ÖGB-Präsident kandidiert nicht für Nationalrat  

erstellt am
23. 06. 06

 Gusenbauer: Gemeinsamer Schritt gut für SPÖ und ÖGB
"Außergewöhnliche Situation erfordert außergewöhnliche Maßnahme"
Wien (sk) - Die Entscheidung, dass sich ÖGB-Präsident Hundstorfer zu 100 Prozent auf seine Aufgaben im ÖGB konzentrieren wird und künftig Spitzenfunktionäre der Gewerkschaft nicht mehr automatisch auf der SPÖ-Liste kandidieren, sei eine gemeinsame, betonte SPÖ- Vorsitzender Alfred Gusenbauer im ORF-Interview am 22.06. Er werde darauf Wert legen, dass auch künftig Vertreter der Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter im Parlament vertreten sind; ein "automatisches Delegierungsrecht" etwa für den Vorsitzenden einer Teilgewerkschaft gebe es nicht, so Gusenbauer. Der ÖGB sei durch den BAWAG-Skandal in seinen Grundfesten erschüttert; "eine außergewöhnliche Situation erfordert auch außergewöhnliche Maßnahmen", so der SPÖ-Chef.

ÖGB-Präsident Hundstorfer konzentriere sich klar auf das Ziel der Erneuerung des ÖGB; deshalb werde er auch zu 100 Prozent dem ÖGB zur Verfügung stehen, so Gusenbauer. Er, so der SPÖ-Vorsitzende, habe mit Hundstorfer darüber gesprochen. Das Ergebnis sei, "dass jeder die Konsequenz zieht, die wir gemeinsam für richtig erachten", so Gusenbauer. Es sei Tradition gewesen, dass der ÖGB-Präsident im Parlament vertreten war. "Aber man soll doch nicht so tun, als ob nichts geschehen wäre." Der ÖGB sei durch den BAWAG-Skandal in seinen Grundfesten erschüttert und stehe nun vor der Herausforderung, seine Schlagkraft und Glaubwürdigkeit wieder herzustellen. "Das ist eine außerordentliche Situation - und eine außerordentliche Situation kann man nicht allein mit der Tradition beantworten, sondern die erfordert auch neue Maßnahmen."

Einen Konflikt mit der Gewerkschaft gebe es nicht. Die vielen Gewerkschaftsfunktionäre und Betriebsräte, mit denen er, so Gusenbauer, in den letzten Wochen und Tagen gesprochen habe, hätten sich klar für "ein deutliches Signal der Aufgabenteilung, der Erneuerung der hundertprozentigen Konzentration auf die Aufgaben" ausgesprochen. Dieser gemeinsame Schritt sei "sowohl gut für den Gewerkschaftsbund als auch für die Sozialdemokratie".

Wer in Zukunft für die SPÖ im Parlament sitzen wird, werde bei der Listenerstellung zu Herbstbeginn entschieden. Auf der Liste sollen Persönlichkeiten sein, "die die unterschiedlichen Aspekte des sozialen Lebens und vor allem das politische Programm zur Erneuerung Österreichs vertreten", so Gusenbauer.

 

Scheuch: Selbst "Vorwärts Genossen wir rudern zurück" rettet Gusenbauer nicht
SP-Chef auf Abruf? - Innerparteiliche Front gegen Gusenbauer immer stärker
Wien (bzö) - "Nach dem ungeordneten Rückzug von SP-Chef Gusenbauer in der Frage der Nationalratsmandate für Gewerkschaftsbosse stellt sich die Frage, wie lange Gusenbauer für die immer noch mächtige Gewerkschaftsorganisation und deren Verbündete in der SPÖ noch tragbar ist", erklärte BZÖ-Bündnissprecher DI Uwe Scheuch zum plötzlichen Gesinnungswechsel des SP-Vorsitzenden und den gleichzeitig immer lauter werdenden Ablösegerüchten.

Was von Gusenbauer als "wind of changes" angedacht war, könne relativ schnell zu einem Orkan werden, der den SP-Chef aus seinen Ämtern blase, ergänzte Scheuch unter Hinweis auf die eindeutigen Wortmeldungen aus SPÖ und ÖGB. "Wenn Häupl, Hundstorfer, Hostasch oder Katzian sowie eine ganze Reihe weiterer Spitzenfunktionären aus SPÖ und ÖGB offen gegen Gusenbauer Stellung beziehen, dann sind die Tage des glücklosen SP-Vorsitzenden wohl gezählt", so der BZÖ-Bündnis-Sprecher weiter.

Offensichtlich hätten die tatsächlich Mächtigen in ÖGB und SPÖ bereits beschlossen, den längst an der roten Nomenklatur vorbei agierenden Gusenbauer abzulösen und so einen finalen Befreiungsschlag für die SPÖ zu setzen. " Sollte der Sturz Gusenbauers tatsächlich kurz bevor stehen, wären auch die hypernervösen Auftritte seiner engsten Verbündeten in der SP-Spitze wie Josef Cap oder Doris Bures erklärbar, die ihre politische Zukunft ebenfalls hinter sich hätten."

Auch wenn das BZÖ Gusenbauer keine Träne nachweinen würde, wäre es für den Zustand der österreichischen Sozialdemokratie mehr als bezeichnend, wenn die ÖGB-BAWAG-Nomenklatur den Machtkampf in der SPÖ gewinnen sollte, schloss der BZÖ-Bündnissprecher.

 

 Kickl: Unglaubwürdiges Agieren Gusenbauers
Lädt ÖGB SPÖ-Chef vom 1.Mai-Aufmarsch aus?
Wien (fpd) - Absolut unglaubwürdig ist für FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl das Agieren von Alfred Gusenbauer im Zusammenhang mit dem ÖGB. "Daß Herr Hundstorfer jetzt nicht für den Nationalrat kandidiert, ist zwar sehr zu begrüßen, aber die Einsicht Gusenbauers kommt etwas zu spät, um glaubhaft zu sein, und zwar um einige Jahre zu spät."

Bis vor kurzem sei Gusenbauer mit seinem Busenfreund Verzetnitsch noch ein Herz und eine Seele gewesen und habe die Gewerkschaftsbonzen mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützt und verteidigt, erinnerte Kickl. Die Edelwein-Mentalität habe sich mit der Penthouse-Mentalität bestens vertragen. Auch der Kandidatur Hundstorfers habe Gusenbauer anfänglich noch lautstark applaudiert. Seine jetzige Kehrtwende sei deshalb nur als heuchlerisch zu bezeichnen und auf politische Existenzängste zurückzuführen. Aufgrund des politischen Dahintorkelns Gusenbauers sei es wohl auch nur mehr eine Frage der Zeit, bis ihn der ÖGB vom Aufmarsch am 1. Mai auslade, vermutete Kickl.

 

 Van der Bellen: "Freiwilliger" Verzicht von Hundstorfer nicht ausreichend
Wien (grüne) - „Der Verzicht von ÖGB-Präsident Hundstorfer auf ein Nationalratsmandat, den er heute angekündigt hat, mildert zwar vielleicht die Probleme zwischen SPÖ und ÖGB, ist aber keineswegs ausreichend. Es kann keine Frage der Freiwilligkeit sein, ob die Spitzen der Sozialpartnerschaft im Parlament vertreten sind oder nicht. Die Doppelfunktion in Sozialpartnerschaft und im Nationalrat führt permanent zu Interessenskonflikten. Notwendig ist daher eine klare Regelung, wonach die Spitzen der Sozialpartnerschaft nicht zugleich ein Nationalratsmandat innehaben sollten“, bekräftigt Alexander Van der Bellen, Bundessprecher der Grünen.

Nach dem Verzicht Hundstorfers sind SPÖ und ÖVP weiter gefordert. Immer noch sind die Präsidenten der Teilgewerkschaften GPA-Präsident Katzian und Beamtengewerkschaftschef Neugebauer Mitglieder im Parlamentsklub der SPÖ bzw. ÖVP. Der ÖGB versteht sich als unabhängige, parteiübergreifende Institution. „Daher ist es unvereinbar, wenn die Spitzen der Teilgewerkschaften im jeweiligen Klub von ÖVP und SPÖ Parteipolitik betreiben. So lange der eine Teil sich als Vorfeldorganisation der SPÖ, der andere als Vorfeldorganisation der ÖVP versteht, wird die Gewerkschaft insgesamt geschwächt und nicht gestärkt“.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
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