Kovacs und Grasser wollen Steuerberechnung in EU harmonisieren  

erstellt am
31. 05. 06

Aber weiter Wettbewerb bei Steuersätzen; Kampf dem Steuerbetrug
Wien (pk) - Die Konferenz der Vorsitzenden der EU-Finanzausschüsse mit den Hauptthemen "Steuerharmonisierung" und "Kampf dem Steuerbetrug" wurde am 30. 05. vom Vorsitzenden des Finanzausschusses des Nationalrates Günter Stummvoll eröffnet. EU-Finanzkommissar Laszló Kovacs und Finanzminister Karl-Heinz Grasser leiteten die Tagung mit ausführlichen Impulsreferaten ein.

Kommissar Kovacs: Steuerwettbewerb ist wichtig für Europa
Kommissar Laszlo Kovacs gab zunächst zu bedenken, dass die Europäische Kommission in der Steuerpolitik ohne Unterstützung der Mitgliedsstaaten, des Rates und des EU-Parlaments nichts unternehmen könne, und betonte die wichtige Rolle der nationalen Parlamente sowie den starken Einfluss, den diese auf die Regierungen ausüben. "Einstimmigkeit ist die Voraussetzung für steuerpolitische Entscheidungen im Europäischen Rat", sagte der Kommissar. Dieses Prinzip spiegle die nationale Souveränität der EU-Mitgliedsländer wider.

Den Steuerwettbewerb, über den derzeit in Europa diskutiert werde, sah Kommissar Kovacs nicht negativ, er zwinge die Regierungen, gute Bedingungen für Investoren zu bieten. Wettbewerb sei generell ein wichtiges Element der Lissabonner Strategie für mehr Wachstum und Beschäftigung. Denn nur mit Wettbewerb werde es gelingen, die wirtschaftlichen Herausforderungen seitens der USA, Chinas und Indiens zu bewältigen. "Dies ist die Voraussetzung für die Zukunft unserer Kinder und die Erhaltung der europäischer Sozialpolitik."

Bei den direkten Steuern sei die Harmonisierung weit gediehen, sagte Kovacs und wies auf Mindeststandards bei der Mehrwertssteuer sowie für Alkohol- und Treibstoffabgaben hin. In der Diskussion über eine Harmonisierung direkter Steuern hielt der Kommissar das Argument, Wettbewerb bei den Gesellschaftssteuern führe zu einer Spirale nach unten, nicht für richtig und sah keinen Handlungsbedarf der Gemeinschaft. Direkte Steuern seien kein wesentlicher Grund für die Auslagerung von Produktionen. Die Ursachen liegen, so Kovacs, in der Verbesserung des Marktzugangs, in der Infrastruktur, im rechtlichen Umfeld, in Qualität und Kosten der Arbeitskräfte sowie in der Gesamtsteuerlast.

Welche steuerlichen Maßnahmen schädlich seien, werde von einer Arbeitsgruppe der Kommission geprüft und ein Verhaltenskodex ausgearbeitet. Die Überlegungen gehen in Richtung Transparenz und Verhinderung von Diskriminierung. Eine Gemeinschaftssanktion bei den Gesellschaftssteuern sei nicht vorgesehen, weil dies den fairen Wettbewerb behindern würde, sagte Kovacs.

In seinen weiteren Ausführungen ging Kommissar Kovacs auf die unterschiedlichen Berechnungsmethoden für Gesellschaftssteuern ein, die derzeit in den 25 EU-Ländern bestehen. Das verursache Kosten, insbesondere für KMU. Zudem verunmöglichten unterschiedliche Steuerberechnungsmethoden den Vergleich von Steuersätzen. Eine gemeinschaftliche Berechnungsmethode würde Kosten senken und die Tätigkeit grenzüberschreitender Firmen erleichtern. Vorschläge für eine gemeinsame Methode würden von einer EU-Arbeitsgruppe ausgearbeitet. Deren bisherige Ergebnisse will die Kommission bereits im Juni dem Ecofin-Rat vorlegen, von dem sich Kommissar Kovacs grünes Licht für die Fortsetzung dieser Arbeit erhofft. Offen sei noch, ob eine konsolidierte gemeinsame Bemessungsgrundlage freiwillig oder verpflichtend eingeführt werden soll; die Kommission präferiere eine freiwillige Lösung zugunsten von KMU, die nur in einem Land tätig seien.

Kommissar Kovacs setzte sich auch mit Argumenten auseinander, die gegen eine konsolidierte Berechnungsmethode ins Treffen geführt werden. Befürchtungen wegen einer Einschränkung der nationalen Steuerhoheit zerstreute Kovacs mit dem Hinweis darauf, dass die Festlegung der Steuersätze in der nationalen Souveränität bleiben soll. Harmonisierte Berechnungsmethoden seien auch kein "Trojanisches Pferd" für harmonisierte Steuersätze - die Kommission will keine harmonisierten Steuersätze, wiederholte der EU-Finanzkommissar.

Einen Gesetzesvorschlag für eine harmonisierte Berechnungsmethode hofft Kommissar Kovacs bis 2008 vorlegen zu können. Soviel Zeit werde es brauchen, um alle Mitgliedsländer zu überzeugen. Gelinge diese Überzeugungsarbeit nicht, könnte man bei der Einführung der harmonisierten Steuerberechnungsmethode das Instrument der verstärkten Zusammenarbeit einsetzen. Voraussetzungen dafür wären die Zustimmung eines Drittels der Mitgliedsländer - die schon heute gegeben sei -, und eine Politik der "offenen Tür für alle". "Warum soll man Ländern die Möglichkeit nehmen, bei der Einführung gemeinsamer Berechnungsmethoden auf den Zug aufzuspringen", formulierte Kovacs.

Beim Thema "Betrugsbekämpfung" betonte Kovacs die enge Verbindung zwischen einer erfolgreichen Betrugsbekämpfung und der Lissabon-Strategie. Der Steuerentgang durch Betrug, insbesondere durch den "Karussell-Betrug", werde auf 200 Mrd. € bis 250 Mrd. € geschätzt. Die EU habe allen Grund, den Steuerbetrug entschlossen zu bekämpfen. Es habe sich aber gezeigt, dass nationale Methoden beim Kampf gegen den Steuerbetrug an Grenzen stießen. "Wir brauchen eine gemeinsame Strategie und einen gemeinsamen Ansatz", sagte Kovacs und kündigte neue Ideen an: für eine intensivere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten sowie mit Drittstaaten und für das Schließen von Lücken in der Mehrwertsteuerrichtlinie, ohne die Bürokratie ausufern zu lassen.

Minister Grasser: Mehr Tempo bei EU-Entscheidungen über Steuerfragen

Finanzminister Karl-Heinz-Grasser leitete seine Ausführungen mit dem thematischen Schwerpunkt "Steuerbetrug" mit einem Resümee zur österreichischen Ratspräsidentschaft ein. Diese sei in der Finanzpolitik auf die Priorität Wachstum und Beschäftigung in Europa gerichtet, um den Bürgern zu signalisieren, dass die Union alles daran setze, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren und die Rolle Europas im internationalen Kontext zu stärken. Mit den Ergebnissen des Lissabon-Zwischenberichts konnte niemand zufrieden sein, sagte Grasser und äußerte die Hoffnung, dass die nationalen Reformpläne die Identifikation der Mitgliedsländer mit dem Lissabon-Prozess erhöhen werde. Der Minister informierte über verbesserte Investitionsanreize für KMU, für höhere Energiesicherheit und für die transeuropäischen Netze sowie über bessere Rahmenbedingungen für Finanzdienstleistungen auf dem Binnenmarkt und die Senkung von Verwaltungskosten durch bessere Rechtssetzung. Nicht zuletzt sei es der österreichischen Ratspräsidentschaft gelungen, eine Einigung über die finanzielle Vorausschau bis 2013 herbeizuführen.

Zur aktuellen Steuerdiskussion in der EU unterstrich auch Finanzminister Grasser die Bedeutung des Steuerwettbewerbs, der die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erhöhe. Daher sei er gegen eine Harmonisierung von Steuersätzen. Was den europäischen Regierungen zu denken geben sollte, seien die viel zu langen, oft jahrzehntelangen Diskussionen über Entscheidungen in Steuerfragen, etwa über einheitliche Berechnungsgrundlagen. Die Debatte für die Körperschaftssteuern habe 1975 begonnen, ähnliches gelte für die grenzüberschreitende Berechnung von Gewinnen und Verlusten oder für die Besteuerung von Zinseinkünften. Dieses Tempo der Entscheidungsfindung reiche nicht aus, um Europa gegenüber Asien und den USA wettbewerbsfähig zu erhalten, zeigte sich der Finanzminister überzeugt und fügte hinzu, man komme mit dem Einstimmigkeitsprinzip in dieser Frage nicht weiter. "Wir können es uns nicht leisten, bei der Harmonisierung der Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage zu warten, bis alle 27 Mitgliedsländer eine einstimmige Entscheidung zustande bringen.

Beim Thema "Betrugsbekämpfung" sprach sich der Finanzminister für einen verstärkten Kampf gegen die Mehrwertsteuerhinterziehung aus. Es sei nicht hinzunehmen, wenn europaweit 200 Mrd. € bis 250 Mrd. € zu Lasten redlicher Steuerzahler hinterzogen werden, allein 1,3 Mrd. bis 1,5 Mrd. € in Österreich. Als Ursache identifizierte der Minister die Mängel des gegenwärtigen Mehrwertsteuer-Erhebungssystems auf Basis der fraktionierten Verrechnung, die leicht zu durchbrechen sei. Ein zusätzliches Problem entstehe durch verstärkte Kontrollen, die ehrliche Unternehmen benachteiligten.

Als ein positives Beispiel für im Kampf gegen den Mehrwertssteuerbetrug nannte der Finanzminister das "Reverse-Charge-System", das Österreich 2002 in der Baubranche eingeführt und ein damit ein steuerliches Mehraufkommen von 200 Mill. € erzielt habe. Auch Deutschland habe mit diesem Modell gute Erfahrungen gemacht und ebenso wie Österreich neuerlich beantragt, das "Reverse-Charge-System" nicht nur in einer Branche, sondern bundesweit anzuwenden. Er hoffe auf Genehmigung dieses Antrages, sagte Grasser und schlug vor, dieses System allen Ländern zu ermöglichen.

Statt punktueller Maßnahmen soll die EU Systemreformen andenken. Mit dem "Reverse-Charge-System" könnte ein guter Teil der derzeit hinterzogenen 250 Mrd. € auf der Basis von Ausnahmeregelungen hereingebracht werden. Mittelfristig gehe es um ein neues wirkungsvolles System.
     
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