerInnen und ProjektwerberInnen drängen auf Verbesserung des Vorverfahrens, auf die Bindungswirkung für
die dort getroffenen Abklärungen sowie auf die stärkere Harmonisierung des Naturschutzrechts mit der
UVP. Die Planungsgrundlagen sollten auf die für die Entscheidung wesentlichen Punkte konzentriert werden.
UmweltanwältInnen schlagen die obligatorische Vorlage der Konzepte für Umweltverträglichkeitserklärungen
vor, wollen die UVP-pflichtigen Tatbestände vereinfachen, die Feststellungsverfahren erleichtern und den Spielraum
für kreative Lösungen vergrößern.
Ein gutes Zeugnis stellt die Studie auch dem Umweltsenat aus, der sich zu einer allseits anerkannten Berufungsbehörde
entwickelt habe. Zahl und Umfang der Berufungsverfahren haben im Berichtszeitraum stark zugenommen. Nur ein Bescheid
des Umweltsenates wurde im Berichtszeitraum von einem Höchstgericht aufgehoben. |