Bericht des Verfassungsausschusses einstimmig zur Kenntnis genommen
Wien (pk) - Nach mehr als zwei Stunden Debatte mit 18 Wortmeldungen hat der Nationalrat den
Bericht des Verfassungsausschusses über die Behandlung des Volksbegehrens "Österreich bleib frei!"
einstimmig zur Kenntnis genommen. Das von der FPÖ initiierte Volksbegehren war von 258.281 Österreicherinnen
und Österreichern unterzeichnet worden.
Vor Eintritt in die Tagesordnung der 154. Sitzung des Nationalrats bezog sich Abgeordneter Dr. CAP (S) in einer
Meldung zur Geschäftsbehandlung auf die für diese Sitzung angekündigte Dringliche Anfrage des BZÖ
zur BAWAG und gab zu bedenken, einige der Fragen seien nicht geschäftsordnungskonform, da sie keine Gegenstände
der Vollziehung betreffen. Er erwarte sich eine ähnliche Großzügigkeit des Präsidenten nun
auch bei Dringlichen anderer Fraktionen, fügte Cap an.
Präsident Dr. KHOL bemerkte dazu, er habe als Präsident kein Recht, den Titel oder die Fragen einer Dringlichen
Anfrage zu beeinflussen. Dem Minister stehe es aber frei, die Beantwortung einer Frage, die seiner Meinung nach
nicht die Vollziehung betrifft, abzulehnen.
Abgeordneter Mag. MOLTERER (V) warf ein, die Wortmeldung Caps zeige, welche Probleme die SPÖ mit dieser Anfrage
hat.
In diese Richtung äußerte sich auch Abgeordneter SCHEIBNER (F), der durch Caps Einwand die Wichtigkeit
dieser Dringlichen bestätigt sah. Im übrigen interpretierte er die Vorbehalte des SP-Sprechers als "ungeheuerlichen"
Versuch einer Beschränkung des Interpellationsrechtes des Parlaments.
Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) meinte hingegen, er habe Caps Wortmeldung nicht als Angriff auf das Interpellationsrecht
verstanden.
Präsident Dr. KHOL teilte darauf hin mit, dass für 15 Uhr die Behandlung der Dringlichen Anfrage des
BZÖ an Finanzminister Grasser betreffend Haftungsübernahme zur Zukunftssicherung der BAWAG-PSK angesetzt
ist. Im Anschluss daran wird sich das Plenum auf Antrag der Grünen in einer Kurzen Debatte mit einer Anfragebeantwortung
von Sozialministerin Haubner betreffend das Thema "skandalöser Postenschacher und Leerlauf in der Familie
und Berufsmanagement GesmbH" auseinandersetzen.
Darüber hinaus liegen auf Antrag der Regierungsparteien Fristsetzungsanträge (Frist bis 11. Juli) betreffend
die Einsprüche des Bundesrates hinsichtlich Sozialversicherungsänderungsgesetz, Beamtendienstrechtsgesetz,
Konsulargebührengesetz und Sozialrechtsänderungsgesetz zur Abstimmung vor.
Der Nationalrat berät das Volksbegehren "Österreich, bleib frei!"
Abgeordnete Dr. BAUMGARTNER-GABITZER (V) betonte, dieses Volksbegehren werde nicht schubladisiert, man habe sich
vielmehr im Ausschuss sehr ausführlich damit befasst. Die Rednerin warf den Initiatoren allerdings vor, ernste
Themen mit großem Populismus zu vertreten.
So sei die Forderung nach Bewahrung der Neutralität verfehlt, zumal keine wesentliche Kraft des Parlaments
daran denke, das Neutralitätsgesetz zu ändern. Was den EU-Beitritt der Türkei betrifft, sei es momentan
noch viel zu früh, darüber abzustimmen. Es gelte in erster Linie nun, den derzeitigen Verhandlungsprozess
abzuwarten. Erst bei Vorliegen von Ergebnissen werde sich die Regierung dann für die Abhaltung einer Volksabstimmung
einsetzen. Die EU-Verfassung wiederum ist nach den Worten der Rednerin ein richtiger und wichtiger Versuch, die
Union weiterzuentwickeln, eine Abwehr, wie dies vom Volksbegehren gefordert wurde, sei daher völlig falsch.
Insgesamt stellte Baumgartner-Gabitzer fest, der Weg Österreichs in die EU sei richtig und vorteilhaft gewesen,
es bestehe kein Grund, davon abzurücken.
Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) sah wie seine Vorrednerin keinerlei Notwendigkeit, über die bisherigen verfassungsmäßigen
Garantien der Neutralität hinauszugehen, und meinte, Österreich sei mit den geltenden Bestimmungen "gut
aufgehoben". Klar war für Gusenbauer, dass sich Österreich an kriegerischen Auseinandersetzungen,
die nicht durch den Sicherheitsrat legitimiert sind, nicht beteiligen werde. Er nahm seine Wortmeldung weiters
zum Anlass für eine Kritik am Irak-Krieg und appellierte an Bundeskanzler Schüssel, den US-Präsidenten
Bush beim heutigen Gipfeltreffen zu einer Beendigung aufzufordern.
Zur EU-Verfassung stellte Gusenbauer fest, es gehe darum, die Lehren aus dem Scheitern des Vertrages zu ziehen
und das Ziel eines sozialen Europas noch präziser zu formulieren. Darüber hinaus sei, wie er sagte, der
"Abstimmungsfleckerlteppich" ein falscher Weg gewesen. Besser wäre es nach Meinung Gusenbauers,
über die Verfassung eine gesamteuropäische Volksabstimmung abzuhalten.
Den Türkei-Beitritt schließlich hielt Gusenbauer derzeit für völlig offen, wobei er zu bedenken
gab, es sollte außer Streit stehen, dass die Türkei jedes EU-Mitgliedsland anerkennt und die bestehenden
Vertragselemente der Union akzeptiert. Den Tag, an dem dann über einen allfälligen Beitritt abgestimmt
werden soll, sah Gusenbauer jedenfalls in weiter Ferne.
Abgeordneter SCHEIBNER (F) wertete das Volksbegehren als Anlass, über Fehlentwicklungen in der EU zu diskutieren.
Für falsch hielt er die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Es sei absehbar, dass
dieses Land die EU-Kriterien nicht erfüllen werde und die Grundwerte der Union nicht beachte, stand für
ihn fest. Angesichts der strategischen Bedeutung bedürfe es anderer Mittel, um die Türkei an Europa heranzuführen.
Verwundert zeigte sich Scheibner über die Forderungen des Volksbegehrens nach Aufrechterhaltung der Neutralität.
Die Betreiber der Initiative würden heute auf einen Neutralitätsbegriff der fünfziger Jahre zurückgreifen,
hätten vor kurzem aber noch für einen NATO-Beitritt plädiert, sagte er. Ein UNO-Mandat als Grundvoraussetzung
für jeden militärischen Einsatz betrachtete Scheibner als wünschenswert, meinte aber, bei der derzeitigen
Veto-Struktur des Sicherheitsrats sei dies nicht möglich. Er trat für eine offensive Unterstützung
der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ein und betonte in Anspielung an das Volksbegehren,
die Sicherheit Österreichs und Europas dürfe nicht als populistisches Wahlkampfinstrument missbraucht
werden. Mit Nachdruck bekannte sich Scheibner schließlich auch zu einer europäischen Verfassung und
zur Abhaltung einer EU-weiten Volksabstimmung darüber.
Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) konnte sich den Forderungen des Volksbegehrens nicht anschließen und sprach
von einem parteipolitischen Missbrauch dieses Instruments. Die Initiative diene einzig und allein dazu, der FPÖ
und ihren populistischen und teilweise rassistischen Themen eine Öffentlichkeit zu geben, sagte sie.
Wie auch ihre Vorredner hielt Lunacek die Sorge über die Neutralität angesichts der verfassungsrechtlichen
Garantien für unbegründet. Zur Frage des Türkei-Beitritts bemerkte sie wiederum, es gelte nun, den
Verhandlungsprozess abzuwarten. Volksabstimmungen über den Beitritt anderer Länder bezeichnete die Rednerin
als grundsätzlich falsch, wobei sie ins Treffen führte, auch Österreich wäre es nicht recht
gewesen, hätten andere Länder über seinen Beitritt abgestimmt. Hinsichtlich der Eu-Verfassung trat
Lunacek hingegen für eine EU-weite Volksabstimmung ein und vermisste eine diesbezügliche Initiative Österreichs
während der Präsidentschaft.
Staatssekretär Dr. WINKLER referierte die Inhalte des in Rede stehenden Volksbegehrens und meinte, dieses
Volksbegehren greife damit Themen auf, die der österreichischen Bevölkerung wichtig seien und entsprechend
diskutiert würden. Das Volksbegehren weise aber nicht darauf hin, dass diese Themen derzeit nicht aktuell
seien. So denke keine politische Kraft daran, die Neutralität aufzugeben, wie die Neutralität stets die
Richtschnur für das konkrete Agieren der heimischen Außenpolitik gewesen sei. Gleichzeitig dürfe
man aber nicht verkennen, dass der österreichische EU-Beitritt und der Fall des "Eisernen Vorhangs"
die politische Realität verändert habe, worauf auch entsprechend reagiert werden müsse. Im Volksbegehren
stünden hingegen Passagen, für die jegliche Begründung fehle.
Der EU-Verfassungsvertrag sei ein gutes Dokument, das für viele Probleme, die von den Menschen artikuliert
würden, eine gute Lösung aufweise. Die Grundsätze dieses Vertrages sollten daher bewahrt werden,
meinte der Staatssekretär, der abschließend darauf hinwies, dass man hinsichtlich eines EU-Beitritts
der Türkei gerade erst am Beginn der diesbezüglichen Verhandlungen stehe, deren Ausgang völlig offen
sei, sodass durchaus der Fall eintreten könne, dass die Türkei nicht der EU beitritt. Einen "Vorratsbeschluss"
für den Fall zu fassen, dass dieser Beitritt doch erfolgen könnte, sei politisch wenig zweckmäßig.
Abgeordneter Dr. LOPATKA (V) meinte, eine verantwortungsvolle Politik nehme fraglos alle in dem Volksbegehren angesprochenen
Themen ernst, es gehe hier um die grundsätzliche Frage, wie man Politik versteht. Verstehe man Politik als
Setzen auf Populismus und als Schlagen politischen Kleingelds, oder gehe es bei Politik darum, Verantwortung zu
übernehmen. Die Volkspartei sei in dieser Frage – wie auch in allen anderen – sehr verlässlich, ihr Kurs
sei verantwortungsvoll zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger Österreichs. Die Opposition sollte ihre
Kräfte dorthin richten, wo sie massiv gefordert seien, riet der Redner den Sozialdemokraten. Österreich
sei und bleibe frei in einer Europäischen Union, in der Österreichs Mitarbeit gefordert sei. |
Abgeordneter Dr. EINEM (S) übte Kritik an der Instrumentalisierung wichtiger politischer Fragen für parteipolitische
Zwecke der FPÖ. Diese Fragen bedürften sorgfältiger Erwägung und dürften nicht in unverantwortlicher
Weise abgehandelt zu werden. Konkret befasste sich der Redner mit der Frage einer gesamteuropäischen Volksabstimmung
und gab zu bedenken, dass man sich gegebenenfalls auch Alternativen zu einer solchen Vorgangsweise überlegen
müsse, wobei Österreich hier ein sehr praktisches und verantwortungsvolles Instrumentarium entwickelt
habe. Österreich sollte daher bei den anderen Staaten dafür werben, gleichfalls entsprechende Verfahren
zu entwickeln.
Abgeordnete ROSENKRANZ (F) meinte hingegen, die Bilanz der österreichischen Ratspräsidentschaft bilde
eine hervorragende Begründung für die Notwendigkeit des F-Volksbegehrens. Denn was der Ratspräsident
in Europa sage, decke sich nicht mit dem, was der Bundeskanzler in Österreich sage. Und diesem Kurs müsse
man eine Absage erteilen. Man müsse die Ansicht der Bürger ernst nehmen, so sei es nämlich kein
"Betriebsunfall", wenn ein Vertrag vom Volk abgelehnt werde, sondern eine demokratische Entscheidung,
die durch die Regierungen akzeptiert werden müsse. Die vom Volksbegehren aufgeworfenen Themen seien sehr wohl
aktuell – die Gegenargumente der Regierung verfingen hier nicht -, es sei daher auch nötig, die Meinung des
Volkes entsprechend zu respektieren. Dieses Volksbegehren sei daher auch deshalb eingeleitet worden, um die Politik
dazu zu zwingen, Farbe zu bekennen. Und von diesem Kurs werde ihre Partei auch in Hinkunft nicht abgehen.
Abgeordnete Mag. STOISITS (G) legte noch einmal den Standpunkt ihrer Fraktion zum Volksbegehren der FPÖ dar
und erklärte, Volksbegehren dürften nicht dazu instrumentalisiert werden, um einen parteipolitischen
Kurs damit zu legitimieren. Die Rednerin setzte sich sodann mit den Inhalten des Volksbegehrens auseinander und
legte auch in dieser Hinsicht die grünen Standpunkte dar. Mit dem Volksbegehren seien Ressentiments geschürt
und falsche Behauptungen aufgestellt worden, hier sei unverantwortlich gehandelt worden, beklagte die Rednerin.
Hinsichtlich eines EU-Beitritts der Türkei erinnerte die Rednerin daran, dass dieser Beitritt ja nicht für
2007 ins Auge gefasst sei, vielmehr wurde ein langer Integrationsprozess initiiert, dessen Verlauf abzuwarten bleibe,
wobei sie persönlich optimistisch sei.
Abgeordneter DI REGLER (V) verkündete eine gute Nachricht: Österreich ist frei, und Österreich bleibt
frei. Und die Regierung setze sicher keinen Schritt, diesen Zustand zu unterhöhlen, sagte der Redner, der
dies auch mit den konkreten Fakten entsprechend begründete. In ähnlicher Weise setzte er sich auch mit
der Zukunft des Verfassungsvertrages und mit einem allfälligen Beitritt der Türkei auseinander, wobei
er daran erinnerte, dass in diesem speziellen Fall bereits entsprechend Vorsorge getroffen worden sei, müsse
doch vor einem solchen Beitritt das Volk befragt werden.
Abgeordneter SCHIEDER (S) wies darauf hin, dass in diesem Volksbegehren ein tendenziöser Ton angeschlagen
worden sei, denn Zweck einer Volksabstimmung könne es nicht sein, einen Beitritt zu vereiteln und die EU-Verfassung
zu verhindern, wie es in dem Volksbegehren wörtlich heiße. Demokratie werde hier für die eigenen
politischen Ziele instrumentalisiert, und eine solche Vorgangsweise sei unseriös, sie sei daher scharf abzulehnen.
Konkret bekannte sich der Redner zur Neutralität Österreichs und sagte, der Besuch des US-Präsidenten
sei ein guter Anlass, hier deutliche Worte zu sprechen.
Abgeordneter DI HOFMANN (F) widersprach der Kritik der Abgeordneten Stoisits, das Volksbegehren "Österreich
bleib frei" stehe in der schlechten Tradition der FPÖ-Volksbegehren. Für Hofmann hat sich das Volksbegehren
"Österreich zuerst", dessen Punkte mittlerweile großteils umgesetzt wurden, als erfolgreiche
Initiative einer verantwortungsvollen Oppositionspartei herausgestellt. Und darin liege der Unterschied zu dem
vorliegenden "Sammelvolksbegehren", wobei Hofmann aber einräumte, dass es drei wichtige Themen anspreche.
Hofmann plädierte dafür, dass die Türkei ihren Annäherungsprozess an Europa fortsetze, von
Seiten der EU sei es aber nicht korrekt, der Türkei Hoffnungen auf einen Beitritt zu machen. Unter anderem
wies Hofmann darauf hin, dass Österreich 2006 70 von 1.064 türkischen Asylwerbern anerkannt habe. Der
Redner betonte den offenen Ausgang der Beitrittsverhandlungen und sah Alternativen zu einem Vollbeitritt.
Bei der Entscheidung über die EU-Verfassung verlangte Hofmann nationale Volksabstimmungen und eine bessere
Information der Bevölkerung über den Verfassungsvertrag. Beim Thema Neutralität ortete der Redner
Widersprüche zwischen dem Parteiprogramm der FPÖ und dem Text des Volksbegehrens, wobei er Heinz-Christian
Strache vorwarf, eine Programmänderung ohne Wissen der Parteitagsdelegierten vorgenommen zu haben.
Abgeordneter KURZBAUER (V) warf den Initiatoren des Volksbegehrens vor, mit Schlagworten zu operieren und Emotionen
zu schüren. Das Ergebnis des Volksbegehrens, das unter den 63 Volksbegehren seit 1964 auf den 21. Platz gelandet
sei, bezeichnete Kurzbauer als "mager". Eine Garantie für die Neutralität hielt er für
überflüssig, weil das Neutralitätsrecht in Österreich in der Verfassung verankert sei und niemand
daran denke, an der Neutralität zu rütteln. Bundeskanzler Schüssel und Außenministerin Plassnik
seien zu loben, weil sie im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft den Grundstein dafür legten, dass es in
absehbarer Zeit zu einer EU-Verfassung kommen werde.
Abgeordneter Mag. POSCH (S) unterzog den Text des Volksbegehrens einer sprachlichen Analyse und kritisierte Formulierungen
wie "Schande der Volksvertreter" oder "feiges Schielen nach dem Ausland". Mit dieser Ausdrucksweise
wolle er nichts zu tun haben, sagte Posch und meinte, das Volksbegehren diene in erster Linie dem Zweck politischer
Mobilisierung. Das Argument, die Türkei könne der EU nicht beitreten, weil nur 5 % ihres Territoriums
in Europa liegen, wollte Posch ebenso wenig gelten lassen wie Warnungen vor einer Masseneinwanderung. In Österreich
leben 200.000 Türken, in den USA 2 Millionen, gab der Redner zu bedenken und machte darauf aufmerksam, dass
türkische Einwanderer wesentlich zum Wohlstand ihrer neuen Heimatländer beitragen. Richtig sei, dass
die Türkei in der Vergangenheit die Menschenrechte missachtet habe, zuletzt habe sich die Situation aber wesentlich
verbessert, die Todesstrafe sei abgeschafft worden und die Situation in den Gefängnissen habe sich verbessert.
Auch den USA würde niemand absprechen, zur westlichen Wertegemeinschaft zu gehören, obwohl die Bush-Regierung
fundamentale Werte des Rechtsstaates aufgegeben habe, schloss Posch.
Abgeordneter Dr. BÖSCH (F) stellte fest, dass Sprecher aller Fraktionen Handlungsbedarf bei den drei Punkten
des Volksbegehrens sehen. Dass es dennoch abgelehnt werde, liege daran, dass es von der FPÖ komme. Angesichts
unterschiedlicher Interpretationen zur Neutralität habe die Republik eine neue außen- und sicherheitspolitische
Konzeption zu entwickeln, in der die Neutralität einen zentralen Platz habe. Denn Österreich will solidarisch
in der EU, aber neutral in der Welt sein, hielt Bösch fest, der verhindern möchte, dass sich österreichische
Soldaten an Kriegen wie im Irak beteiligen müssen.
Der österreichischen EU-Präsidentschaft warf Bösch vor, die Aufnahmefähigkeit der EU bei den
Beitrittsverhandlungen mit der Türkei nicht zum Kriterium gemacht zu haben. Die angekündigte "Stopp-Taste"
bei den Verhandlungen habe sich als ein "Placebo für die kritische Öffentlichkeit" erwiesen,
denn es habe bereits mehrere Gründe für einen Verhandlungs-Stopp gegeben, etwa das Verhalten der Türkei
gegenüber dem EU-Mitglied Zypern.
Bei der Entscheidung über den EU-Vertrag erinnerte Bösch daran, dass jede grundsätzliche Verfassungsänderung
einer Volksabstimmung zu unterziehen sei, eine europäische Volksabstimmung reiche dafür nicht aus. Der
EU-Verfassungsvertrag müsse daher zum Gegenstand einer nationalen Volksabstimmung gemacht werden.
Abgeordneter Dr. CAP (S) kündigte eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Volksbegehren an, äußerte
aber die Auffassung, bei den einzelnen Punkten handle es sich um "No-Na-Fragen". Die Neutralität
sei verfassungsrechtlich abgesichert und beim Thema Verfassungsvertrag sei der Ausdruck "Europäische
Verfassung" viel zu hoch gegriffen. Beim Türkei-Beitritt stelle sich die Frage, welches Modell von Europa
wir wollen. Soll die EU ein europäisches, ein euro-asiatisches oder ein euro-mediterranes Modell sein? Caps
Meinung nach sollte sich das EU-Projekt auf den europäischen Kontinent im engeren Sinne beschränken und
die Funktionsfähigkeit der EU absichern. Dazu komme die Frage, ob die EU eine soziale Union oder ein neoliberales
Projekt sein solle. Cap äußerte den Verdacht, man wolle die EU erweitern, um den neoliberalen Weg fortsetzen
zu können.
Angesichts des Besuchs von US-Präsident Bush verlangte Cap klare Worte zum Gefangenenlager Guantanamo, das
von den USA bewusst in einem rechtsfreien Raum errichtet worden sei, und zum Irak-Krieg. "Bundeskanzler Schüssel
soll sich gegen den Irak-Krieg so aussprechen, so wie es die Mütter getan haben, die ihre Söhne in diesem
sinnlosen Krieg verloren haben", verlangte Abgeordneter Cap.
Abgeordneter DI SCHEUCH (F) zeigte sich verwundert über die Abwesenheit der FPÖ-Führung bei der
Debatte über das Volksbegehren und auch verwundert über den Inhalt des Volksbegehrens. Abgeordneter Bösch
habe Forderungen erhoben, die nicht mit den Forderungen seiner Partei übereinstimmen. Bösch bezeichnete
etwa die EU-Verfassung als eine gute Sache, über die abgestimmt werden solle - die FPÖ wolle die EU-Verfassung
aber verhindern. BZÖ, Regierung und Koalition habe demgegenüber eine klare Haltung. Die Parteipolemik
der FPÖ werde sich nicht bezahlt machen, weder finanziell noch politisch. Heinz-Christian Strache werde dieses
Haus auch in Zukunft nur als Gast besuchen können, schloss Abgeordneter Scheuch.
Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) vermisste eine klare Haltung des BZÖ zur österreichischen Neutralität
und erinnerte ihren Vorredner daran, dass er noch vor einem Jahr einer Partei angehört habe, die offiziell
den NATO-Beitritt propagiert habe. Angesichts des Besuchs von US-Präsident Bush forderte die Rednerin die
Bundesregierung auf, sich von jenem "Weg der Mitte" zu distanzieren, den Außenministerin Ferrero-Waldner
zu Beginn des Irak-Krieges eingeschlagen hatte. Angesichts von illegalen Lagern, der Verschleppung von Europäern
und Foltergefängnissen sei für Österreich ein "Weg der Mitte" nicht gangbar.
Bei der Abstimmung wurde der Bericht des Verfassungsausschusses über die Behandlung des Volksbegehrens im
Ausschuss einstimmig zur Kenntnis genommen. |