Aber weiter Wettbewerb bei Steuersätzen; Kampf dem Steuerbetrug
Wien (pk) - Die Konferenz der Vorsitzenden der EU-Finanzausschüsse mit den Hauptthemen "Steuerharmonisierung"
und "Kampf dem Steuerbetrug" wurde am 30. 05. vom Vorsitzenden des Finanzausschusses des Nationalrates
Günter Stummvoll eröffnet. EU-Finanzkommissar Laszló Kovacs und Finanzminister Karl-Heinz Grasser
leiteten die Tagung mit ausführlichen Impulsreferaten ein.
Kommissar Kovacs: Steuerwettbewerb ist wichtig für Europa
Kommissar Laszlo Kovacs gab zunächst zu bedenken, dass die Europäische Kommission in der Steuerpolitik
ohne Unterstützung der Mitgliedsstaaten, des Rates und des EU-Parlaments nichts unternehmen könne, und
betonte die wichtige Rolle der nationalen Parlamente sowie den starken Einfluss, den diese auf die Regierungen
ausüben. "Einstimmigkeit ist die Voraussetzung für steuerpolitische Entscheidungen im Europäischen
Rat", sagte der Kommissar. Dieses Prinzip spiegle die nationale Souveränität der EU-Mitgliedsländer
wider.
Den Steuerwettbewerb, über den derzeit in Europa diskutiert werde, sah Kommissar Kovacs nicht negativ, er
zwinge die Regierungen, gute Bedingungen für Investoren zu bieten. Wettbewerb sei generell ein wichtiges Element
der Lissabonner Strategie für mehr Wachstum und Beschäftigung. Denn nur mit Wettbewerb werde es gelingen,
die wirtschaftlichen Herausforderungen seitens der USA, Chinas und Indiens zu bewältigen. "Dies ist die
Voraussetzung für die Zukunft unserer Kinder und die Erhaltung der europäischer Sozialpolitik."
Bei den direkten Steuern sei die Harmonisierung weit gediehen, sagte Kovacs und wies auf Mindeststandards bei der
Mehrwertssteuer sowie für Alkohol- und Treibstoffabgaben hin. In der Diskussion über eine Harmonisierung
direkter Steuern hielt der Kommissar das Argument, Wettbewerb bei den Gesellschaftssteuern führe zu einer
Spirale nach unten, nicht für richtig und sah keinen Handlungsbedarf der Gemeinschaft. Direkte Steuern seien
kein wesentlicher Grund für die Auslagerung von Produktionen. Die Ursachen liegen, so Kovacs, in der Verbesserung
des Marktzugangs, in der Infrastruktur, im rechtlichen Umfeld, in Qualität und Kosten der Arbeitskräfte
sowie in der Gesamtsteuerlast.
Welche steuerlichen Maßnahmen schädlich seien, werde von einer Arbeitsgruppe der Kommission geprüft
und ein Verhaltenskodex ausgearbeitet. Die Überlegungen gehen in Richtung Transparenz und Verhinderung von
Diskriminierung. Eine Gemeinschaftssanktion bei den Gesellschaftssteuern sei nicht vorgesehen, weil dies den fairen
Wettbewerb behindern würde, sagte Kovacs.
In seinen weiteren Ausführungen ging Kommissar Kovacs auf die unterschiedlichen Berechnungsmethoden für
Gesellschaftssteuern ein, die derzeit in den 25 EU-Ländern bestehen. Das verursache Kosten, insbesondere für
KMU. Zudem verunmöglichten unterschiedliche Steuerberechnungsmethoden den Vergleich von Steuersätzen.
Eine gemeinschaftliche Berechnungsmethode würde Kosten senken und die Tätigkeit grenzüberschreitender
Firmen erleichtern. Vorschläge für eine gemeinsame Methode würden von einer EU-Arbeitsgruppe ausgearbeitet.
Deren bisherige Ergebnisse will die Kommission bereits im Juni dem Ecofin-Rat vorlegen, von dem sich Kommissar
Kovacs grünes Licht für die Fortsetzung dieser Arbeit erhofft. Offen sei noch, ob eine konsolidierte
gemeinsame Bemessungsgrundlage freiwillig oder verpflichtend eingeführt werden soll; die Kommission präferiere
eine freiwillige Lösung zugunsten von KMU, die nur in einem Land tätig seien.
Kommissar Kovacs setzte sich auch mit Argumenten auseinander, die gegen eine konsolidierte Berechnungsmethode ins
Treffen geführt werden. Befürchtungen wegen einer Einschränkung der nationalen Steuerhoheit zerstreute
Kovacs mit dem Hinweis darauf, dass die Festlegung der Steuersätze in der nationalen Souveränität
bleiben soll. Harmonisierte Berechnungsmethoden seien auch kein "Trojanisches Pferd" für harmonisierte
Steuersätze - die Kommission will keine harmonisierten Steuersätze, wiederholte der EU-Finanzkommissar.
Einen Gesetzesvorschlag für eine harmonisierte Berechnungsmethode hofft Kommissar Kovacs bis 2008 vorlegen
zu können. Soviel Zeit werde es brauchen, um alle Mitgliedsländer zu überzeugen. Gelinge diese Überzeugungsarbeit
nicht, könnte man bei der Einführung der harmonisierten Steuerberechnungsmethode das Instrument der verstärkten
Zusammenarbeit einsetzen. Voraussetzungen dafür wären die Zustimmung eines Drittels der Mitgliedsländer
- die schon heute gegeben sei -, und eine Politik der "offenen Tür für alle". "Warum soll
man Ländern die Möglichkeit nehmen, bei der Einführung gemeinsamer Berechnungsmethoden auf den Zug
aufzuspringen", formulierte Kovacs.
Beim Thema "Betrugsbekämpfung" betonte Kovacs die enge Verbindung zwischen einer erfolgreichen Betrugsbekämpfung
und der Lissabon-Strategie. Der Steuerentgang durch Betrug, insbesondere durch den "Karussell-Betrug",
werde auf 200 Mrd. € bis 250 Mrd. € geschätzt. Die EU habe allen Grund, den Steuerbetrug entschlossen zu bekämpfen.
Es habe sich aber gezeigt, dass nationale Methoden beim Kampf gegen den Steuerbetrug an Grenzen stießen.
"Wir brauchen eine gemeinsame Strategie und einen gemeinsamen Ansatz", sagte Kovacs und kündigte
neue Ideen an: für eine intensivere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten sowie mit Drittstaaten und für
das Schließen von Lücken in der Mehrwertsteuerrichtlinie, ohne die Bürokratie ausufern zu lassen.
Minister Grasser: Mehr Tempo bei EU-Entscheidungen über Steuerfragen
Finanzminister Karl-Heinz-Grasser leitete seine Ausführungen mit dem thematischen Schwerpunkt "Steuerbetrug"
mit einem Resümee zur österreichischen Ratspräsidentschaft ein. Diese sei in der Finanzpolitik auf
die Priorität Wachstum und Beschäftigung in Europa gerichtet, um den Bürgern zu signalisieren, dass
die Union alles daran setze, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren und die Rolle Europas im internationalen Kontext
zu stärken. Mit den Ergebnissen des Lissabon-Zwischenberichts konnte niemand zufrieden sein, sagte Grasser
und äußerte die Hoffnung, dass die nationalen Reformpläne die Identifikation der Mitgliedsländer
mit dem Lissabon-Prozess erhöhen werde. Der Minister informierte über verbesserte Investitionsanreize
für KMU, für höhere Energiesicherheit und für die transeuropäischen Netze sowie über
bessere Rahmenbedingungen für Finanzdienstleistungen auf dem Binnenmarkt und die Senkung von Verwaltungskosten
durch bessere Rechtssetzung. Nicht zuletzt sei es der österreichischen Ratspräsidentschaft gelungen,
eine Einigung über die finanzielle Vorausschau bis 2013 herbeizuführen.
Zur aktuellen Steuerdiskussion in der EU unterstrich auch Finanzminister Grasser die Bedeutung des Steuerwettbewerbs,
der die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erhöhe. Daher sei er gegen eine Harmonisierung von Steuersätzen.
Was den europäischen Regierungen zu denken geben sollte, seien die viel zu langen, oft jahrzehntelangen Diskussionen
über Entscheidungen in Steuerfragen, etwa über einheitliche Berechnungsgrundlagen. Die Debatte für
die Körperschaftssteuern habe 1975 begonnen, ähnliches gelte für die grenzüberschreitende Berechnung
von Gewinnen und Verlusten oder für die Besteuerung von Zinseinkünften. Dieses Tempo der Entscheidungsfindung
reiche nicht aus, um Europa gegenüber Asien und den USA wettbewerbsfähig zu erhalten, zeigte sich der
Finanzminister überzeugt und fügte hinzu, man komme mit dem Einstimmigkeitsprinzip in dieser Frage nicht
weiter. "Wir können es uns nicht leisten, bei der Harmonisierung der Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage
zu warten, bis alle 27 Mitgliedsländer eine einstimmige Entscheidung zustande bringen.
Beim Thema "Betrugsbekämpfung" sprach sich der Finanzminister für einen verstärkten Kampf
gegen die Mehrwertsteuerhinterziehung aus. Es sei nicht hinzunehmen, wenn europaweit 200 Mrd. € bis 250 Mrd. €
zu Lasten redlicher Steuerzahler hinterzogen werden, allein 1,3 Mrd. bis 1,5 Mrd. € in Österreich. Als Ursache
identifizierte der Minister die Mängel des gegenwärtigen Mehrwertsteuer-Erhebungssystems auf Basis der
fraktionierten Verrechnung, die leicht zu durchbrechen sei. Ein zusätzliches Problem entstehe durch verstärkte
Kontrollen, die ehrliche Unternehmen benachteiligten.
Als ein positives Beispiel für im Kampf gegen den Mehrwertssteuerbetrug nannte der Finanzminister das "Reverse-Charge-System",
das Österreich 2002 in der Baubranche eingeführt und ein damit ein steuerliches Mehraufkommen von 200
Mill. € erzielt habe. Auch Deutschland habe mit diesem Modell gute Erfahrungen gemacht und ebenso wie Österreich
neuerlich beantragt, das "Reverse-Charge-System" nicht nur in einer Branche, sondern bundesweit anzuwenden.
Er hoffe auf Genehmigung dieses Antrages, sagte Grasser und schlug vor, dieses System allen Ländern zu ermöglichen.
Statt punktueller Maßnahmen soll die EU Systemreformen andenken. Mit dem "Reverse-Charge-System"
könnte ein guter Teil der derzeit hinterzogenen 250 Mrd. € auf der Basis von Ausnahmeregelungen hereingebracht
werden. Mittelfristig gehe es um ein neues wirkungsvolles System. |