Was ist für mehr Wachstum und Beschäftigung in Europa zu tun?  

erstellt am
20. 06. 06

Gespräch mit VertreterInnen der Generaldirektionen der EU-Kommission
Wien (pk) - Die Strategie für Wachstum und Beschäftigung (Lissabon-Strategie) stand einmal mehr im Mittelpunkt eines Gedanken- und Erfahrungsaustausches zwischen Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Generaldirektionen der Europäischen Kommission, die mit dem Thema befasst sind, und Abgeordnetem Johann Moser (S) als Mitglied des EU-Unterausschusses sowie Philipp Hartig (EU-Referent des ÖVP-Parlamentsklubs). Hauptanliegen der Aussprache war, darüber zu diskutieren, inwieweit das im Oktober 2005 beschlossene nationale Reformprogramm umgesetzt wurde, inwieweit es Wirkung gezeigt hat bzw. inwieweit man mit dem Erreichten zufrieden ist.

Abgeordneter Moser hielt zwar eingangs fest, dass in vielen Bereichen Fortschritte erzielt werden konnten und Österreich relativ gut da stehe, dennoch hinterfragte er kritisch einige Maßnahmen und Strategien. Er bemängelte insbesondere die generelle Schwäche der Binnennachfrage, die er auf eine falsche Verteilungspolitik zurückführte. Eine gerechtere Lohnpolitik sei daher ein wichtiges Ziel, sagte er. Für notwendig erachtete er in diesem Zusammenhang auch gemeinsame europäische Infrastrukturprojekte, da diese über den ökonomischen Aspekt hinaus vor allem auch geeignet seien, europäisches Bewusstsein zu schaffen. Leider würden die zahlreichen geplanten europäischen Projekte nicht in Angriff genommen, weil die Geldmittel fehlten. Er befürwortete daher auch, der EU mehr Möglichkeiten zu eigenen Einnahmen zu geben.

Moser vermisste sowohl einen europäischen Konsens in der Wirtschaftspolitik als auch eine europäische Konjunkturpolitik. Er kritisierte, dass man zu sehr auf Quoten setze. Quoten allein bedeuteten gar nichts, meinte Moser, denn es komme vor allem darauf an, wie und wofür man die finanziellen Mittel einsetze. Genauso komme es darauf an, wofür man Schulden mache.

Die viel diskutierte "Flexicurity" bezeichnete er als ein Modewort. Dieses dänische Modell sei sicherlich interessant, könne aber nicht unverändert übernommen, sondern müsse an die Gegebenheiten in den einzelnen Staaten adaptiert werden. Bei der Beurteilung des Arbeitsmarktes müsse man nach Ansicht Mosers vor allem darauf achten, wie viel Vollzeitarbeitsplätze geschaffen werden. Der Abgeordnete erläuterte den Gästen in Bezug auf die Dienstleistungsrichtlinie auch eindringlich die Problematik Österreichs durch die lange Grenze zu anderen Mitgliedstaaten mit einem weit niedrigeren Lohnniveau.

Philipp Hartig betonte, Österreich sei in Bezug auf die Lissabon-Agenda gut unterwegs, die Beschäftigung nehme kontinuierlich zu, die Arbeitslosigkeit steige nicht mehr. Auch hinsichtlich der Jugendarbeitslosigkeit und der Frauenerwerbsquote stehe Österreich gut da. Als Grundlage für die positive Entwicklung nannte er unter anderem das Arbeitsmarktpaket, die Forschungsmilliarde, ein einheitliches Unternehmensgesetzbuch, das zweite Deregulierungsgesetz, ein Konjunkturpaket für die Klein- und Mittelbetriebe sowie ein Programm für lebenslanges Lernen. Noch nie zuvor sei so viel Geld in Infrastruktur und Bildung geflossen, sagte Hartig.

Österreich habe auch die Haushaltsdisziplin gut eingehalten und die Vorarbeiten zu einem flexibleren Haushaltsrecht seien weit gediehen, so Hartig weiter. Er appellierte auch, das Subsidiaritätsprinzip zu beachten, denn man habe oft den Eindruck, in der Kommission verfüge der Binnenmarkt über einen höheren Stellenwert als die Kompetenzen der Mitgliedstaaten und der lokalen Ebenen.

Seitens der Beamtinnen und Beamten der Generaldirektionen wurde die Öffnung des Arbeitsmarkts, insbesondere auch für Freie Berufe, und das lebenslange Lernen im Bereich der berufsbezogenen Erwachsenenbildung thematisiert. Als ein Problem und eine der größten Herausforderungen wurde die geringe Beschäftigung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich angesehen.
     
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