Wien geht verstärkt auf Nachbarstadt zu keine Verschmelzung, Annäherung steuern und
begleiten
Wien (rk) - "Die besondere Lage der beiden EU-Hauptstädte und die vergleichbare Position
der Städte innerhalb ihrer Länder ergibt eine einzigartige Situation, die wir zum Vorteil beider nutzen
wollen", erklärte Wiens Finanz- und Wirtschaftsstadtrat Vizebürgermeister Dr. Sepp Rieder im Rahmen
des Mediengesprächs des Bürgermeisters zur Twin City-Situation Wien / Bratislava. "Aus diesem geographischen
Naheverhältnis ergibt sich ein Wirtschafts- und Kaufkraftpotenzial, das durch enge Kooperation zum Vorteil
der Menschen in beiden Städten nutzbar gemacht werden kann. Wir werden daher in Zukunft verstärkt mit
unseren Nachbarn die Themenbereiche Infrastruktur, Wissenschaft & Forschung und Arbeitsmarkt verstärkt
koordinieren. Diese sind für die weitere wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Region von essentieller
Bedeutung", so Rieder.
"Annäherung der Städte mit 2,2 Millionen Einwohnern steuern und begleiten"
"Es geht dabei nicht um eine Verschmelzung der beiden Städte, sondern um eine Steuerung und ein
Begleiten eines Annäherungsprozesses, der mit dem Fall des Eisernen Vorhanges massiv einsetzte und seit dem
Beitritt der Slowakei zur EU noch einmal beschleunigt wurde", so der Wiener Vizebürgermeister. "Seit
rund 15 Jahren wächst diese zentraleuropäische Region zusammen, die Wirtschaft hat diesen Prozess massiv
vorangetrieben, wir steuern und begleiten die Kernbereiche", so Rieder. "Wir wollen kein unkoordiniertes
Nebeneinander zweier Städte mit mehr als 2,2 Millionen Menschen auf engstem Raum, sondern ein geordnetes Miteinander
zum Vorteil beider."
Rund 50 Interreg-Projekte laufen zur Zeit
Diese Kernaktivitäten in den Bereichen Infrastruktur / Arbeitsmarkt / Wissenschaft & Forschung stehen
zusätzlich zu den schon bestehenden Kooperationen in den verschiedensten Gebieten auf der Agenda. Die Annäherung
der beiden Städte erfolgt auch durch eine Vielzahl von Projekten, die großteils im Rahmen der EU- Förderschiene
Interreg IIIa laufen. Die Magistratsabteilung 27 - EU - Strategie und Wirtschaftsentwicklung betreut derzeit rund
50 solcher Kooperationen, bei denen die Städte Wien und Bratislava als Partner zusammenarbeiten. Diese Kooperationen
finden auf den verschiedensten Gebieten statt, wie zum Beispiel im Bereich Arbeitsmarkt und Wirtschaft, Stadtplanung,
Wissenschaft und Bildung oder Tourismus.
Infrastruktur: Straßen- / Schienen- / Wasser- und Luftverbindungen ausbauen
Mit rund 100.000 Pendlern zwischen Wien und Bratislava gibt es schon heute einen regen Pendlerverkehr.
Experten sprechen von einem Anwachsen der Pendlerbewegungen in den nächsten Jahren. Mit der Einrichtung des
Twin-City-Liners, der Linienschiffverbindung zwischen den Zentren der beiden Städte wurde von Seiten der Stadt
Wien bereits ein erster Schritt zum Ausbau der Verkehrsinfrastruktur zwischen Wien und Bratislava getan. "Der
Twin City-Liner ist ein erster symbolträchtiger Schritt, ein Eisbrecher, der dazu geführt hat, dass auch
die Bemühungen von Bundesseite nun verstärkt werden. Der Ausbau der Schienen- und Straßenverbindungen
steht ja nach einer sehr langen Anlaufzeit jetzt auch vor der Realisierung", so Rieder.
Die Verhandlungen zwischen den Flughafengesellschaften in Wien und Bratislava konnten heuer zu einem positiven
Abschluss gebracht werden. Damit ist eine gemeinsame Linie für diesen Bereich, der für die wirtschaftliche
Entwicklung der gesamten Region von zentraler Bedeutung ist, gesichert.
Auch beim Ausbau der Schienenverbindungen zwischen Wien und Bratislava (Ausbau der Ostbahn über Marchegg,
Errichtung der Schleife Götzendorf) spielt Wien eine aktive Rolle. So werden zum Beispiel die Planungsarbeiten
für die Götzendorfer Schleife - die Anbindung des Flughafens Wien an das internationale Schienennetz
- von Wien vorfinanziert.
Arbeitsmarkt: Überregionale Beschäftigungsstrategie
Einer der zentralen Punkte ist mit Sicherheit die Entwicklung am Arbeitsmarkt. Die Diskussionen um die festgelegten
Übergangsfristen macht dies deutlich. Die Stadt Wien hat mit Partnern aus Österreich und der Slowakei
eine überregionale Plattform geschaffen, in welcher gemeinsame Maßnahmen gesetzt werden.
Die Initiative für diese Überregionale Beschäftigungsstrategie ging von Seiten der Stadt Wien und
des waff - Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds aus. Im Rahmen des EU - Interreg IIIa Projektes ist im
Herbst 2004 eine Arbeitsgruppe aus Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsexperten sowie den ExpertInnen von beiden Stadt-
und Regionalregierungen, des waff (Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds), des AMS (Arbeitsmarktservice),
des Bundessozialamtes und der Sozialpartner eingerichtet worden. Aufgabe der Experten ist es, eine aufeinander
abgestimmte Strategie zu entwickeln, mit der die Arbeitsplätze in der Region stabilisiert und neue Beschäftigungschancen
geschaffen werden und die Region insgesamt in der Konkurrenz zu anderen Regionen gestärkt wird.
Mit der Initiative bereiten sich Wien und Bratislava auf das Ende der Übergangsfristen vor, die voraussichtlich
im Jahr 2011 ablaufen. Spätestens dann wird ein gemeinsamer Arbeitsmarkt in der Region Realität.
Bratislava führt ein ebenfalls von der EU gefördertes "Spiegelprojekt" durch. Das derzeitige
Projekt soll jedenfalls bis Ende 2006 weiter laufen. Insgesamt stehen dafür 500.000,- Euro zur Verfügung,
wovon 50 Prozent die EU und 50 Prozent das Land Wien und der waff finanzieren.
* Erste Phase bereits abgeschlossen: Vom Lehrlingsaustausch
bis zur Schaffung einer gemeinsamen Wissens- und
Informationsbasis
Die erste Phase des im Jahr 2004 gestarteten Projekts wurde bereits im Mai erfolgreich abgeschlossen. Es ist gelungen,
zwischen den beiden Städten zum Thema Arbeitsmarkt eine gemeinsame Wissens- und Informationsbasis aufzubauen.
Ebenso wurde bereits ein Projekt Lehrlingsaustausch durchgeführt.
* Verstärkte Kooperation der Arbeitsmarktakteure wird fortgesetzt
Weitere künftige zentrale Ziele der Arbeitsmarktplattform sind die verstärkte Kooperation der Arbeitsmarktakteure
beider Städte, gemeinsam definierte Standards für die Qualifizierung von ArbeitnehmerInnen bis hin zu
konkreten gemeinsamen Aus- und Weiterbildungsprojekten.
Derzeit im Laufen ist auch eine Schulkooperation der beiden Berufsschulen im automotiven Bereich. Die Studienaufenthalte
und Praktika von Lehrlingen, Lehrkräften und WerkmeisterInnen in den Partnerländern sind bereits angelaufen.
Forschung und Wissenschaft
Wien setzt seit Jahren verstärkt auf den Ausbau der Kapazitäten im Wissenschafts- und Forschungsbereich.
In der Bundeshauptstadt liegt die Forschungsquote mit über 3 Prozent weit über dem Österreichschnitt,
genauso, wie die Quote von Bratislava weit über dem Schnitt der Slowakei liegt. Gemeinsame Strategien könnten
hier stärkere Effekte bringen, wenn auch klar ist, dass die Schwerpunkte nicht ident, Synergien aber herstellbar
sind.
Schon in den letzten Jahren wurden einige Projekte - sowohl auf privater und auch auf staatlicher Seite - initiiert
und durchgeführt, die in diese Richtung zielen. Hier drei Beispiele:
* ZIT-Call Co Operate enlarged Vienna 2005
Beim Förderungswettbewerb "Co Operate enlarged - Vienna 2005" wurden zwei Projekte zwischen Wien
und der Slowakei mit 263.000 Euro gefördert. Ziel dieses Projekts des ZIT (Zentrum für Innovation und
Technologie) ist die Intensivierung des Wissenstransfers zwischen Wirtschaft und Wissenschaft und die Forcierung
des Technologieexports sowie grenzübergreifende Technologiekooperationen. Eingereicht wurden neue Forschungs-
und Entwicklungsprojekte, die Wiener Unternehmen mit wissenschaftlichen Einrichtungen und Unternehmen in den neuen
EU- Staaten realisieren. Im Rahmen dieses Wettbewerbs sind 2 Kooperationen mit wissenschaftlichen Einrichtungen
in Bratislava gefördert worden.
- So entwickelt das Wiener Biotech-Unternehmen Axon Express gemeinsam mit dem Institut für Neuroimmunologie
der Slowakischen Akademie der Wissenschaften in Bratislava einen Biomarker für Alzheimer Profiling. (Fördersumme:
220.000 Euro.)
- RCC AG: Ein Wiener Sicherheitstechnologie-Unternehmen, das gemeinsam mit dem slowakischen Partner CEE-Projekts
(Bratislava) an einem international verwertbaren Krisensimulationssystem arbeitet. (Fördersumme: 43.000 Euro)
* Kooperation der Privat-Unis
Neben den Kooperationen auf staatlicher Seite intensiviert auch der private Bildungssektor seine Aktivitäten.
Im März 2006 haben im Wiener Rathaus die slowakische Privatuniversität "Bratislavská vysoká
skola práva" und die "Sales-Manager-Akademie" auf der Wiener Hohen Warte einen Kooperationsvertrag
unterzeichnet. Die Preßburger Privatuniversität wird künftig über eine eigene Außenstelle
in Wien verfügen.
* Vienna School of Clinical Research
Die "Vienna School of Clinical Research (VSCR)" ist das Ausbildungs-zentrum des Pharma-Konzerns Eli Lilly
in Wien. Seit der Gründung im Jahr 2001 können dort u. a. Ärztinnen und Ärzte aus Zentral-
und Osteuropa eine post graduale Ausbildung in Sachen Klinische Forschung absolvieren. Einer der zahlreichen internationalen
Partneruniversitäten ist die Medizinische post graduale Universität Bratislava. Getragen wird das Projekt
auch von der Stadt Wien.
Zusammenarbeit quer durch alle Bereiche
Neben den drei Kernbereichen wurden natürlich auch in vielen anderen Bereiche zwischen Wien und Bratislava
Kooperationsmodelle entwickelt. Als Beispiele folgende Modelle:
* WWFF und SARIO "FDI - Foreign Direct Investment in Centrope"
Der WWFF kooperiert unter anderem mit der slowakischen Ansiedelungsagentur SARIO. Ziel ist es, die gemeinsame Region
im gemeinsamen Wirtschaftsraum im Ausland zu präsentieren. Das war zum Beispiel bereits in Mailand oder Tokio
der Fall. Auch dieses Projekt ist EU-gefördert. Weitere Partner sind die Ansiedlungsagenturen Ungarns und
Tschechiens.
* Kooperation der Planungsabteilungen der Städte Wien und Bratislava
Im Rahmen von COBRA (Cooperation Bratislava) und der PGO
(Planungsgemeinschaft Ost) wird auf dem Gebiet der Stadtplanung kooperiert.
* Wien Tourismus Städtemarketing
Im Rahmen eines EU-Projekts wird ein Destinationsmarketing
zwischen Bratislava und Wien entwickelt. Wientourismus
unterstützt die Stadt Bratislava unter anderem beim Aufbau eines
Stadtmarketings.
Eckdaten zu den Twin Cities Wien und Bratislava
Die beiden Twin Cities Wien-Bratislava sind nur 60 Kilometer voneinander entfernt. Nirgendwo sonst in Europa liegen
zwei Hauptstädte so nahe beieinander. In beiden Städten leben zusammen gerechnet knapp über 2,2
Millionen Einwohner (Wien: 1,6 Mio. Einwohner und Bratislava 520.000 Einwohner).
Beide Städte sind die reichsten Regionen ihrer Länder. In beiden Städten wird in etwa ein Viertel
der gesamten nationalen Wirtschaftsleistung erwirtschaftet. Bruttonationalprodukt Österreich: 227 Mrd. Euro,
Wien: 63 Mrd. Euro (28 Prozent der Gesamtleistung), Slowakei: 29 Mrd. Euro, Bratislava: 7 Mrd. Euro (24 Prozent
der Gesamtleistung).
Beide Städte gelten als wohlhabend. Wien ist die sechstreichste Region in der Europäischen Union. Die
Menschen in Bratislava verdienen um rund 16 Prozent mehr als der durchschnittliche EU-Bürger.
Ähnlich sind sich beide Städte, was die Wirtschaftsstruktur betrifft. Die meisten Beschäftigten
gibt es in beiden Städten im Dienstleistungsbereich. In Wien arbeiten 80 Prozent der Beschäftigten in
diesem Sektor, in Bratislava sind es 75 Prozent. In der Industrie in Wien sind rund 19 Prozent beschäftigt,
in Bratislava sind es 23 Prozent.
Sowohl bei Wien wie auch bei Bratislava handelt es sich um die nationalen Forschungs- und (Aus-)Bildungszentren.
In der Vienna Region gibt es 9 Universitäten und 11 Hochschulen. In der Westslowakei sind es 5 Universitäten
und eine Hochschule, insgesamt somit 14 Unis und 12 Hochschulen.
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