Wien (pr & d) - Erstmals wurden umfassende Daten über Legionäre im österreichischen Profifußball
in ihrer Gesamtheit erhoben. So ist es nun möglich, die Beziehung von Migration und Fußball wissenschaftlich
zu untersuchen. Dabei werden im Rahmen des vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützten Projekts nicht nur über
50 Jahre österreichische Fußballgeschichte aufgearbeitet, sondern auch aktuelle Debatten reflektiert.
Die Geschichte von (Im-)Migration und Fußball in Österreich ist bisher kaum wissenschaftlich untersucht,
obwohl Migration in der heimischen Fußballwelt Tradition hat. Zusätzlich wurden auch in Österreich
durch ein grundlegendes EuGH-Urteil Mitte der 1990er Jahre die Spielertransfers liberalisiert. Die Veränderungen,
die sich dadurch für den österreichischen Profi-Fußball ergeben haben, erforscht ein Projekt des
Wiener Instituts für Entwicklungsfragen und Zusammenarbeit unter dem Titel "Migration im österreichischen
Fußball nach 1945".
Zu diesem Zweck wurden erstmals alle wichtigen Daten der Legionäre der obersten Spielklasse sowie von aus
dem Ausland kommenden Trainern vollständig gesammelt. Diese Informationen bilden die Grundlage für die
weiteren Projektschritte: die biografische Aufarbeitung ausgewählter Migrations- und Karriereverläufe
von Spielern, eine Fragebogenerhebung unter aktuellen Profispielern sowie eine Analyse der Medienberichterstattung
zur Frage von Repräsentation und Identität im österreichischen Fußball. Bereits jetzt lassen
sich aber erste allgemeine Trends erkennen.
Der Tradition verpflichtet
Diese Trends spiegeln teilweise die allgemeinen Phasen der Zuwanderung auf nationaler Ebene wider, wie
Projektmitarbeiter Dr. Georg Spitaler ausführt: "Kamen Anfang der 1990er Jahre verstärkt die Migranten
und Migrantinnen aus Osteuropa, so folgte schon bald die Zuwanderung aus immer unterschiedlicheren Herkunftsländern.
Diese beiden Trends sind auch im Fußball bemerkbar. Darüber hinaus kam es im europäischen Fußball
auch aufgrund der oben erwähnten Rechtsprechung zu einer Deregulierung und Europäisierung
des Arbeitsmarktes. Als Konsequenz sind heute im österreichischen Fußball Spieler aus allen Kontinenten
vertreten."
Doch auch vor den 1990er Jahren, als Spieler aus den EU-Ländern durch das EuGH-Urteil freien Zugang erhielten,
spielten fast immer Migranten in heimischen Teams. Auch über deren Herkunft liefern die Daten, die bis in
die 1950er Jahre zurückgehen, erste Auskünfte. So kamen die damaligen Spieler, wie viele Flüchtlinge,
etwa aus Ungarn und später nicht zuletzt aus Jugoslawien nach Österreich.
Integriert und diskriminiert
Mit der steigenden Anzahl der in Österreich spielenden Legionäre wurden diese auch immer wieder
Gegenstand heftiger Diskussionen, wie begleitende Literaturrecherchen im Rahmen des Projekts zeigen. Dr. Barbara
Liegl, Projektpartnerin von Dr. Spitaler, meint dazu: "Vor allem Anfang der 1960er Jahre kam es in den Sportmedien
zu heftigen Beschwerden über eine ausländische Invasion. In den 1980er Jahren, als viele österreichische
Spieler selbst für große europäische Klubs spielten, wurden die Legionäre hingegen offenbar
freundlicher aufgenommen." Diese wechselnden Reaktionen der Medien auf ausländische Spieler gilt es nun
anhand der erhobenen Daten sowie der Medienanalyse näher zu untersuchen.
Auch gegenwärtig kommt es in Österreich die Anzahl der Legionäre ist seit den 1990er Jahren
auf ca. 40 Prozent angestiegen immer wieder zu Debatten über eine fehlende Identifikation der Fans
mit einer "überfremdeten" Mannschaft. Eine Konsequenz dieser Debatte war das in der Saison 2001/2002
in der Bundesliga geschlossene "Gentlemen¹s Agreement", nach dem in jedem Spiel eine Quote an inländischen
Spielern erfüllt werden muss.
Durch die Biografiearbeit in Erinnerung rufen will das Projekt auch Legionäre, die von der heimischen Fußballgeschichte
vergessen wurden. So erinnert sich heute kaum noch jemand an Saleh Selim, den ersten afrikanischen Kicker in Österreich
nach 1945, der in seinem Heimatland Ägypten zu den bekanntesten Sportlern zählte. Endgültige Ergebnisse
wird das FWF-Projekt, das damit auf "spielerische" Art und Weise Grundlagenforschung betreibt, noch rechtzeitig
vor der EM 2008 liefern. |