Wien (prime) - Viele kleinere, illiquide Small- und Mid-Caps scheinen den aktuellen Baisse-Schub an den
Aktienmärkten relativ unbeschadet zu überstehen, während gerade die großen, schwer kapitalisierten
Blue Chips an der Börse zur Zeit kräftige Kurseinbussen hinnehmen müssen. Eine genaue Analyse der
Aktionärsstruktur gibt allerdings Aufschluss darüber: Während die Kursbewegungen der Blue Chips
hauptsächlich von großen, institutionellen Marktteilnehmern getragen werden, spielen Privatanleger bei
der Kursfindung von Nebenwerten eine wesentlich größere Rolle. Zwar sind auch in diesem Marktsegment
Institutionelle tätig, allerdings sehen sie diese Positionen zumeist bloß als Dividendentitel zur Depotbemischung.
Ein kurzfristiger Ausstieg ist bei solchen Titeln für Fondsmanager ohnedies kaum möglich, da der Markt
nicht die nötige Aufnahmefähigkeit besitzt, um größere Positionen von Institutionellen ohne
ein selbst ausgelöstes Kursgemetzel absorbieren zu können.
Private treuere Aktionäre
Dieser Vergleich soll aufzeigen, dass sich Privataktionäre deutlich von Fondsmanagern oder professionellen
Vermögensverwaltern unterscheiden – sowohl in ihrem Verhalten als auch bei ihren Anforderungen an die Investor
Relations-Arbeit der Unternehmen. Privatanleger besitzen die Tendenz, sich auch in schwierigen Börsezeiten
nicht gleich von ihren Papieren zu trennen – schließlich stehen sie auch nicht unter dem Druck, Jahr für
Jahr eine Benchmark outperformen zu müssen. Und Leerverkäufe sind für Private im Gegensatz zu Institutionellen
ohnedies Tabu. Diese stabilisierenden Eigenschaften von Privataktionären sprechen dafür, dieser Gruppe
und ihren speziellen Bedürfnissen genug Aufmerksamkeit entgegenzubringen. Da der Kenntnisstand privater Anleger
meist nicht mit dem professioneller Teilnehmer mithalten kann, eignen sich für die Informationsübermittlung
andere Instrumente als bei der Kommunikation mit Institutionellen. Als Ergebnis dürfen sich notierte Unternehmen
eine stärkere Bindung der Privataktionäre an das Unternehmen – im besten Fall verkaufen Privataktionäre
ihre Stücke nicht, sondern vererben sie – und eine allgemeine Imageverbesserung im Heimatland erwarten. Hunderte
zufriedene, heimische Privataktionäre werden eher einen positiven Einfluss auf den Geschäftsgang eines
österreichischen Unternehmens ausüben als eine Handvoll großer, internationaler Fondsmanager.
Pro oder kontra Privatanleger
Somit bedarf es zunächst einer Grundsatzentscheidung, ob sich notierte Unternehmen der Zielgruppe Privataktionäre
im Rahmen ihrer IR-Strategie überhaupt annehmen. Manche Branchen wie etwa Bio- oder Nanotechnologie eignen
sich nämlich weniger für Privataktionäre. Einerseits ist das Risiko bei diesen Branchen für
Einzelinvestments in privaten Aktiendepots zu hoch, anderseits fehlt den meisten Privataktionären auch das
nötige Know-how, um den Fortgang der Produkt-Entwicklung und der komplexen Zulassungsverfahren verschiedener
nationaler Behörden korrekt einstufen zu können. Für jene Unternehmen, die mit Privataktionären
gleichzeitig auch eine Zielgruppe für die eigenen Produkte ansprechen, wird es sich hingegen eher lohnen,
spezielle IR-Maßnahmen für Privatanleger umzusetzen. Da im Internet-Zeitalter mittlerweile keine umfangreichen,
teuren und komplexen Finanzinformationssysteme mehr nötig sind, um an die aktuellen Kursbewegungen oder die
jüngste Ad-hoc-Mitteilung eines Unternehmens zu kommen, spielen großteils symbolische Maßnahmen
eine wichtige Rolle bei den Bemühungen um das Wohlwollen der Privataktionäre.
Anliegen ernst nehmen
Es geht im Grunde hauptsächlich darum, auch Privatanlegern zu zeigen, dass sie dem Unternehmen wichtig
sind und ihre Anliegen ernst genommen werden. IR-Verantwortliche sollten daher auch stets für Anfragen von
Privataktionären erreichbar sein und einen Verteiler für diese Zielgruppe pflegen, um ihnen die Quartals-
und Jahresberichte postalisch oder per e-Mail zusenden zu können. Darüber hinaus sind regelmäßige
Veranstaltungen für Privatanleger wichtig, um ihnen etwa im Rahmen einer Werksbesichtigung persönlichen
Kontakt zu einem Vorstandsmitglied inklusive kurzer Gesprächsmöglichkeit anzubieten. Von entscheidender
Bedeutung ist in diesem Zusammenhang aber der Umgang mit privaten Aktionären in Hauptversammlungen: Selbst
bei der großzügigsten Naturaldividende bleibt ein schaler Nachgeschmack, wenn die Unternehmensführung
gegenüber Privatanlegern einen herablassenden Stil pflegt. Denn gerade auch Privataktionäre sollten so
behandelt werden, wie es ihnen zusteht – nämlich als Eigentümer. |