EU-Abgeordnete: Unterschiedliche Bewertung der Ratspräsidentschaft
Wien (pk) - Nationalratspräsident Andreas Khol traf am 02.06. mit österreichischen Mitgliedern
des Europäischen Parlaments zu einem ausführlichen Gedankenaustausch zusammen. Dabei wurde die bisherige
Zusammenarbeit der beiden Parlamente zwar positiv bewertet, dennoch stimmte man darin überein, dass diese
in Zukunft noch intensiviert werden sollte.
Präsident Khol zog anfangs über die letzten fünf Monate der österreichischen Ratspräsidentschaft
eine positive Bilanz. Der Ratsvorsitz sei insgesamt sehr gut gelaufen, sagte er, und auch die Kooperation mit dem
Europäischen Parlament sei erfolgreich gewesen. Der Nationalratspräsident erinnerte in diesem Zusammenhang
an die beiden gemeinsamen Konferenzen in Brüssel zur Lissabon-Strategie sowie zur Zukunft Europas und merkte
an, dass Finnland dieses Modell fortsetzen werde. Auch das Subsidiaritätsprüfungsverfahren, wie es von
Kommissionspräsident Barroso angeboten und von der COSAC einstimmig beschlossen worden sei, sehe er auf gutem
Wege. Er erwarte, dass auch der Europäische Rat im Juni dies befürworten und in die Schlussfolgerungen
aufnehmen werde. Das Prüfungsverfahren werde auch für die nationalen Parlamente einen Verantwortungsdruck
bedeuten, die von der Kommission vorgeschlagenen Gesetze besser zu prüfen, meinte Khol.
Abgeordnete Maria Berger (S) stimmte mit dem Nationalratspräsidenten überein, die Zusammenarbeit der
beiden Gesetzgebungsinstitutionen in Zukunft verbessern zu müssen. Die Schnittstelle zum nationalen Gesetzgeber
sei essenziell, betonte sie. Als großes und wichtiges Thema für die kommenden Monate nannte sie das
Abkommen mit den USA betreffend die Datenspeicherung von Flugzeugpassagieren. Berger bewertete die österreichische
Ratspräsidentschaft grundsätzlich positiv. Die Verhandlungen über die finanzielle Vorausschau seien
erfolgreich abgeschlossen worden, auch wenn ihrer Meinung nach das Geld nicht reichen werde, so ihre kritische
Anmerkung. Auch über die Dienstleistungsrichtlinie habe man im Rat Konsens erzielen können, wobei das
Europäische Parlament eine entscheidende Vorarbeit geleistet habe. Als besonders erfolgreich lobte Berger
die Zusammenarbeit mit dem Justizressort. Das sei die seit langem erfolgreichste Präsidentschaft in diesem
Bereich gewesen, stellte sie fest.
Abgeordneter Paul Rübig (V) konzedierte der österreichischen Ratspräsidentschaft eine gute und professionelle
Vorgangsweise, wobei wesentliche Materien abgeschlossen werden konnten, beziehungsweise gute Lösungsansätze
gefunden wurden. Besonders gut sei der Tranatlantic Legislators' Dialogue angekommen, sagte er. Auch er sprach
sich dafür aus, über die Strukturen der Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament und den
Nationalen Parlamenten sowie über die Öffentlichkeitsarbeit nachzudenken. Rübig beklagte insbesondere
das Fehlen eines Europäischen Medienraums.
Anders in seiner Einschätzung der österreichischen Ratspräsidentschaft zeigte sich Abgeordneter
Johannes Voggenhuber (G). Das Klima zum Europäischen Parlament habe sich in den letzten fünf Monaten
eingetrübt, meinte er. Die Subsidiarität habe sich als Tarnbegriff für Renationalisierung demaskiert.
Österreich habe versucht, die Subsidiarität in eine Verfassungsdebatte umzulenken. Was Nationalratspräsident
Khol fordere, sei geltendes Recht, meinte Voggenhuber, das österreichischen Bundes-Verfassungsgesetz räume
dem Parlament Subsidiaritätsrechte ein, dieses mache davon jedoch keinen Gebrauch. Jedes Parlament verfüge
über das Informationsrecht. Er halte es jedenfalls für unangebracht, wenn ein Gesetzgeber dem anderen
in den Arm fällt. Er fordere daher, die Verfassungsdebatte zu parlamentarisieren, denn die "Malaise",
wie er sich ausdrückte, bestehe darin, dass sich die Regierungen zu Verfassungsgebern machen. Das Demokratiedefizit
habe in erster Linie der Rat zu verantworten. Als die wirklichen Themen das Verfassungsdebatte bezeichnete Voggenhuber
das Demokratiedefizit und die mangelnde soziale Dimension, dies werde aber von der Ratspräsidentschaft nicht
forciert. Wie seine Vorrednerin und sein Vorredner trat Voggenhuber dafür ein, die Zusammenarbeit des Europäischen
und des österreichischen Parlaments zu verbessern und öffentlich sichtbar zu machen.
In seiner Replik betonte Nationalratspräsident Andreas Khol, dass alle Parlamente außer Italien für
das Subsidiaritätsprüfungsverfahren eingetreten seien, und das müsse zu denken geben. Abgeordnetem
Voggenhuber widersprach er heftig und meinte, die nationalen Parlamente dürften sich nicht nur auf die Kontrolle
der eigenen Regierung beschränken. Die Parlamente seien der Sitz der Souveränität, Herren der Verträge
und Gesetzgeber. Wenn eine Europäische Rechtsvorschrift im Inland umzusetzen sei, so seien die staatlichen
Parlamente zuständig und hätten daher auch die Aufgabe, die Vorschläge genauer zu prüfen. Bei
der Subsidiarität gehe es nicht um Renationalisierung, unterstrich Khol, sondern um rechtzeitige Information. |