Architekt in Laibach, Wien und Prag (1872 – 1957)
Wien (wiener städtische) - Josef Plecnik realisierte in einer eigenständigen Architektursprache,
die vor allem in klassisch-antiken Vorbildern ihre Referenzen suchte, an seinen drei Hauptwirkungsstätten
Wien, Prag und Laibach sein bis heute herausragendes Werk. "Architektur im Ringturm" präsentiert
das Schaffen des international hoch geschätzten slowenischen Architekten, das sich stilmäßig einer
üblichen Einordnung in die Architekturentwicklung des 20. Jahrhunderts entzieht.
Mit Wien verband Josef (Joze) Plecnik (1872 – 1957) zuerst die durch seinen Grazer Lehrer Theyer vermittelte Arbeit
in der Möbelfabrik Müller, wo als Zeichner und Werkmeister oft auch selbständige Entwürfe im
Stil des Historismus entstanden. Mit seinen außergewöhnlichen Zeichnungen bewarb er sich bei Otto Wagner
an der Akademie der bildenden Künste zum Architekturstudium, das er mit dem Rompreis 1888 (einjähriges
staatliches Reisestipendium) abschloss.
Nach der Rückkehr von der Reise arbeitet er fast ein Jahr lang im Atelier Otto Wagners. In dieser Zeit entstanden
die unverwechselbar gestalteten Dekors und Stationen für die Stadtbahn (u.a. Gumpendorferstraße, Rossauerlände).
Aus seiner ersten freischaffenden Periode zwischen 1900 und 1911 in Wien, sind das Zacherl-Haus, ein Firmengebäude
mit sehr eleganten Formen und ausgestaltet mit Marmor und Stahlstiften (1903–05, Bauernmarkt, Innere Stadt) und
die Heilig-Geist-Kirche mit ihrer berühmten Krypta (1910–13, Herbststraße, Wien-Ottakring) die international
bekanntesten Werke.
Ersteres ist als größte Bauaufgabe des Fabrikanten Zacherl, (neben der eigenen Villa und Einrichtungen
für Familienmitglieder) als Büro- und Wohnhaus entstanden und besticht durch hervorragende Ausführungsdetails,
die bis heute nahezu ohne wesentliche Renovierungsarbeiten erhalten sind. Mit der plastischen Fassade in Granitstein
und dem einzigartigen bronzenen Figurenschmuck (Bildhauer Engelhardt) ist es auch eines der wenigen großmaßstäblichen
Bauwerke des späten Jugendstils in der Wiener Innenstadt.
Die Heilig-Geist-Kirche stellt durch die Ausführung in Stahlbeton, der hochwertig händisch bearbeitet,
aber doch sichtbar belassen wurde, eines der frühesten Beispiele in dem damals neuen Baumaterial dar. Berühmt
ist die Krypta, die Plecnik in einem ausgeklügelten Stahlbetonskelett errichtete.
Von Bedeutung sind weiters der Karl-Borromäus-Brunnen in Wien-Landstraße (1906–09), das Miethaus Langer
an der Rechten Wienzeile (1901–02) sowie die Villa Langer mit ihrer Jugendstil-Putzfassade (1900–01) und das Haus
Weidmann in Wien-Hietzing (1902). Ein weiteres sehr frühes Werk, die Villa für den Notar Loos, befindet
sich in Melk an der Donau (1901).
1911 kam Plecnik auf Vermittlung seines Freundes Jan Kotera – ebenso ein Wagnerschüler – nach Prag als Professor
an die Kunstgewerbeschule. 1929 beauftragt ihn der tschechoslowakische Präsident Tomas Masaryk, die Prager
Burg zum Symbol des neuen Staates zu adaptieren. Diese Aufgabe – als sein Hauptwerk in Prag – beschäftige
ihn 15 Jahre.
Vermutlich gab es niemanden anderen im zentraleuropäischen Raum, der so präzise die Symbolik der mythologischen
Bedeutung von Wiedergeburt und Geschichte verstand, der dank seiner handwerklichen Kenntnis die neuen Materialien
perfekt in die steinalte Substanz einfügen konnte und der auf die Aura des Burgviertels und der Kleinseite
– vielfach von italienischen Baumeistern geschaffen - mit einer mediterranen Kontemplativität antworten konnte.
Plecnik ist der einzige nicht-tschechische Architekt, der nach 1918 eine national sensible Bauaufgabe übernahm
und mit der Herz Jesu-Kirche in den Weinbergen (1928-32) einen der bedeutendsten Sakralbauten des 20. Jahrhunderts
in Mitteleuropa errichtete. Der moderne Geist Plecniks offenbart sich dem Besucher im Inneren: über eine Rampe
im Corbusierschen Geiste erklimmt man den Kirchturm und blickt durch das gläserne Ziffernblatt über die
Altstadt Prags hinweg auf die Burg und das Werk Plecniks.
Von 1921 bis 1956 wirkte er an der Universität seiner Heimatstadt Ljubljana (Laibach) als Lehrer für
Architekturentwurf. Parallel dazu baute er seine Tätigkeit als Architekt im Lande. Mit dem damaligen Stadtbaumeister
Prelovšek realisierte er viele bedeutende Projekte, die das Stadtbild Laibachs bis heute prägen.
Zu den bekanntesten Arbeiten Plecniks zählen hier die Universitätsbibliothek mit der eindrucksvollen
Fassade und einem stimmungsvollen Lesesaal (1936–41), die Markthallen und Ufergestaltungen entlang der Ljublianica
(1940–42), Dreibrücken (1930–32), Balustraden und Stege (Schuhmacherbrücke, 1931–32), das „Bügeleisengebäude“
(1932-34), das Haus Prelovšek (1931–33), Gestaltungs- bzw. Regulierungsaufgaben für Naturräume und Parks
(Kongressplatz, Flusslauf der Ljublianica, Tivoli-Park, Schanzenbastei am Burghügel) sowie der Friedhof in
Zale mit seinen vielen Kapellen und dem Betriebsgebäude (1938–40).
Seine Werke im sakralen Bereich sind jedoch noch bedeutender: die Franziskus-Kirche in Laibach (1925–28), die Auferstehungskirche
in Bogojina, die Kirche zum Hl. Antonius in Belgrad (1929–32) haben alle eine einzigartige Atmosphäre, die
u.a. durch die tiefe eigene Religiosität Ljublianica geprägt ist. Die St. Michaels-Kirche in Barje bei
Laibach zählt zu seinen interessantesten sakralen Arbeiten. Plecnik verbindet bei diesem Werk aus Holz und
Stein in genialer Weiser klassisch-sakrale mit lokaler Bautradition. Das Äußere ähnelt lokalen
bäuerlichen Zweckgebäuden, die Innenausstattung erinnert in Farbgebung, Materialwahl und Details an traditionelle
slowenische Architektur.
Plecniks Arbeit ist heute international hoch geschätzt; bis zur ersten großen Werkschau in Paris (Centre
Georges Pompidou, 1986) war seine Arbeit allerdings international wenig bis gar nicht bekannt; dies rührt
vermutlich von der schwer kategorisierbaren Architektursprache, die sich jeder stilistischen Zuordnung entzieht.
Aber gerade das macht den Reiz für den Kenner aus.
Kurz-Biografie:
Josef Plecnik wurde 1872 in der Baibacher Vorstadt Gradisce geboren. 1888-92 Ausbildung zum Tischler an
der Gewerbeschule in Graz/Prof. Leopold Theyer. 1895-98 Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien
bei Otto Wagner, der damaligen Eliteschule für Architektur in der Monarchie. Ab 1896 Mitarbeit im Wagner-Atelier.
1898-99 Reise nach Italien und Frankreich. 1899-1900 Arbeit im Atelier Wagner, Büroleiter. 1901-11 freischaffender
Architekt in Wien. 1901 Mitglieder der Wiener Secession. 1904 Goldmedaille für eine Innenausstattung, Weltausstellung
in St. Louis. 1911-21 Professor an der Kunstgewerbeschule in Prag auf Vermittlung Jan Koteras. Ab 1921 Professor
für Architekturentwurf an der Universität in Laibach. 1920 Auftrag durch Präsident Tomas Masaryk
für Arbeiten an der Prager Burg. Vielbeschäftigter Architekt in Prag sowie in Laibach und Umgebung, wo
er bis zu seinem Tod 1957 (in seinem Haus in Laibach) insbesondere seine Heimatstadt durch Planungen und Lehre
nachhaltig geprägt hat.
Ausstellung:
Plecniks Werke werden auf Bildtafeln, gegliedert in seine drei Hauptwirkungsstätten Wien, Prag, Laibach
in zahlreichen Abbildungen (über 250) dargestellt. Originale Zeichnungen, Pläne, Publikationen und eine
Reihe originaler Möbel runden das Bild seiner vielfältigen Arbeit ab.
Katalog:
Josef Plecnik. Architekt in Wien, Prag und Laibach. 1872–1957. Beiträge von Friedrich Achleitner,
Damjan Prelovšek, Adolph Stiller und Stephan Templ. Ca. 80 Seiten. Architektur im Ringturm XII, Juni 2006. Preis:
22 Euro
Kuratoren:
Damjan Prelovšek, Adolph Stiller
Einrichtung:
Eva Prelovšek
Öffnungszeiten:
28. Juni bis 8. September 2006
Montag bis Freitag: 9.00 bis 18.00 Uhr, freier Eintritt
(an Feiertagen geschlossen) |