Heftige Kritik der Opposition am "unbrauchbaren" Bericht
Wien (pk) - Erstmals hatten die Parlamentarier und Parlamentarierinnen die Möglichkeit, sich
einen umfassenden Überblick über die Situation der Männer in Österreich zu verschaffen. Dies
war die Intention des von der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz,
Ursula Haubner, vorgelegten 1. Österreichischen Männerbericht, der im Gleichbehandlungsausschuss sehr
kontroversiell diskutiert wurde. In Auftrag gegeben wurde der Bericht, der in Hinkunft alle fünf Jahre präsentiert
werden soll, von der Männerpolitischen Grundsatzabteilung (Sektion V, Abteilung 6), die im März 2001
vom damaligen BM Herbert Haupt als eigene Organisationseinheit eingerichtet wurde. – Der Bericht wurde mit den
Stimmen der Regierungsfraktionen zur Kenntnis genommen; der von der G-Abgeordneten Brigid Weinzinger eingebrachte
Antrag, den Bericht nicht endzuerledigen, fand keine Zustimmung.
Abgeordnete Brigid Weinzinger (G) hielt es grundsätzlich für begrüßenswert, dass es einen
Männerbericht gibt. Umso bedauerlicher sei, dass noch immer kein Frauenbericht vorgelegt wurde. Was die Inhalte
angeht, so wurden zumindest die gröbsten sexistischen Vereinfachungen, die in den einzelnen Studien zu finden
waren, weggelassen. Als Beispiele führte sie an, dass etwa von einem "genetisch-hormonellen Trieb zur
Dominanz" gesprochen wird oder von einem "angeborenen Impuls der Frauen", sich um die Kinder zu
kümmern und die Familienangehörigen zu pflegen. Aber auch der Rest des Berichts sei mehr als armselig,
wodurch man der Geschlechterdemokratie einen schlechten Dienst erwiesen habe. Es wurden zwar einige wichtige Themen,
die in der Männerforschung derzeit diskutiert werden, aufgegriffen, räumte die Rednerin ein. Diese wurden
dann aber in eine revisionistische, frauenfeindliche Politik umgemünzt. Sie bedauerte, dass es nun im Plenum
keine Gelegenheit mehr geben wird, darüber zu debattieren, wie man sich überhaupt traue, einen solchen
Bericht im Jahr 2006 zu präsentieren.
Abgeordnete Elke Achleitner (F-BZÖ) widersprach ihrer Vorrednerin vehement. Sie finde es gut, dass sich erstmals
ein Bericht mit den spezifischen Anliegen und Problemen von Männern befasst. Ein zentraler Punkt war dabei
die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wovon eben nicht nur Frauen, sondern auch die Männer betroffen sind.
Ein positives Ergebnis der Studien sei, dass immer mehr junge Männer sich an der Familienarbeit beteiligen
wollen. Dennoch sei in diesem Bereich noch Bewusstseinsbildung notwendig, vor allem in den ländlichen Regionen,
urteilte Achleitner.
Abgeordneter Hermann Krist (S) sprach von einer "schrecklichen Ansammlung" von miteinander schwer vergleichbaren
Studien und von teilweise absurden Schlussfolgerungen. Er könne sich da nur dem Urteil einer "profil"-Journalistin
anschließen, die gemeint hat, etwas ähnlich Unnützes habe es schon lange nicht mehr gegeben.
Auch Abgeordnete Sabine Mandak (G) kritisierte zahlreiche Aussagen im Bericht, die dazu beitragen würden,
einen Keil zwischen Männern und Frauen hineinzutreiben. Für sie sei der Bericht eigentlich unbrauchbar,
da sehr viele gegensätzliche Standpunkte darin zu finden sind, die zudem nicht bewertet werden. Auch die Empfehlungen
sind sehr schwammig ausgefallen, bemängelte die Rednerin.
Nach Ansicht von Abgeordneter Bettina Stadlbauer (S) handle es sich um einen "peinlichen Bericht", in
dem den Frauen, die in den meisten Fällen die Erziehungsarbeit übernehmen, die Schuld dafür gegeben
werden soll, dass es den Männern nicht so gut geht. Es sei zudem reaktionär, wenn Rollenzuschreibungen
noch verstärkt werden; das Geld hätte man für sinnvollere Projekte ausgeben können. Stadlbauer
erkundigte sich bei der Ministerin, ob die im Bericht erwähnte verpflichtende gemeinsame Obsorge von Kindern
nach der Scheidung – ein in Deutschland praktiziertes Modell – nun auch in Österreich eingeführt werden
soll.
Abgeordnete Elisabeth Scheucher-Pichler (V) kündigte an, dass der Frauenbericht noch im Laufe des Juni vorgelegt
werden soll. Sie verwehrte sich dagegen, dass der Männerbericht so umfassend kritisiert und mit Pauschalverurteilungen
argumentiert werde. Die gesellschaftlichen Strukturen haben sich in den letzten Jahren stark verändert und
es sei daher positiv, wenn auch den Männern zusätzliche Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten,
wie zum Beispiel in Form der Männerberatungsstellen, angeboten werden.
Abgeordnete Andrea Kuntzl (S) erinnerte daran, dass der ehemalige Minister Haupt genau am Frauentag vor fünf
Jahren die Einrichtung einer Männerabteilung bekannt gegeben hat. Dies sei ein Symbol dafür gewesen,
dass ein Wendepunkt in der Gleichstellungspunkt eingeleitet werden sollte - und das sei auch passiert. Die Zielsetzung
des Männerberichts gehe nun wieder in die gleiche Richtung, urteilte Kuntzl, nämlich jene Männer
zu bedienen, denen "alles schon viel zu weit gegangen ist". Dafür stehe auch die Aussage im Bericht,
dass es wichtig sei, sich von der "Gleichartigkeit und Gleichmacherei der Geschlechter zu verabschieden".
Dieser Geist stehe für den Rückschritt in der Gleichstellungspolitik, konstatierte Kuntzl.
Abgeordnete Anna Höllerer (V) zeigte sich beeindruckt darüber, dass die jungen Männer (zwischen
18 und 25 Jahren) der Partnerschaft und der Familie einen sehr hohen Stellenwert einräumen. Dennoch sei es
wichtig, weitere Maßnahmen im Bereich der Väterbildung zu setzen, war sie überzeugt.
Für die Kinder sei es sehr bedeutsam, dass sie sowohl zu den Müttern als auch zu den Vätern eine
enge Bindung haben, meinte Abgeordneter Franz Eßl (V). Da dies nach Scheidungen oft schwierig sei, begrüße
er ausdrücklich Initiativen wie zum Beispiel Besuchsbegleitungen oder die Einrichtung von Besuchcafes, wo
der Kontakt zwischen Kindern und Eltern auf neutralem Boden ermöglicht werde.
Abgeordnete Barbara Riener (V) äußerte sich positiv zum Männerbericht, da erstmals auf wissenschaftlicher
Basis der Blick auf die spezifischen Bedürfnisse und Probleme der Burschen und Männer gerichtet wird.
Die Gehirnforschung habe in den letzten Jahren klar bewiesen, dass nicht alles auf die Erziehung zurückzuführen
sei.
Abgeordnete Andrea Wolfmayr (V) räumte ein, dass eine gewisse Schwammigkeit und Beliebigkeit der Formulierungen
im Bericht festzustellen ist. Dennoch handle es sich um einen positiven Ansatz und den Versuch, Antworten auf aktuelle
Probleme zu finden. So sei es etwa das Fehlen männlicher Identifikationsfiguren ein gesamtgesellschaftliches
Phänomen, über das man nicht hinwegsehen könnte.
Abgeordnete Anita Fleckl (S) gab zu bedenken, dass vor allem die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und damit die
Verdienstmöglichkeiten im ländlichen Raum die Männer daran hindern, sich in die Familienarbeit einzubringen.
Als allein erziehende Mutter von zwei Söhnen sei sie betroffen darüber, dass ihr quasi gesagt werde,
sie sei unfähig, ihre Kinder zu erziehen. |
Bundesministerin Ursula Haubner wies darauf hin, dass Österreich mit der Vorlage des ersten Männerberichts
Vorreiter in Europa sei. Da man auf keine Vorbilder zurückgreifen konnte, sei es auch klar, dass man über
die Gestaltung und Aufbereitung diskutieren kann und Verbesserungen noch möglich sind. Die Kritik werde ernst
genommen, allerdings sollten Zitate richtig dargestellt und nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden, wünschte
sich Haubner.
Der Männerbericht, der auch das Ergebnis der fünfjährigen Tätigkeit der Grundsatzabteilung
des Ministeriums ist, bringe eine wertvolle Zusammenschau verschiedener aktueller Studien, wie dies auch im Entschließungsantrag
des Nationalrats gefordert wurde. Er wurde in drei Bereiche (Buben und Burschen/Männer/Väter) gegliedert
und soll grundsätzlich zum Ausdruck bringen, dass Frauen- und Männerpolitik Hand in Hand gehen müssen
und nicht gegeneinander ausgespielt werden sollen. In dem Bericht werden aktuelle Entwicklungen angesprochen, analysiert
und entsprechende Maßnahmen empfohlen. Ein Schwerpunkt war etwa die Väterpolitik, führte die Ministerin
weiter aus, wobei das Kinderbetreuungsgeld einen ersten wichtigen Schritt darstellte. Der Abgeordneten Mandak gegenüber
stellte sie fest, dass sie die Einführung eines verpflichtenden Vätermonats nicht für sinnvoll halte;
dies sei für sie nur auf freiwilliger Basis im bestehenden Rahmen vorstellbar. In diesem Zusammenhang erinnerte
sie an die Einführung der Elternteilzeit, die von Müttern und Vätern zur gleichen Zeit genutzt werden
könne. Bei dem Kapitel über die Scheidungen wurde auch die verpflichtende Obsorge angesprochen; dies
könne nur als Anregung verstanden werden. Es müsse auf politischer Ebene diskutiert werden, ob Änderungen
vorgenommen werden sollen. Derzeit sind 53 % der Betroffenen mit der aktuellen Regelung zufrieden. Eingesetzt wurde
auch eine Arbeitsgruppe, die sich den Themen Unterhaltsrecht und Unterhaltsvorschuss befasst; ein Ergebnis soll
im Juli vorliegen.
Ein wichtiges Anliegen war ihr auch die Elternbildung, wobei gerade für Männer sehr niederschwellige
Angebote zur Verfügung stehen müssen. Haubner informierte die Abgeordneten, dass die Elternbriefe aktualisiert
und vorige Woche eine Väter-DVD präsentiert wurde.
Hinsichtlich der Kosten führte die Ministerin aus, dass für die Erstellung 10.000 € veranschlagt wurde;
der Druck der 3.000 Exemplare habe insgesamt 16.705 € gekostet.
Bezüglich des Vorschlags, eine Quotenregelung für Lehrer einzuführen, stellte Haubner klar, dass
sie einen anderen Zugang präferiere. Es müsse bei der Bewusstseinsbildung angesetzt und den Männern
vermittelt werden, dass Lehr-, Pflege und Betreuungsberufe interessante Jobmöglichkeiten darstellen.
Eine zweite Verhandlungsrunde eröffnete Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (S) mit dem Hinweis auf das Hauptproblem
der Geschlechtergleichstellung, nämlich die Tatsache, dass Frauen trotz immer besserer Ausbildung weniger
verdienen als Männer.
Abgeordnete Gertrude Brinek (V) hielt den Männerbericht für wichtig und bekannte sich zur positiven Diskriminierung
der Geschlechter im Schulunterricht; dies sei pädagogisch State of the Art.
Abgeordnete Brigid Weinzinger (G) kritisierte die mangelnde wissenschaftliche Qualität des Berichts, der veraltete
Literatur verarbeite und aktuelle Forschungsergebnisse unberücksichtigt lasse. Auch fehle ein Kapitel zum
Problembereich "Männer und Gewalt". Beim Thema "Väterentbehrung" konzentriere sich
der Bericht auf die Zeit nach der Scheidung, klagte die Abgeordnete, arbeitsmarktbedingte Väterentbehrung
bleibe ausgeblendet. Der Bericht verstärke traditionelle Rollenbilder statt sie abzubauen.
Abgeordneter Detlev Neudeck (F-BZÖ) hielt es für positiv, den Männern zu signalisieren, dass sie
über ihre Probleme öffentlich diskutieren können, ohne deshalb als schwach zu gelten. Neudeck räumte
ein, dass 90 % der Gewalttaten in der Familie von Männern verübt werden, gab aber zu bedenken, dass es
nicht nur körperliche, sondern auch andere Formen der Gewaltausübung gebe. Schließlich verteidigte
Neudeck das Recht, sich kritisch über Gender Mainstreaming zu äußern - die Meinungsfreiheit sollte
man auch dann respektieren, wenn man - wie in diesem Fall auch er selbst - anderer Meinung sei, sagte Neudeck.
Abgeordnete Heidrun Walther (S) stellte die Wissenschaftlichkeit und Seriosität des Männerberichts in
Frage und forderte andere Maßstäbe bei der Erstellung des nächsten Männerberichts. Die Einkommensunterschiede
zwischen Männern und Frauen nannte Walther als Hauptgrund, dass Männer nicht länger in Karenz gehen,
weil sie Nachteile für ihre berufliche Entwicklung und das Familieneinkommen befürchten müssten.
Bundesministerin Ursula Haubner teilte mit, dass Österreich sowohl für die Einrichtung einer Männerabteilung
im Generationenministerium als auch für die Ausarbeitung des Männerberichts internationales Lob und Anerkennung
von Experten gefunden habe. Das Recht auf Gleichbehandlung sei für sie ein unteilbares Recht von Frauen und
Männern, unterstrich die Ministerin und betonte die Rolle der Männer als Väter und in den Familien
als einen Schwerpunkt ihrer Männerpolitik. Auch gehe es ihr darum, die Männerpolitik in das Gender Mainstreaming
zu integrieren.
Mit dem Justizministerium führe sie Gespräche über das Thema Unterhaltszuschuss, mit dem Bildungsministerium
über sprachliche Frühförderung und spezielle Berufsberatung für Burschen, sagte die Ministerin
auf eine diesbezügliche Frage der Abgeordneten Brinek (V).
Kritik wegen unaktueller Literatur als Basis des Männerberichts wies die Ressortleiterin zurück. Die
Mehrzahl der verwendeten Studien stamme aus der Zeit ab dem Jahr 2000, sagte Haubner.
Der vorliegende Männerbericht konzentriere sich auf Probleme von Buben und Burschen, auf männerspezifische
Gesundheitsprobleme und auf die Rolle von Männern als Vätern. Das Thema Gewalt werde auf anderen Ebenen
abgehandelt. Ihr Ressort unterstütze sehr stark die Plattform gegen Gewalt und habe gemeinsam mit dem Justizministerium
eine Studie über die ökonomischen Auswirkungen von Gewalt in der Familie in Auftrag gegeben.
Die Schwierigkeiten von Vätern nach einer Scheidung seien tatsächlich besonders schwerwiegend, daher
bilden sie einen Schwerpunkt des Berichts; klar sei aber, dass eine moderne Familie ohne Partnerschaft zwischen
den Eltern nicht funktionieren könne. Daher habe die Bundesregierung Maßnahmen gesetzt, um Eltern mehr
Zeit für ihre Familien zu geben, ohne dass dadurch Ansprüche auf Alterssicherung verloren gehen. Die
angesprochenen Besuchscafes und die Besuchbegleitung nach Scheidungen wurden 2001 eingeführt und wurden auch
sehr gut angenommen. BesuchbegleiterInnen, die sich aus den unterschiedlichsten Berufsgruppen rekrutieren (Psychologinnen,
Therapeutinnen, Studentinnen, Krankenschwestern etc.) sind zu 80 % Frauen und zu 20 % Männer, teilte Haubner
der Abgeordneten Maria Grander (V) mit. Im Jahr 2006 wurden für diese Maßnahmen 200.000 € aufgewendet.
Die meiste Nachfrage gebe es in den urbanen Regionen. Derzeit werde gerade an einem Evaluierungsbericht gearbeitet.
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