Jepsen: Kein konfessionelles Wahrheitsmonopol
Wien (epdOe) - Ein vielfältiges Programm prägte auch heuer wieder die traditionellen Gustav-Adolf-Feste,
die am 15. Juni in jeder evangelischen Diözese stattfanden. Mehrere Tausend Menschen haben zu Fronleichnam
an diesen evangelischen „Kirchentagen“ teilgenommen. Neben den Festgottesdiensten, kulturellen Angeboten und den
Sitzungen des regionalen Gustav-Adolf- Vereins wurden auch in diesem Jahr wieder vor allem Kinder und Jugendliche
mit eigenen Programmpunkten angesprochen.
Eine prominente Festpredigerin war zum steirischen Gustav-Adolf-Fest in die Heilandskirche Graz gekommen: Die Hamburger
Bischöfin Maria Jepsen plädierte dort für mehr ökumenische Gemeinschaft „auch im Kernbereich
unseres Glaubens“, wie dem Abendmahl. „Wir haben jegliches konfessionelles Wahrheitsmonopol aufzugeben und dürfen
keinen vom Abendmahl ausschließen, der als getaufter Christ daran teilnehmen will“, sagte Jepsen, die vor
15 Jahren weltweit als erste Frau in ein lutherisches Bischofsamt gewählt wurde. Es gelte, das Evangelium
„in unser Gemeindeleben und in unsere Gesellschaft einzumischen“, gemeinsam soziale und gesellschaftliche Verantwortung
wahrzunehmen. Christlicher Glaube lebe nicht von Abgrenzung und Einschränkung: „Wir sind nicht für die
Dogmen da, sondern kirchliche Lehrsätze sollen uns das Leben, Glauben und Denken klarer machen“, betonte die
Bischöfin im Gottesdienst, in dem auch die neuen Mitglieder des Superintendialausschusses in ihr Amt einführt
wurden.
40 Jahr Superintendentur Salzburg-Tirol
Wie in Graz – die Pfarrgemeinde Heilandskirche feiert heuer ihr 150jähriges Bestehen – prägte auch in
Salzburg ein Jubiläum das Gustav-Adolf-Fest: Der Festgottesdienst in der Christuskirche stand im Zeichen von
„40 Jahre evangelische Diözese Salzburg-Tirol“. Auch hier wurde im Festgottesdienst mit Superintendentin Mag.
Luise Müller, Synodalsenior Joel Ruml (Tschechien) und Dekan Gottfried Stritar (Traunstein) der neue Superintendentialausschuss
eingeführt. Ein Erzählcafé, ein Vortrag über Emil Sturm, den ersten Superintendenten der
Diözese, und ein „Runder Tisch“ über die evangelischen Kirchen im zusammenwachsenden Europa bildeten
weitere Programmpunkte in Salzburg.
Einen besonderen Fokus auf die teilnehmenden Kinder legte das Gustav-Adolf-Fest in Gols. Erstmals war der Festgottesdienst
beim burgenländischen „Kirchentag“ als Familiengottesdienst konzipiert, an dem rund 2.200 Menschen, darunter
rund 250 Kinder und Jugendliche, teilnahmen. Gestaltet wurde der Familiengottesdienst zum Thema „Wurzeln und Flügel“
von Pfarrerin Mag. Andrea Petritsch, Pfarrerin Mag. Ingrid Tschank und der Religionslehrerin Renate Kast. Erstmals
wurde auch zu einem Kleinkindergottesdienst eingeladen, an dem rund 75 Kinder im Kindergartenalter mit ihren Eltern
teilnahmen. Beim Kinderfest wurden dann unterschiedliche Spielstationen angeboten, „Kreativstationen“ gab es beim
Jungscharprogramm. Golser Künstlerinnen und Künstler gestalteten ein Kunstobjekt zum Festthema, das nun
im Hof des evangelischen Gemeindezentrums angebracht wird und an das Gustav-Adolf-Fest – Pfarrerin Tschank: „ein
Fest für alle Sinne“ - in Gols erinnern wird. Das Festprogramm war erstmals als Wandkalender gestaltet, der
nach den Informationen zum Fest auf 18 Kalenderblättern das Gemeindeleben in Wort und Bild dokumentiert.
„Evangelisch sein und Feste fröhlich feiern, gehört einfach zusammen“, sagte Pfarrer Siegfried Levin.
Seine Gemeinde Dornbach, die die Evangelischen im Maltatal betreut, war Gastgeber für das Kärntner Gustav-Adolf-Fest,
heuer ein „Fest der Dankbarkeit“. Fast 1.000 Besucher tummelten sich zwischen den Kirchen Fischertratten und Gmünd.
Nach dem Festgottesdienst mit Senior Michael Guttner wurde im Schloss Lodron in Gmünd gefeiert. Bei einer
Abstimmung der Hauptversammlung des GAV Vereines wurde Zlan als nächstjähriger Austragungsort des Festes
bestimmt.
Sturm: Gustav-Adolf-Arbeit hat europäische Dimension
Auf die Bedeutung der Grenzen überwindenden Dimension der Gustav-Adolf-Arbeit wies Bischof Mag. Herwig Sturm
beim niederösterreichischen Gustav-Adolf-Fest in Klosterneuburg hin. Dieser Verein habe in Erinnerung an den
Schwedenkönig Gustav Adolf Kirchen über Ländergrenzen zusammengeführt. Heute bewähre sich
auch die Europäische Union als Friedensprojekt Europas, sagte Sturm vor den über 500 Teilnehmern der
niederösterreichischen Gemeinden in der Klosterneuburger Babenbergerhalle, darunter auch Gäste aus Deutschland,
Tschechien und Ungarn.
Eröffnet wurde der evangelische Kirchentag mit einem gemeinsamen Gebet der evangelischen Christen und der
Teilnehmer der Fronleichnamsprozession am Rathausplatz. Superintendent Mag. Paul Weiland bezeichnete die Begegnung
als besonderen Akzent und Zeichen des guten Miteinanders. Neben dem persönlichen Einsatz sei es das exklusive
Angebot der glaubenden Menschen, für das Land und die Menschen zu beten. Inhaltlicher Schwerpunkt des Festgottesdienstes,
der nach der in Klosterneuburg eingeführten alternativen Form als freier Gottesdienst gefeiert wurde, war
das Thema „Jauchzet dem Herrn alle Welt“. Im Zentrum stand das Miteinander-Feiern der Generationen, der Gemeinden
und der Frömmigkeitsrichtungen. Von Superintendent Weiland in ihr Amt eingeführt wurden die Mitglieder
des niederösterreichischen Superintendentialausschusses. Weiland hob dabei die große Bedeutung der ehrenamtlichen
Mitarbeit hervor und dankte allen für ihren Einsatz.
Das reichhaltige Programm des Tages bot unter anderem „Offenes Singen“, ein Harfenworkshop, Stiftsführungen
und Besichtigungen im Museum Essl. Im Kabarett am Nachmittag erfuhren die begeisterten Teilnehmer nicht nur eine
literarische Kritik von superNews, dem Magazin für das evangelische Niederösterreich, durch Marcel Reich-Ranicki,
sondern auch Tipps und Hintergründe der evangelischen Niederösterreich-Liga von Otto Baric und über
das Engagement von Frank Stronach in der Evangelischen Kirche in Niederösterreich, sondern erlebten auch live
eine Millionenshow. Weiterer Schwerpunkte waren das Kinderprogramm sowie jenes für Jugendliche, das schon
am Vorabend begonnen hatte.
Biblische Vision
Zerfall der Strukturen, Absinken in die Bedeutungslosigkeit, Verlust der finanziellen Mittel, Sparmaßnahmen
und Erosion der Glaubenssubstanz – das sind die „Schreckgespenster“, wenn es um die Zukunft der Kirche geht. Ihnen
stellte der oberösterreichische Superintendent Dr. Gerold Lehner in seiner Predigt beim Gustav-Adolf-Fest
in Attersee biblische Visionen entgegen: Am Beginn der Kirchengeschichte stehen, so Lehner, nicht Grundsatzbeschlüsse
und Beratungen, sondern die Vision Gottes, die den Apostel Paulus bewegt, nach Europa zu gehen.
Dass sich Kirche „in der Wärme des liebevollen Blickes von Gott dem Menschen zuwendet“, habe Vorrang vor allen
finanziellen und organisatorischen Bemühungen, sagte der Superintendent im Festgottesdienst, zu dem parallel
ein Gottesdienst für Jugendliche und junge Erwachsene sowie ein Kindergottesdienst stattfanden. Besondere
Attraktion des Tages war nachmittags eine Schifffahrt auf dem Attersee. Auf dem vollbesetzten Schiff „Stadt Vöcklabruck“
erklärte der frühere Kurator der Pfarrgemeinde, Gottfried Neubacher, Landschaft und Geschichte des Attersees
und seiner Umgebung.
Reiner: Verschiedenheit zeigt Vielfalt von Gottes Reich
Den Festgottesdienst des Wiener Gustav-Adolf-Festes, das heuer in Strasshof gefeiert wurde, gestalteten Oberkirchenrätin
Dr. Hannelore Reiner und Superintendent Mag. Hansjörg Lein. Wachsen „auf Christus hin und von Christus her“
ist, so Reiner in ihrer Predigt, elementare Aufgabe der Christinnen und Christen. Dabei gehe es um ein „Wachstum
der Liebe“, „echter“ und „wahrhaftiger“ Liebe, ein „Kennzeichen der Kirche Jesu Christi für alle Zeiten“,
das „von selber Kreise zieht“. Das Wachsen auf Christus hin mache Menschen nicht zu Abziehbildern, sondern zu „originalen
Persönlichkeiten“. Reiner: „Verschiedenheit ist kein Problem, sondern zeigt die Größe und Vielfalt
von Gottes Reich“. Im Anschluss an den Familiengottesdienst, den rund 300 Personen mitfeierten, wurde für
das Symbol des Wachsens ein Baum gepflanzt. Höhepunkt des Rahmenprogramms war ein Sonderzug, der direkt neben
dem Fest Station machte und die Gäste in das Eisenbahnmuseum Strasshof brachte.
Im kommenden Jahr werden die Diözesen Burgenland, Niederösterreich, Steiermark und Wien erstmals gemeinsam
das Gustav-Adolf-Fest feiern. Auf dem Oberwarter Messegelände erwarten die Veranstalter rund 4.000 Besucher.
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