Debatte um Unabhängigkeit des ORF  

erstellt am
29. 06. 06

 Grüne wolle ORF nicht der ÖVP überlassen
Wien (grüne) - Bundessprecher Alexander Van der Bellen hat einen Tag vor der von den Grünen beantragten Sondersitzung des Nationalrats zum ORF erneut die Allmachtallüren der ÖVP sowie ORF-Generaldirektorin Monika Lindner und Chefredakteur Werner Mück kritisiert. "Die ÖVP will aus dem ORF einen Parteifunk machen und das können wir nicht hinnehmen", so Van der Bellen bei einer Pressekonferenz am 28.06.

Die Grünen wollen in der Sondersitzung einen Entschließungsantrag für eine Novelle des ORF-Gesetzes einbringen. Die Kandidaten für die Posten des Generaldirektors, der Direktoren und Landesdirektoren sollen sich künftig einem medienöffentlichen Hearing im Stiftungsrat stellen, die Wahlen für diese Funktionen sollen geheim und in gesonderten Wahlgängen abgehalten werden. Damit würde der parteipolitische Druck genommen und die Stiftungsräte müssten sich nicht vor VP-Klubobmann Wilhelm Molterer rechtfertigen, so der Grüne Bundessprecher.

Mit Unterstützung dürfen die Grünen von der SPÖ rechnen, wie deren Klubobmann Josef Cap heute sagte. Van der Bellen "kann sich aber vorstellen, dass auch andere mitgehen". Im Stiftungsrat würden auch Vertreter von ÖVP und BZÖ diese Forderungen unterstützen. "Allerdings war Molterer dagegen", so Van der Bellen. Und "wieso sollte die FPÖ dagegen sein?"

Ziel der Grünen ist es laut Van der Bellen, dass der ORF nicht "zum 13. Ressort dieser Regierung wird". Denn die "Zeiten der Propagandaministerien" seien vorbei. Die ÖVP wolle "ihre Wahlkampfleitung im ORF" hinsetzen und kurz vor der Wahl Personalentscheidungen "durchzuwinken", meinte Van der Bellen in Hinblick auf die bevorstehenden Wahl des ORF-Generaldirektors.

Einmal mehr schoss sich Van der Bellen auf Generaldirektorin Lindner und Chefredakteur Mück ein, die er als "nicht geeignet" bezeichnete. Kritik übte Van der Bellen auch am niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll, der in einem Interview Lindner empfahl, den Hörfunk-Direktor Kurt Rammerstorfer sowie "noch eine andere Reihe von Vorstandsdirektoren" auszuwechseln. Die ÖVP wolle offenbar auch das Radio, das sich "mehr Spielraum bewahrt hat", vereinnahmen, so Van der Bellen.

 

Cap: Mit "Mück-TV" ins Quotentief
Wien (sk) - Der geschäftsführenden SPÖ-Klubobmann Josef Cap erneuerte im Vorfeld der Sondersitzung des Nationalrats zum ORF am 29.06. seine Kritik am "Mück-TV". Der TV-Chefredakteur Mück sei die "zentrale Stelle" über die die ÖVP Einfluss auf die TV-Information nehme. Und Cap warnt davor, dass die ÖVP, nachdem sie sich die Fernseh-Information "zugerichtet" habe, gleiches jetzt für den Hörfunk plant. Der SPÖ geht es vor allem um eine Stärkung der Unabhängigkeit der Journalisten und eine pluralistische Information, erklärte Cap am 28.06. in einer Pressekonferenz. Und mit einem Ende der derzeitigen Hofberichterstattung im ORF würden auch die zuletzt dramatisch gesunkenen Quoten der ORF-Informationssendungen wieder steigen.

Cap erklärte, dass die zu Beginn von Schwarz-Blau beschlossene Änderung des ORF-Gesetzes von der SPÖ vehement abgelehnt wurde; vor allem die Konzentration des Informationsbereichs in einer Hand hielt und hält die SPÖ für negativ. Unter TV-Informationschefredakteur Werner Mück sei daraus eine "zentrale Stelle, die die Regierungswünsche umsetzt" geworden, kritisierte der geschäftsführende SPÖ-Klubobmann.

Die Informationssendungen im ORF, ZiB1, ZiB2, ZiB3, Report und Offen Gesagt, hätten ihre Eigenständigkeit verloren, alles geht über den Schreibtisch von Mück, "der den gesamten Informationsbereich des ORF dirigieren kann", so Cap. Diese Eingriffe in die Struktur der ORF-Information blieben freilich nicht ohne Folgen auf die Quoten und Marktanteile - alle Informationssendungen verlieren dramatisch an Boden.

Dazu Cap: "Ich bin kein Quotenfetischist", aber die Quote bilde auch die Akzeptanz seitens der Zuseher ab und Quoten seien nun mal auch die Basis für die Werbeeinnahmen. "In jedem Privatunternehmen wäre so ein Quoteneinbruch nicht zu akzeptieren", betonte Cap, der die Ursachen für diese "Seherverweigerung" ganz eindeutig am "Mück-TV" festmacht.

Den derzeitigen Zustand des ORF habe der ORF-Journalist Armin Wolf mit "Gleichgewicht des Schreckens, von dem nur mehr der Schrecken geblieben ist" beschrieben, erläuterte Cap, der betonte: "Die ÖVP übt massiven Druck auf den gesamten Informationsbereich des ORF aus, ihr Kooperationspartner ist dabei Werner Mück."

Diesen Vorwurf sieht Cap in den Angriffen des NÖ-Landeshauptmanns Pröll gegen die Information im ORF-Hörfunk bestätigt. Pröll wird in der "Kronen Zeitung" von Dienstag mit dem Satz zitiert: "Im Hörfunk hat sich ein Wildwuchs bei Nachrichten und Analysen ausgebreitet." Cap hält diese Aussage von Pröll für einen Skandal, denn gerade wenn journalistische Freiheit, Pluralismus und das Objektivitätsgebot erfüllt werden, spricht Pröll von einem "Wildwuchs".

Cap warnt davor, dass die ÖVP, nachdem sie sich den Informationsbereich des Fernsehens "zugerichtet" habe, jetzt als nächsten Schritt gleiches für den Hörfunk plant. "Jetzt kommt offensichtlich der Hörfunk dran", so Cap. "die ÖVP betrachtet den ORF als ihre Unterabteilung"; ungeklärt sei dabei nur, ob als Unterabteilung der Bundes-ÖVP oder der NÖ-ÖVP.

Nach den Vorstellungen der SPÖ geht es vor allem um eine pluralistische Information, wo insbesondere die journalistische Freiheit gestärkt wird. Cap räumte ein, dass auch die SPÖ in der Vergangenheit Fehler gemacht, aber daraus auch gelernt habe. Journalistische Freiheit und Unabhängigkeit gehöre zu den höchsten Gütern, und das müsse auch garantiert sein, betonte Cap. Und wenn die Zuseher den Eindruck gewinnen, dass es mit der Hofberichterstattung ein Ende hat, werden auch die Quoten wieder steigen, ist sich Cap sicher.

In dem Zusammenhang begrüßte Cap die Einsetzung der Untersuchungsgruppe durch den ORF-Stiftungsrat, die die Vorwürfe gegen den TV-Chefredakteur Mück prüfen wird. Auch die Sondersitzung der Grünen zum ORF, und dass dies vom ORF auch übertragen wird, wird von Cap ausdrücklich gutgeheißen. Wenn die Grünen morgen eine Novelle zum ORF-Gesetz beantragen, wonach die Generaldirektoren-Wahl im Stiftungsrat geheim abgehalten werden soll, würde das von der SPÖ unterstützt werden, erklärte Cap.

Obwohl er in dieser Frage zunächst skeptisch gewesen sei, trete er jetzt für eine geheime Wahl im ORF ein, betonte Cap. Der unmittelbare Anlass für seine Meinungsänderung war dabei ORF-Zentralbetriebsratsobmann Fiedler, "ein ÖVP-Mann", der die Tiroler Landesregierung aufgefordert hat, ihren Stiftungsrat auszutauschen, nachdem dieser sich eine vom ÖVP-Freundeskreis im Stiftungsrat abweichende Meinung erlaubt hatte.

 

Karner: SPÖ verantwortlich für brutalste ORF-Interventionen
St. Pölten (nöi) - "Die SPÖ ist verantwortlich für die brutalsten ORF-Interventionen. In keiner anderen Zeit wurde derart brutal und unverschämt in den ORF hineininterveniert wie in der Ära der sozialistischen Regierungen. In keiner anderen Phase gab es derart viele vorgeschobene Posten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie unter SPÖ-Bundeskanzlern", reagiert VP NÖ-Landesgeschäftsführer Mag. Gerhard Karner auf Aussagen der SPÖ am 28.06.

Als "absolut scheinheiliges Getue der SPÖ" bezeichnet Karner daher die heutigen Aussagen von SPÖ-Klubchef Cap.

 

 Scheuch: SPÖ und Grüne setzen auf Polarisierung
Wien (bzö) - "SPÖ und Grüne setzen in der Causa ORF weiterhin auf Polarisierung und schaden damit dem Unternehmen wirtschaftlich massiv", kritisierte BZÖ-Mediensprecher DI Uwe Scheuch in Hinblick auf die Nationalratssondersitzung am 29.06.

Der BZÖ-Mediensprecher kündigte an, dass das BZÖ dem Antrag der Grünen nicht zustimmen werde. "Die Stiftungsräte müssen zu ihren Entscheidungen auch stehen. Eine geheime Wahl ist deshalb der falsche Weg".

Scheuch betonte, dass die vom BZÖ entsandten Stiftungsräte nach den ORF internen Streitereien eine Beruhigung der Gemüter erreicht hätten. SPÖ und Grüne seien jedoch nicht bereit, diese Deeskalation mitzutragen.

"Wir wollen einen unabhängigen ORF und erteilen sowohl dem Rotfunk der neunziger Jahre als auch den jetzigen Schwarzfunk-Tendenzen eine Absage. Einen parteipolitischen ORF wird es mit uns in Zukunft sicher nicht geben", so der BZÖ-Mediensprecher abschließend. 

 

Mück: Beispiellose Diffamierungskampagne
Wien (orf) - "Das ist eine in der Geschichte des ORF beispiellose Diffamierungskampagne, die lediglich meiner Einschüchterung dienen soll und die Arbeit aller Kolleginnen und Kollegen in der TV-Information des ORF herabwürdigt", erklärt ORF-Chefredakteur Werner Mück zu den Angriffen des SPÖ-Klubobmanns Dr. Josef Cap in dessen Pressekonferenz. Es ist auffällig, dass der SPÖ-Klubobmann Cap zwar lauthals die Unabhängigkeit und Objektivität der TV-Information in Frage stelle, jedoch mangels Beweisen, den dafür zuständigen Kommunikationssenat bisher mit keinem einzigen Beispiel angerufen habe. Die Marktanteile der TV-Information liegen im Europa-Vergleich der öffentlich-rechtlichen Sender auf höchstem Niveau weit voran, die Reichweiten sind angesichts der wachsenden Konkurrenz außerordentlich stabil.

 

Sondersitzung des Nationalrats live in ORF 2
Wien (pk) - Die Sondersitzung des Nationalrats, die auf Verlangen der Grünen am 29.06. zum Thema "Gefährdung der Unabhängigkeit des ORF durch die ÖVP" abgehalten wird, wird im Programm ORF 2 live übertragen. In einer Sitzung der Präsidialkonferenz unter dem Vorsitz von Nationalratspräsident Andreas Khol wurden heute die Vereinbarungen hinsichtlich der Redezeiten festgelegt. Die Sitzung wird um 12 Uhr beginnen, dann unterbrochen und um 15 Uhr mit der Debatte über einen Dringlichen Antrag bzw. eine Dringliche Anfrage fortgesetzt.

Während der Sitzungsunterbrechung wird der Hauptausschuss zusammentreten. Auf der Tagesordnung dieser Sitzung stehen der Bericht des Finanzministers betreffend den Tätigkeitsbericht des Ausfuhrförderungsbeirats, der Bericht über Haftungen, Haftungsübernahmen und Rückflüsse gem. Ausfuhrförderungsgesetz im 1. Quartal 2006 und der Bericht des Verteidigungsministers über die Aktualisierung des Übungs- und Ausbildungsplans. Für die ursprünglich für Donnerstag, 29. Juni, anberaumte Sitzung des Rechnungshofausschusses wird ein neuer Termin vereinbart.

Windows Media Stream (APA OTS Austria Presse Agentur)
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