Erster österreichischer Männerbericht im Ausschuss diskutiert  

erstellt am
16. 06. 06

Heftige Kritik der Opposition am "unbrauchbaren" Bericht
Wien (pk) - Erstmals hatten die Parlamentarier und Parlamentarierinnen die Möglichkeit, sich einen umfassenden Überblick über die Situation der Männer in Österreich zu verschaffen. Dies war die Intention des von der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, Ursula Haubner, vorgelegten 1. Österreichischen Männerbericht, der im Gleichbehandlungsausschuss sehr kontroversiell diskutiert wurde. In Auftrag gegeben wurde der Bericht, der in Hinkunft alle fünf Jahre präsentiert werden soll, von der Männerpolitischen Grundsatzabteilung (Sektion V, Abteilung 6), die im März 2001 vom damaligen BM Herbert Haupt als eigene Organisationseinheit eingerichtet wurde. – Der Bericht wurde mit den Stimmen der Regierungsfraktionen zur Kenntnis genommen; der von der G-Abgeordneten Brigid Weinzinger eingebrachte Antrag, den Bericht nicht endzuerledigen, fand keine Zustimmung.

Abgeordnete Brigid Weinzinger (G) hielt es grundsätzlich für begrüßenswert, dass es einen Männerbericht gibt. Umso bedauerlicher sei, dass noch immer kein Frauenbericht vorgelegt wurde. Was die Inhalte angeht, so wurden zumindest die gröbsten sexistischen Vereinfachungen, die in den einzelnen Studien zu finden waren, weggelassen. Als Beispiele führte sie an, dass etwa von einem "genetisch-hormonellen Trieb zur Dominanz" gesprochen wird oder von einem "angeborenen Impuls der Frauen", sich um die Kinder zu kümmern und die Familienangehörigen zu pflegen. Aber auch der Rest des Berichts sei mehr als armselig, wodurch man der Geschlechterdemokratie einen schlechten Dienst erwiesen habe. Es wurden zwar einige wichtige Themen, die in der Männerforschung derzeit diskutiert werden, aufgegriffen, räumte die Rednerin ein. Diese wurden dann aber in eine revisionistische, frauenfeindliche Politik umgemünzt. Sie bedauerte, dass es nun im Plenum keine Gelegenheit mehr geben wird, darüber zu debattieren, wie man sich überhaupt traue, einen solchen Bericht im Jahr 2006 zu präsentieren.

Abgeordnete Elke Achleitner (F-BZÖ) widersprach ihrer Vorrednerin vehement. Sie finde es gut, dass sich erstmals ein Bericht mit den spezifischen Anliegen und Problemen von Männern befasst. Ein zentraler Punkt war dabei die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wovon eben nicht nur Frauen, sondern auch die Männer betroffen sind. Ein positives Ergebnis der Studien sei, dass immer mehr junge Männer sich an der Familienarbeit beteiligen wollen. Dennoch sei in diesem Bereich noch Bewusstseinsbildung notwendig, vor allem in den ländlichen Regionen, urteilte Achleitner.

Abgeordneter Hermann Krist (S) sprach von einer "schrecklichen Ansammlung" von miteinander schwer vergleichbaren Studien und von teilweise absurden Schlussfolgerungen. Er könne sich da nur dem Urteil einer "profil"-Journalistin anschließen, die gemeint hat, etwas ähnlich Unnützes habe es schon lange nicht mehr gegeben.

Auch Abgeordnete Sabine Mandak (G) kritisierte zahlreiche Aussagen im Bericht, die dazu beitragen würden, einen Keil zwischen Männern und Frauen hineinzutreiben. Für sie sei der Bericht eigentlich unbrauchbar, da sehr viele gegensätzliche Standpunkte darin zu finden sind, die zudem nicht bewertet werden. Auch die Empfehlungen sind sehr schwammig ausgefallen, bemängelte die Rednerin.

Nach Ansicht von Abgeordneter Bettina Stadlbauer (S) handle es sich um einen "peinlichen Bericht", in dem den Frauen, die in den meisten Fällen die Erziehungsarbeit übernehmen, die Schuld dafür gegeben werden soll, dass es den Männern nicht so gut geht. Es sei zudem reaktionär, wenn Rollenzuschreibungen noch verstärkt werden; das Geld hätte man für sinnvollere Projekte ausgeben können. Stadlbauer erkundigte sich bei der Ministerin, ob die im Bericht erwähnte verpflichtende gemeinsame Obsorge von Kindern nach der Scheidung – ein in Deutschland praktiziertes Modell – nun auch in Österreich eingeführt werden soll.

Abgeordnete Elisabeth Scheucher-Pichler (V) kündigte an, dass der Frauenbericht noch im Laufe des Juni vorgelegt werden soll. Sie verwehrte sich dagegen, dass der Männerbericht so umfassend kritisiert und mit Pauschalverurteilungen argumentiert werde. Die gesellschaftlichen Strukturen haben sich in den letzten Jahren stark verändert und es sei daher positiv, wenn auch den Männern zusätzliche Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel in Form der Männerberatungsstellen, angeboten werden.

Abgeordnete Andrea Kuntzl (S) erinnerte daran, dass der ehemalige Minister Haupt genau am Frauentag vor fünf Jahren die Einrichtung einer Männerabteilung bekannt gegeben hat. Dies sei ein Symbol dafür gewesen, dass ein Wendepunkt in der Gleichstellungspunkt eingeleitet werden sollte - und das sei auch passiert. Die Zielsetzung des Männerberichts gehe nun wieder in die gleiche Richtung, urteilte Kuntzl, nämlich jene Männer zu bedienen, denen "alles schon viel zu weit gegangen ist". Dafür stehe auch die Aussage im Bericht, dass es wichtig sei, sich von der "Gleichartigkeit und Gleichmacherei der Geschlechter zu verabschieden". Dieser Geist stehe für den Rückschritt in der Gleichstellungspolitik, konstatierte Kuntzl.

Abgeordnete Anna Höllerer (V) zeigte sich beeindruckt darüber, dass die jungen Männer (zwischen 18 und 25 Jahren) der Partnerschaft und der Familie einen sehr hohen Stellenwert einräumen. Dennoch sei es wichtig, weitere Maßnahmen im Bereich der Väterbildung zu setzen, war sie überzeugt.

Für die Kinder sei es sehr bedeutsam, dass sie sowohl zu den Müttern als auch zu den Vätern eine enge Bindung haben, meinte Abgeordneter Franz Eßl (V). Da dies nach Scheidungen oft schwierig sei, begrüße er ausdrücklich Initiativen wie zum Beispiel Besuchsbegleitungen oder die Einrichtung von Besuchcafes, wo der Kontakt zwischen Kindern und Eltern auf neutralem Boden ermöglicht werde.

Abgeordnete Barbara Riener (V) äußerte sich positiv zum Männerbericht, da erstmals auf wissenschaftlicher Basis der Blick auf die spezifischen Bedürfnisse und Probleme der Burschen und Männer gerichtet wird. Die Gehirnforschung habe in den letzten Jahren klar bewiesen, dass nicht alles auf die Erziehung zurückzuführen sei.

Abgeordnete Andrea Wolfmayr (V) räumte ein, dass eine gewisse Schwammigkeit und Beliebigkeit der Formulierungen im Bericht festzustellen ist. Dennoch handle es sich um einen positiven Ansatz und den Versuch, Antworten auf aktuelle Probleme zu finden. So sei es etwa das Fehlen männlicher Identifikationsfiguren ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, über das man nicht hinwegsehen könnte.

Abgeordnete Anita Fleckl (S) gab zu bedenken, dass vor allem die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und damit die Verdienstmöglichkeiten im ländlichen Raum die Männer daran hindern, sich in die Familienarbeit einzubringen. Als allein erziehende Mutter von zwei Söhnen sei sie betroffen darüber, dass ihr quasi gesagt werde, sie sei unfähig, ihre Kinder zu erziehen.
   

Bundesministerin Ursula Haubner wies darauf hin, dass Österreich mit der Vorlage des ersten Männerberichts Vorreiter in Europa sei. Da man auf keine Vorbilder zurückgreifen konnte, sei es auch klar, dass man über die Gestaltung und Aufbereitung diskutieren kann und Verbesserungen noch möglich sind. Die Kritik werde ernst genommen, allerdings sollten Zitate richtig dargestellt und nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden, wünschte sich Haubner.

Der Männerbericht, der auch das Ergebnis der fünfjährigen Tätigkeit der Grundsatzabteilung des Ministeriums ist, bringe eine wertvolle Zusammenschau verschiedener aktueller Studien, wie dies auch im Entschließungsantrag des Nationalrats gefordert wurde. Er wurde in drei Bereiche (Buben und Burschen/Männer/Väter) gegliedert und soll grundsätzlich zum Ausdruck bringen, dass Frauen- und Männerpolitik Hand in Hand gehen müssen und nicht gegeneinander ausgespielt werden sollen. In dem Bericht werden aktuelle Entwicklungen angesprochen, analysiert und entsprechende Maßnahmen empfohlen. Ein Schwerpunkt war etwa die Väterpolitik, führte die Ministerin weiter aus, wobei das Kinderbetreuungsgeld einen ersten wichtigen Schritt darstellte. Der Abgeordneten Mandak gegenüber stellte sie fest, dass sie die Einführung eines verpflichtenden Vätermonats nicht für sinnvoll halte; dies sei für sie nur auf freiwilliger Basis im bestehenden Rahmen vorstellbar. In diesem Zusammenhang erinnerte sie an die Einführung der Elternteilzeit, die von Müttern und Vätern zur gleichen Zeit genutzt werden könne. Bei dem Kapitel über die Scheidungen wurde auch die verpflichtende Obsorge angesprochen; dies könne nur als Anregung verstanden werden. Es müsse auf politischer Ebene diskutiert werden, ob Änderungen vorgenommen werden sollen. Derzeit sind 53 % der Betroffenen mit der aktuellen Regelung zufrieden. Eingesetzt wurde auch eine Arbeitsgruppe, die sich den Themen Unterhaltsrecht und Unterhaltsvorschuss befasst; ein Ergebnis soll im Juli vorliegen.

Ein wichtiges Anliegen war ihr auch die Elternbildung, wobei gerade für Männer sehr niederschwellige Angebote zur Verfügung stehen müssen. Haubner informierte die Abgeordneten, dass die Elternbriefe aktualisiert und vorige Woche eine Väter-DVD präsentiert wurde.

Hinsichtlich der Kosten führte die Ministerin aus, dass für die Erstellung 10.000 € veranschlagt wurde; der Druck der 3.000 Exemplare habe insgesamt 16.705 € gekostet.

Bezüglich des Vorschlags, eine Quotenregelung für Lehrer einzuführen, stellte Haubner klar, dass sie einen anderen Zugang präferiere. Es müsse bei der Bewusstseinsbildung angesetzt und den Männern vermittelt werden, dass Lehr-, Pflege und Betreuungsberufe interessante Jobmöglichkeiten darstellen.

Eine zweite Verhandlungsrunde eröffnete Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (S) mit dem Hinweis auf das Hauptproblem der Geschlechtergleichstellung, nämlich die Tatsache, dass Frauen trotz immer besserer Ausbildung weniger verdienen als Männer.

Abgeordnete Gertrude Brinek (V) hielt den Männerbericht für wichtig und bekannte sich zur positiven Diskriminierung der Geschlechter im Schulunterricht; dies sei pädagogisch State of the Art.

Abgeordnete Brigid Weinzinger (G) kritisierte die mangelnde wissenschaftliche Qualität des Berichts, der veraltete Literatur verarbeite und aktuelle Forschungsergebnisse unberücksichtigt lasse. Auch fehle ein Kapitel zum Problembereich "Männer und Gewalt". Beim Thema "Väterentbehrung" konzentriere sich der Bericht auf die Zeit nach der Scheidung, klagte die Abgeordnete, arbeitsmarktbedingte Väterentbehrung bleibe ausgeblendet. Der Bericht verstärke traditionelle Rollenbilder statt sie abzubauen.

Abgeordneter Detlev Neudeck (F-BZÖ) hielt es für positiv, den Männern zu signalisieren, dass sie über ihre Probleme öffentlich diskutieren können, ohne deshalb als schwach zu gelten. Neudeck räumte ein, dass 90 % der Gewalttaten in der Familie von Männern verübt werden, gab aber zu bedenken, dass es nicht nur körperliche, sondern auch andere Formen der Gewaltausübung gebe. Schließlich verteidigte Neudeck das Recht, sich kritisch über Gender Mainstreaming zu äußern - die Meinungsfreiheit sollte man auch dann respektieren, wenn man - wie in diesem Fall auch er selbst - anderer Meinung sei, sagte Neudeck.

Abgeordnete Heidrun Walther (S) stellte die Wissenschaftlichkeit und Seriosität des Männerberichts in Frage und forderte andere Maßstäbe bei der Erstellung des nächsten Männerberichts. Die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen nannte Walther als Hauptgrund, dass Männer nicht länger in Karenz gehen, weil sie Nachteile für ihre berufliche Entwicklung und das Familieneinkommen befürchten müssten.

Bundesministerin Ursula Haubner teilte mit, dass Österreich sowohl für die Einrichtung einer Männerabteilung im Generationenministerium als auch für die Ausarbeitung des Männerberichts internationales Lob und Anerkennung von Experten gefunden habe. Das Recht auf Gleichbehandlung sei für sie ein unteilbares Recht von Frauen und Männern, unterstrich die Ministerin und betonte die Rolle der Männer als Väter und in den Familien als einen Schwerpunkt ihrer Männerpolitik. Auch gehe es ihr darum, die Männerpolitik in das Gender Mainstreaming zu integrieren.

Mit dem Justizministerium führe sie Gespräche über das Thema Unterhaltszuschuss, mit dem Bildungsministerium über sprachliche Frühförderung und spezielle Berufsberatung für Burschen, sagte die Ministerin auf eine diesbezügliche Frage der Abgeordneten Brinek (V).

Kritik wegen unaktueller Literatur als Basis des Männerberichts wies die Ressortleiterin zurück. Die Mehrzahl der verwendeten Studien stamme aus der Zeit ab dem Jahr 2000, sagte Haubner.

Der vorliegende Männerbericht konzentriere sich auf Probleme von Buben und Burschen, auf männerspezifische Gesundheitsprobleme und auf die Rolle von Männern als Vätern. Das Thema Gewalt werde auf anderen Ebenen abgehandelt. Ihr Ressort unterstütze sehr stark die Plattform gegen Gewalt und habe gemeinsam mit dem Justizministerium eine Studie über die ökonomischen Auswirkungen von Gewalt in der Familie in Auftrag gegeben.

Die Schwierigkeiten von Vätern nach einer Scheidung seien tatsächlich besonders schwerwiegend, daher bilden sie einen Schwerpunkt des Berichts; klar sei aber, dass eine moderne Familie ohne Partnerschaft zwischen den Eltern nicht funktionieren könne. Daher habe die Bundesregierung Maßnahmen gesetzt, um Eltern mehr Zeit für ihre Familien zu geben, ohne dass dadurch Ansprüche auf Alterssicherung verloren gehen. Die angesprochenen Besuchscafes und die Besuchbegleitung nach Scheidungen wurden 2001 eingeführt und wurden auch sehr gut angenommen. BesuchbegleiterInnen, die sich aus den unterschiedlichsten Berufsgruppen rekrutieren (Psychologinnen, Therapeutinnen, Studentinnen, Krankenschwestern etc.) sind zu 80 % Frauen und zu 20 % Männer, teilte Haubner der Abgeordneten Maria Grander (V) mit. Im Jahr 2006 wurden für diese Maßnahmen 200.000 € aufgewendet. Die meiste Nachfrage gebe es in den urbanen Regionen. Derzeit werde gerade an einem Evaluierungsbericht gearbeitet.
     
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