ORF: Grüne bringen dringlichen Antrag ein   

erstellt am
30. 06. 06

Sondersitzung des Nationalrats zum Thema Unabhängigkeit des ORF
Wien (pk) - Die Grünen wollen die Unabhängigkeit und Objektivität des Österreichischen Rundfunks sichern. Ihr diesbezüglicher Entschließungsantrag stand im Mittelpunkt der 157. Sitzung des Nationalrats am 29.06, einer Sondersitzung, die von der Fraktion der Antragsteller verlangt worden war.

Nach Ansicht der Grünen sollen nicht die besten ÖVP-ParteigängerInnen in die Geschäftsführung gewählt werden, sondern die qualifiziertesten KandidatInnen. Daher sollten sich die KandidatInnen einem medienöffentlichen Hearing stellen, fordern die Grünen in ihrem Antrag (850/A [E]). Das entspreche Belegschaftsforderungen ebenso wie dem Interesse der Öffentlichkeit an den Zukunftskonzepten und Vorhaben potenzieller BewerberInnen; qualifizierte KandidatInnen hätten diese Transparenz auch nicht zu fürchten, heißt es in der Begründung des Antrages. Weiters treten die Grünen in diesem Entschließungsantrag dafür ein, die Wahlen für diese Funktionen künftig geheim und in gesonderten Wahlgängen durchzuführen.

Als erstem Redner in der Debatte zum Dringlichen Antrag erteilte Nationalratspräsident Andreas Khol dem Klubobmann der Grünen, Abgeordnetem Dr. VAN DER BELLEN, das Wort. Er betonte eingangs, dass es den Grünen in dieser Diskussion nicht um die Redakteurinnen und Redakteure des ORF gehe, sondern um dessen Führung. Van der Bellen ortete im ORF eine klimatische Krise, die er als "Identitätskrise" bezeichnete. Diese betreffe insbesondere den Informationsbereich, sagte er, wo nicht jenes Klima herrsche, das Pluralität, Objektivität und Unabhängigkeit von parteipolitischer Einflussnahme gewährleiste. Die Führung habe bewiesen, dass sie dieses notwendige offene Redaktionsklima, das einem Leitmedium wie dem ORF angemessen sei, entweder nicht herstellen wolle oder nicht herstellen könne. Diese Führung aber wolle die ÖVP bei der kommenden Wahl "durchwinken".

In den letzten viereinhalb Jahren sei in den Informationssendungen des ORF Öde, Langeweile und Belanglosigkeit eingezogen. Statt inhaltlich interessanter Debatten und das Setzen bestimmter Themen gebe es Hofberichterstattung. Der ORF sei uninteressant geworden und führe sich auf wie ein ÖVP-Privatsender, womit er aber seine Daseinsberechtigung als öffentlich rechtlicher Sender in Frage stelle. Wenn er mit Privatsendern verwechselbar werde, werde es mit dem ORF, wie man ihn kenne, bald zu Ende sein, meinte Van der Bellen. Das Vertrauen in die Objektivität sowie in eine ausreichende Vollständigkeit der Information gehe verloren, die Folge davon seien sinkende Marktanteile und sinkende Werbeeinnahmen. Sollte es mit dem ORF so weiter gehen, sei dieser in fünf Jahren "klinisch tot", befürchtete der Redner und unterstrich, der ORF gehöre der Republik Österreich und nicht der ÖVP.

Der ORF verfüge durchaus über ausreichend Potenzial, meinte Van der Bellen weiter, aber die Führung tauge nichts. Nicht zu Unrecht bezeichne man die Medien als vierte Gewalt im Staate, deren Aufgabe in der objektiven Berichterstattung und in der Kontrolle bestehe. Dies sei besonders im Hinblick auf den ORF von Bedeutung, da jeder Haushalt über einen Fernseher und einen Radioapparat verfüge und auf Objektivität und Vollständigkeit vertraue. An die ÖVP müsse er aber den Vorwurf richten, jeden Respekt vor diesem Pfeiler der Demokratie verloren zu haben. Als aktuelles Beispiel nannte Van der Bellen den öffentlichen Angriff von Landeshauptmann Pröll auf den Direktor des Hörfunks. Er, Van der Bellen, sei erstaunt darüber gewesen, dass die Generaldirektorin es verabsäumt hat, dagegen zu protestieren. Lediglich der Redaktionsrat habe sich dagegen zur Wehr gesetzt. Die Äußerungen des Landeshauptmanns seien auch deshalb von Interesse, weil das Radio im Gegensatz zum Fernsehen noch einen Lichtblick darstelle. Eine gute Generaldirektorin würde ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von derartigen Interventionen und Einflussnahmen abschotten. Der ÖVP gehe es aber längst nicht mehr darum, in alter Manier zu intervenieren, sondern darum, eine ORF-Führung zu installieren, die von sich aus ÖVP-Politik betreibe, meinte Van der Bellen. Offensichtlich solle der ORF als "13. Ministerium der Bundesregierung" geführt werden.

Van der Bellen räumte ein, dass es die Generaldirektorin nicht leicht habe, da die Unternehmenskultur im ORF stark zerrüttet sei. So habe der Zentralbetriebsrat seine Grenzen weit überschritten und in einer unverschämten Amtsanmaßung versucht, auf die Zusammensetzung des Stiftungsrats einzuwirken.

Abschließend hielt Van der Bellen im Hinblick auf die kommende Wahl der Generaldirektorin bzw. des Generaldirektors fest, die Grünen wollten einen Wettstreit der Bestqualifizierten. Sie forderten daher ein medienöffentliches Hearing und eine geheime Abstimmung im Stiftungsrat. An sich sichere das ORF-Gesetz die Unabhängigkeit als ein Recht und als eine Pflicht ab und schreibe die Unverwechselbarkeit des ORF mit kommerziellen Sendern fest. Die Realität sei aber eine andere, bemerkte Van der Bellen und forderte die ÖVP auf, ihr eigenes Gesetz ernst zu nehmen.

Staatssekretär MORAK konterte, man dürfe den ORF nicht zum Schauplatz parteipolitisch strategischer Ziele umfunktionieren, wenn man seinen öffentlich rechtlichen Auftrag ernst nehme. Jede parteipolitische Polemik schade dem Ansehen und dem Image des ORF, hielt er seinem Vorredner entgegen und bekräftigte persönlich sein klares Ja zur Diskussion, aber sein klares Nein zur Polemik.

Morak wies den im Dringlichen Antrag enthaltenen Vorwurf der Besitzergreifung des ORF durch die Regierungsparteien zurück und versuchte dies mit dem Wahlergebnis zur Arbeiterkammer zu untermauern. Danach gliedert sich die Parteipräferenz innerhalb des ORF in 63,3 % für die FSG und 18,2 % für den ÖAAB. Von einer Dominanz der ÖVP könne man daher nicht sprechen, betonte Morak. Auch die Behauptung, die Regierung sei in der Berichterstattung überrepräsentiert, sei falsch, denn laut ZIB-Watch würden Im vergangenen Mai Landeshauptmann Haider und Parteivorsitzender Gusenbauer unangefochten die Plätze 1 und 2 belegen. Unter den ersten zehn seien vier SPÖ-Funktionäre sowie Abgeordneter Van der Bellen zu finden. Der Politik werde auch kein gutes Zeugnis ausgestellt, so Morak weiter, wenn Abgeordnete unter dem Schutz ihrer Immunität führende Journalisten und Journalistinnen frontal und persönlich angreifen. Politiker uns Politikerinnen sollten eher dem verfassungsrechtlichen Schutz der Journalistinnen und Journalisten Rechnung tragen.

Morak bedauerte, dass sich die Opposition offensichtlich den essentiellen Herausforderungen für die Zukunft, wie die Frage der Digitalisierung, der Wettbewerbsfähigkeit und der Wahrung der österreichischen Identität in der Cyberwelt, nicht stellen wolle. Die Bundesregierung sei nach jahrzehntelangen Versäumnissen den Weg der Reformen gegangen, womit Österreich im Medienbereich an internationale Standards habe anschließen können. Die ÖVP wolle den ORF stärken, ihn in seiner Existenz absichern und ihn frei von wirtschaftlichem und politischem Druck halten. Man trete für ein identitätsstiftendes Programm auf zwei Kanälen ein, sagte Morak, der Verkauf eines Programms sei kein Thema mehr. Durch die Reform sei die Unabhängigkeit der Personen und Organe des ORF gestärkt worden, die Objektivität und Unabhängigkeit der Berichterstattung sei erstmals als Pflicht festgeschrieben worden.
   


Morak hielt die Forderung des Antrags nach einem öffentlichen Hearing und einer geheimen Abstimmung mit den gesetzlichen Bestimmungen und der notwendigen Transparenz für nicht vereinbar. Die Mitglieder des Stiftungsrats hätten wie der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft Sorgfaltspflichten wahrzunehmen und würden auch für ihr Verhalten haften. Sie trügen auch eine große moralische Verantwortung und sollten sich daher auch strenge Unvereinbarkeitsvorschriften auferlegen. Nach allen Rechtsmeinungen sei eine geheime Abstimmung unzulässig, da eine solche es unmöglich mache, Handlungen nachzuverfolgen. Dies sei aber im Falle auftretender Haftungsfragen notwendig. Er, Morak, halte es in einer Demokratie für selbstverständlich, dass bei der Wahl des Generaldirektors bzw. der Generaldirektorin Transparenz, Offenheit und Nachvollziehbarkeit gewährleistet sind. Das sei der Garant für die Unabhängigkeit des ORF, bekräftigte Morak. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an die zweite Wahl Gerd Bachers, als damals Karl Blecha die Vermutung von Bestechung in den Raum stellte und auf "Verräter-Suche" ging. Heute sei garantiert, dass ein Parteisekretär nicht mehr auf Verräter-Suche gehen könne. Morak sprach sich auch gegen ein öffentliches Hearing aus, da dieses im Stellenbesetzungsgesetz, das auch für den ORF gelte, nicht vorgesehen sei. Die Besetzung erfolge im Stiftungsrat und sonst nirgends.

Zusammenfassend hielt Morak fest, die Bundesregierung nehme den öffentlich rechtlichen Auftrag des ORF ernst. Die neue Formulierung des ORF-Gesetzes wolle die hohe Qualität und die Vielfalt gewährleisten. Die klare und transparente Trennung zwischen öffentlich rechtlichem Auftrag und kommerziellem Auftrag sichere dem ORF seine Stellung. Wenn uns der ORF wichtig sei, dann sollte man ihn aus der Parteipolitik herauslassen, so sein Appell.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) unterzog die Ausführungen des Staatssekretärs einer harschen Kritik. Er fand es "ungeheuerlich", den Bediensteten des ORF das Wahlverhalten bei der AK-Wahl vorzuhalten. Er wies auch den Vorwurf zurück, die Grünen würden führende Journalistinnen und Journalisten anschwärzen. Eine solche Vorgangsweise kenne er nur von Landeshauptmann Pröll, der sich offensichtlich mehr Einfalt im Hörfunk wünsche, wenn dieser "Wildwuchs bei Nachrichten und Analysen" im Hörfunk feststellt. Man könne diesen Angriff des Landeshauptmanns auf den Hörfunkdirektor nur so verstehen, dass man nun auch in die Hörfunkberichterstattung "reinschneiden" wolle, meinte Öllinger. Auch früher sei seitens politischer Parteien viel interveniert worden, sagte er, was schlimm genug gewesen sei. Heute sei es jedoch noch viel schlimmer, denn heute würde nicht mehr verlangt, unangenehme Teile eines Beitrags herauszuschneiden, heute würden brisante Beiträge gar nicht mehr kommen. Als Beispiele dafür nannte Öllinger die von der ÖVP initiierte Überprüfung der Sendereihe Journal Panorama, die Türkei-Berichterstattung rund um die steirische Landtagswahl und die Präsentation des Bundeskanzlers bei der Winter-Olympiade. Ganze Sendereihen würden gestrichen, wenn diese nicht ins Konzept der ÖVP passten. Die ÖVP brauche heute nicht einmal mehr direkt zu intervenieren, denn heute würde die "schwarze Betriebspolizei" diese Arbeit übernehmen, so das Resümee Öllingers.

Abgeordneter Mag. MOLTERER (V) sah in der heutigen Sondersitzung den Versuch, die Zukunftsdiskussion um den ORF durch eine "grün-rot parteimotivierte Inszenierung" zu ersetzen. Dabei gebe es laut Molterer eminent wichtige Fragen zu klären. Dazu zählten die Erfüllung des öffentlich rechtlichen Auftrags, die Absicherung der mittel- und langfristigen Gebührenfinanzierung, die Erfüllung des föderalen Auftrags, das Qualitätsmonitoring, die Weiterentwicklung des Angebots - Stichwort Spartenkanal - und das zukünftige Verhältnis zwischen Medien- und Telekommunikationsunternehmen. Was die Grünen aber heute machen, ist nach Meinung Molterers "entlarvend und ungeheuerlich". Habe man genau zugehört, so werfen die Grünen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ORF vor, das Gebot der Unabhängigkeit und Objektivität zu verletzen.

Mit der heutigen Debatte ziehen die Grünen nach Auffassung Molterers die Entscheidung über die ORF-Führung in die parteipolitische Diskussion des Parlaments und entmachten damit den Stiftungsrat. Er könne die Rede Van der Bellens nur so interpretieren, dass dieser eine Verpolitisierung des ORF anstrebe, da es ihm nur um den Informationsbereich und um die politische Einflussnahme gegangen sei, nicht aber um das Programm. Wenn die Grünen derart massive Einflussnahmen auf die ORF-Berichterstattung feststellen, so sei es verwunderlich, dass derzeit keine einzige Beschwerde beim Bundeskommunikationssenat vorliege. Die Grünen seien in ihrer Kritik auch deshalb unglaubwürdig, weil der Grüne Stiftungsrat mit dem ORF Geschäfte mache und betont habe, seine Aussagen mit Van der Bellen abgesprochen zu haben. Der SPÖ warf Molterer vor, ehemalige hohe SP-Funktionäre als ORF-Intendanten installiert zu haben, und es sei die SPÖ gewesen, die den ORF in die ÖIAG habe eingliedern wollen. Bürgermeister Häupl habe sogar beabsichtigt, aus dem ORF eine AG zu machen, um einen Kanal verkaufen zu können. "Stoppen sie die Menschenhatz", verlangte Molterer abschließend.

Abgeordneter Dr. CAP (S) meinte, man sollte weder mit dem Unternehmen noch mit den Journalisten, die beim ORF arbeiten und tagtäglich um ihre Freiheit kämpfen, so umgehen. Lassen Sie die Journalisten im ORF in Ruhe, riet Cap der ÖVP. Selbst Heinrich Neisser, der ehemalige ÖVP-Klubobmann, habe gesagt, noch nie in der Geschichte der Zweiten Republik sei der medienpolitische Machtanspruch so ungeniert artikuliert worden wie unter der Wende-Regierung. Der ORF, so Neisser weiter, werde als Besitz betrachtet, Politiker fühlen sich als Hausherren, eine neue Facette im System ist die Unverfrorenheit, mit der die politischen Parteien ihre Kandidaten aufstellen und bewerben. Fest steht für Cap auch, dass die ÖVP keine geheime Abstimmung im Stiftungsrat am 17. August will. Die ÖVP will ihren Weg fortsetzen, auch wenn der ORF daran zerbricht, mutmaßte er.

Abgeordneter DI SCHEUCH (F) erklärte, der ORF sei wichtig für die Demokratie, für die Kultur, für die Information; es müssten alle dazu beitragen, dass der ORF künftig gehört, gesehen und wahrgenommen wird. In einem hätten die Grünen seiner Meinung nach nicht Unrecht: Es gebe verstärkte öffentliche Diskussionen, es gebe ein politisches Gerangel und es gebe Kritik von außen in den ORF hinein und von innen über den ORF. Das sei problematisch, und darüber werde man reden müssen. Den Redner störte, dass sich in Wirklichkeit die Debatte auf die Frage reduziere, wer GeneraldirektorIn und wer InformationsdirektorIn werde und wie der Wahlmodus aussehen solle. Im ORF gebe es weitaus wichtigere offene Dinge, über die aber nicht gesprochen werden. Den heutigen dringlichen Antrag der Grünen nannte der F-Redner lächerlich und sprach von einer massiven Themaverfehlung.

Abgeordneter Mag. STOISITS (G) zitierte einleitend Andreas Kollers Beitrag in den "Salzburger Nachrichten": Jetzt noch das Radio. Es werde nicht gemäß dem gesetzlichen Auftrag des ORF-Gesetzes nach Objektivität gehandelt, und die journalistische Arbeit der MitarbeiterInnen des ORF werde eingeschränkt, den Journalisten werde quasi ein Maulkorb umgehängt. Die ÖVP solle die Hatz auf die MitarbeiterInnen des ORF unterlassen. Daher haben die Grünen die Sorge, dass bei der ab morgen laufenden Ausschreibung für die oberste Führungsgarnitur des ORF die Dinge keineswegs zum "Guten" verändert werden, wenn schon auf kleine Redakteure Druck ausgeübt wird. Viel könne nicht passieren, sitze doch Monika Lindner bei ÖVP-Veranstaltungen und zeige bereits bildlich, wie und mit wem sie es hält.
   

Abgeordnete Dr. BAUMGARTNER-GABITZER (V) hatte den persönlichen Eindruck, es handle sich heute um eine "unglaubliche Heuchelei". Es gehe der Opposition nicht um einen erfolgreichen ORF, sondern es gehe ihr nur darum, den ORF "fertig zu machen". Der ORF sei ein hervorragendes Unternehmen und werde hervorragend geführt. Dass nicht alles gefällt, sei möglich, aber auch der ÖVP gefalle nicht alles. Im Parlament könne man aber diese Fragen nicht lösen. Dass es dem ORF "so schlecht gehe", wie von der Opposition behauptet werde, stimme nicht, so die Rednerin, man brauche sich nur die Daten anzuschauen. Bei der letzten Media-Research 2005 habe der ORF noch 59,1 % bei der Reichweite gehabt, das sei in Zeiten wie diesen "unglaublich toll". Auch die wirtschaftlichen Zahlen seien "außerordentlich gut".

Abgeordneter Mag. DARABOS (S) betonte, es gehe in der Debatte nicht darum, wer komme wann wie oft im ORF vor – die ÖVP hatte einen Anteil von über 70 % in den "ZiB 1"-Sendungen im Jänner und Feber 2006; der SPÖ-Anteil belief sich auf 20 % -, sondern es gehe um die Existenz des ORF, denn im Informationsbereich gehe es bergab: Der "ZiB 1"-Marktanteil geht von 70 % auf 61 % in fünf Jahren zurück, der "ZiB 2"-Marktanteil reduziert sich von 34 % auf 27 %, der "ZiB 3"-Marktanteil fällt von 30 % auf 23 %, der "report"-Marktanteil sinkt von 28 % auf 22 % und "thema" verliert 5 % an Marktanteil. Der ORF sei mischformig organisiert und über die Zwangsgebühren und über den Werbeanteil finanziert; sehr viele Firmen drohten bereits damit, nicht mehr im ORF zu schalten bzw. nicht zu zahlen. Das sei laut Darabos Ausfluss der verfehlten Managementpolitik, die einen Namen trage: Mück.

Abgeordneter SCHEIBNER (F) unterstrich, dass ihm nicht gefalle, dass es in der österreichischen Medienlandschaft den Versuch einer Einflussnahme gibt. Auch könne man darüber diskutieren, ob die Strukturen in Ordnung sind, etwa den Publikumsrat betreffend. Dort, wo man es könne, versuche man, den politischen Einfluss zu unterstützen, dort, wo man es nicht kann, kritisiert man, dass es die anderen so machen, strich er heraus. Zu den Grünen gewendet fragte Scheibner, ob es wirklich die einzige Sorge der Grünen sei, dass es ein Hearing und eine geheime Abstimmung im Stiftungsrat gibt. Er persönlich sei gegen geheime Abstimmungen, sowohl im Stiftungsrat als auch im Parlament, denn man habe zu seiner Meinung zu stehen.

Abgeordneter Dr. PILZ (G): Unter Generaldirektorin Monika Lindner sei der ORF erstmals in seiner Geschichte auf dem Weg zu einem Minderheitenprogramm, weil eine Regierung in Kauf nehme, dass eine gescheiterte Geschäftsführung ihre Geschäfte weiterführt. Eine politische Partei und ihr politischer Arm in Form des Chefredakteurs Werner Mück setzten die Existenz des öffentlich-rechtlichen ORF wirtschaftlich und von seiner Glaubwürdigkeit her gesehen aufs Spiel, nur um bei den nächsten Nationalratswahlen ein willfähriges Instrument der Berichterstattung zu haben. Der ÖVP sei der ORF als Instrument der Machterhaltung wichtiger als die Verteidigung eines der wichtigsten, sensibelsten und wertvollsten öffentlichen Unternehmen dieser Republik.

Abgeordneter Dr. MAIER (V) warf Van der Bellen vor, heute etwas zum Besten gegeben zu haben, was ihm vorgeschrieben wurde. Nicht gesprochen habe der Klubobmann davon, dass die österreichische Technik von den Deutschen beklatscht und bejubelt wird. Die Qualität des ORF sei unbestritten. Nicht gesagt sei worden, dass den größten, brutalsten Interventionsfall in der Geschichte des ORF der momentane Pressesprecher von Gusenbauer begangen habe; damals habe es aber keine Sondersitzung durch die Grünen gegeben. Wichtig wäre es, die Themen anzusprechen, die für die Zukunft des ORF wichtig sind.

Abgeordnete HEINISCH-HOSEK (S) hielt es für notwendig, auch auf Führungsschwächen der Spitze hinweisen zu dürfen, wenn eine Wahl im ORF bevorsteht. Die Führungsschwäche von Monika Lindner sei "eklatant und nachweisbar". Die Grundbegriffe für einen modernen Führungsstil habe Lindner nicht übernommen, und Chefredakteur Mück schon gar nicht; immerhin gehe es um 3.000 Mitarbeiter, die einen modernen und keinen feudalen Führungsstil wollten und brauchten. Jemand, der die Menschen wie Lindner und Mück, der mit seinen Aussagen das Unternehmen nachhaltig geschädigt habe, führt, sieht die Menschen als "antriebsschwach, selbstsüchtig und als verantwortungslos", betonte sie. – Das soll ein guter Führungsstil sein?

Abgeordnete Dr. BLECKMANN (F) warf der SPÖ vor, von Führung keine Ahnung zu haben; das habe beim "Konsum" begonnen und sei über die ÖIAG bis zur Bawag weiter gegangen. Während Heinisch-Hosek keinen feudalen Führungsstil mehr wolle, wünsche sich Cap sehr wohl den alten Führungsstil zurück; in diesem Zusammenhang forderte die Rednerin von Cap eine Entschuldigung darüber ein, was er jahrezehntelang mit dem Rotfunk den HörerInnen angetan habe. Wie kann Einflussnahme größer sein, als wenn man wie die SPÖ direkt Parteisekretäre in wichtige ORF-Positionen schickt? Die SPÖ habe kein Recht, sich als Verteidiger des unpolitischen ORF aufzuspielen, merkte sie an.

Abgeordneter Dr. ZINGGL (G) verglich die Situation im ORF mit einem Schiedsrichter beim Fußball, dem alle Seiten mit Ausnahme einer einzigen Mannschaft vorwürfen, parteiisch zu agieren. Diese eine Mannschaft sei die ÖVP. Diese Ansicht belegte der Redner durch zahlreiche Zitate prominenter Vertreter der Zivilgesellschaft. Diese Persönlichkeiten wollten nicht länger eingelullt werden, ein anderer ORF sei dringend geboten. Die ÖVP möge aus diesen Tatsachen die erforderlichen Konsequenzen ziehen, denn es könne kein Zweifel daran bestehen, dass es einen wirklich unabhängigen ORF brauche.

Abgeordneter Dr. FASSLABEND (V) vermisste im Rahmen dieser Debatte eine Wortmeldung des Abgeordneten Broukal und fragte, warum dieser sich nicht zu Wort gemeldet habe. Die Antwort sei offensichtlich: es gehe nur um Ideologie, es gehe nicht um die Unabhängigkeit und die Qualität des Rundfunks, es gehe nur darum, im Vorfeld einer Wahl politischen Druck zu erzeugen und parteipolitische Ziele durchzusetzen. Solchen Konzeptionen erteile seine Fraktion eine Absage, die ÖVP trete für Unabhängigkeit und Qualität ein, eine Rückkehr zu alten Zuständen im ORF dürfe es nicht geben.

Abgeordneter Dr. WITTMANN (S) meinte, ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk sei ein wichtiges Instrument der Demokratie, das Problem sei jedoch, dass die hiezu erforderliche Unabhängigkeit dieses Rundfunks nicht mehr gegeben sei. Seit 2000 habe es eine Vielzahl von Interventionen seitens Vertreter der Regierung gegeben, die inhaltliche Vielfalt sei nicht mehr gegeben, hier brauche es dringend eine Kurskorrektur, denn derzeit sei der ORF eine Art Generalsekretariat der ÖVP.

Abgeordnete ROSENKRANZ (F) erklärte, die FPÖ werde diesem Antrag zustimmen, weil die Verhältnisse im ORF noch nie so schlimm wie heute waren. Die ÖVP habe jede Sensibilität und mittlerweile auch jedes Maß verloren, der ORF sei parteipolitisch vereinnahmt, der ORF tue nicht, was er tun sollte, vielmehr mache er selbst Politik, und das sei nicht zu goutieren. Insbesondere wies die Rednerin darauf hin, wie der ORF das Entstehen des BZÖ rapportiert habe. Doch die Bürger seien nicht so dumm, wie manche das vielleicht glaubten, sodass sie zuversichtlich sei, dass es wieder einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk geben werde, der diesen Namen auch verdiene.

Abgeordneter Dr. KRÄUTER (S) wiederholte die Kritik seiner Fraktion an den Zuständen in ORF und trat gleichfalls dafür ein, die Unabhängigkeit des ORF wiederherzustellen.

Der Antrag der Grünen wurde abgelehnt.
     
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