Heinz Fischer über EU-Präsidentschaft, Beitritt der Türkei, Nationalratswahl, ÖGB
und BAWAG – Beurteilung der Ortstafel-Einigung "vorsichtig positiv", für Nationalratswahl im Oktober
Wien (hofburg) - Bundespräsident Heinz Fischer beurteilt den ÖVP-BZÖ-Kompromiss über
141 zweisprachige Ortstafeln in Kärnten bis 2009 "vorsichtig positiv" als "Schritt in die richtige
Richtung". Außerdem plädierte er am 02.07. in der ORF-"Pressestunde" dafür, die
Nationalratswahl schon im Oktober und nicht erst im November anzusetzen. In Sachen ÖGB-BAWAG zeigte er sich
optimistisch, dass sich der ÖGB "wieder erfangen" wird. Nüchtern-positiv fiel sein Urteil über
Österreichs EU-Präsidentschaft aus. Fischer hätte sich zwar eine großzügigere Regelung
für die slowenische Volksgruppe in Kärnten gewünscht, die ÖVP-BZÖ-Einigung sei aber die
"beste Lösung, die in den letzten 50 Jahren auf dem Tisch lag". Sie bewege sich innerhalb der vom
Staatsvertrag gesteckten Grenzen und der Verfassungsgerichtshof (VfGH) werde nicht desavouiert. Fischer, selbst
Jurist, hält auch eine verfassungsrechtliche Absicherung für vertretbar, weil mit der Öffnungsklausel
später weitere Ortstafeln dazukommen könnten.
Dafür, dass ihm "persönlich ein Wahltermin im Oktober lieber ist als im November", hatte der
Bundespräsident mehrere Gründe: Der Wahlkampf wäre kürzer, "normale" parlamentarische
Arbeit im Herbst ohnehin nicht mehr möglich und das Budget-Provisorium müsste kürzer dauern. "Entschieden"
wandte er sich gegen ausländerfeindliche Töne im Wahlkampf: "Zuwanderer, Ausländer, Flüchtlinge
als Feindbild aufzubauen, die Emotionen, die man im Wahlkampf braucht, aus Vorurteilen gegenüber diesen Menschen
zu gewinnen, das ist sehr schlecht."
Die BAWAG-ÖGB-Affäre nannte Fischer eine "Katastrophe". Er zeigte sich aber optimistisch, dass
die "ins Schwanken gekommene" Gewerkschaft sich "wieder erfangen wird". Die Sozialpartnerschaft
müsse weiter ein wichtiger Faktor im politischen System bleiben - jedoch anders als in den 70er- und 80er-Jahren
beschränkt auf die Bereiche, wo sie "wirklich zuständig ist", nämlich Wirtschafts- und
Sozialpolitik.
Zu den Querelen zwischen SPÖ und ÖGB merkte Fischer an, dass es zwischen beiden in Vertretung der Arbeitnehmer-Interessen
viele Berührungspunkte gebe, "das wird auch in Zukunft aufrecht bleiben". Er "glaube nicht",
dass SPÖ und ÖGB in Konfrontation zueinander gehen "sollen, werden oder müssen". Nicht
einmal auf Distanz gehen sieht Fischer die beiden: Derzeit gehe es darum, "ob man eine Struktur findet, wo
sich die ÖGB-Spitzenfunktionäre voll und ganz auf die jetzt sicher 150 Prozent Energie erfordernden Aufgaben
konzentrieren können".
Fischers Bilanz der EU-Präsidentschaft: "Ich bin mit einem realistischen Optimismus in die Präsidentschaft
hineingegangen - und stehe heute mit einem realistischen Optimismus wieder da!" Die österreichische Vorsitzführung
sei gut vorbereitet gewesen. Einige Themen - wie die Erweiterung der Union - seien vorangetrieben worden, die Dienstleistungsrichtlinie
beschlossen, in manchen Fragen wie dem Verfassungsvertrag aber "keine sensationellen Ergebnisse" erzielt
worden.
Auf Fischers "Pressestunde" reagierte nur eine Partei - das BZÖ. Bündnissprecher Uwe Scheuch
merkte in einer Aussendung an, dass er in Fischers Aussagen zu den Ortstafeln einen "Fingerzeig in Richtung
SPÖ" sieht, einer Verfassungslösung zuzustimmen. |