Einsprachige Ortstafeln in Bleiburg und Ebersdorf gesetzwidrig
Behörde trifft Verpflichtung zur Entfernung - St. Kanzian nicht mehr "gemischtsprachig"
Wien (vfgh) - Der Verfassungsgerichtshof hat die Verordnungsprüfungsverfahren auf Antrag der
Volksanwaltschaft zu den Ortstafeln St. Kanzian, Bleiburg und Ebersdorf abgeschlossen sowie die weiteren anhängigen
Verfahren zu zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten behandelt und ist dabei zu folgenden Entscheidungen gelangt:
1) Die Ortstafeln für Bleiburg und Ebersdorf sind aufgrund der Verpflichtungen, die sich aus dem Staatsvertrag
von Wien ergeben, in Slowenisch als auch in Deutsch zu verfassen.
Die entsprechenden Verordnungsbestimmungen, die lediglich einsprachige Ortsbezeichnungen festlegen, sind als gesetzwidrig
aufgehoben.
Der Verfassungsgerichtshof sieht keinerlei Anlass dafür, von seiner ständigen Rechtsprechung abzugehen,
nämlich, dass als Kriterium für ein gemischtsprachiges Gebiet ein Minderheitenprozentsatz von mehr als
zehn Prozent über einen längeren Zeitraum betrachtet gilt.
Der Verfassungsgerichtshof bleibt weiters bei seiner Auffassung, dass es dabei auf die Ergebnisse der Volkszählung
und nicht auf andere Parameter ankommt. Maßgeblich ist dabei die Situation in den Ortschaften und nicht etwa
in Gemeinden oder Verwaltungsbezirken.
Eine Frist zur Reparatur der gesetzwidrigen Verordnung hält der Verfassungsgerichtshof nicht für angebracht.
Die Aufhebung tritt mit Kundmachung in Kraft, die "unverzüglich" zu erfolgen hat.
Der Verfassungsgerichtshof hält zudem nunmehr ausdrücklich fest: Die Konsequenz der Aufhebung durch den
Verfassungsgerichtshof ist auch, dass für die verordnungserlassende Behörde die Rechtspflicht besteht,
jene - einsprachigen - Straßenverkehrszeichen zu entfernen, die zur Kundmachung und Inkrafttretung der -
nunmehr aufgehobenen - Verordnung angebracht worden sind.
2) St. Kanzian nicht mehr "gemischtsprachig"
Das Verfahren betreffend die Ortschaft St. Kanzian hat ergeben: Das abschließende Ergebnis der Volkszählung
2001, das dem Verfassungsgerichtshof nach Aufforderung von der Statistik Austria übermittelt wurde, zeigt
in St. Kanzian einen Anteil von 8,7 Prozent österreichischer Staatsbürger mit slowenischer Umgangssprache.
1991 betrug dieser Anteil 9,9 Prozent.
Das vorliegende Ergebnis der Volkszählung zeigt, dass der Minderheitenanteil in St. Kanzian seit nunmehr zwei
Volkszählungen unter zehn Prozent liegt - das ist der Wert, von dem der Verfassungsgerichtshof bei der Beurteilung
stets ausgegangen ist.
Es ist zudem eine fallende Tendenz zu erkennen. St. Kanzian ist daher nicht weiter als "gemischtsprachiges
Gebiet" zu qualifizieren, für das eine verfassungsrechtliche Verpflichtung besteht, Bezeichnungen und
Aufschriften topografischer Natur sowohl in Slowenisch als auch in Deutsch zu verfassen.
3) Auswirkungen auf weitere Verfahren
Basierend auf seiner Rechtsprechung, also auf den vom Verfassungsgerichtshof herangezogenen Kriterien für
ein "gemischtsprachiges Gebiet", sind für die weiteren anhängigen Verfahren zu Ortstafeln in
Kärnten Entscheidungen getroffen worden.
Folgende Ortschaften sind nach den Kriterien der Judikatur nicht als gemischtsprachig zu qualifizieren:
- Mittlern (Bezirk Völkermarkt)
- Diex (Bezirk Völkermarkt)
- Ferlach (Bezirk Klagenfurt-Land)
- Görtschach (Bezirk Klagenfurt-Land)
Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung dieser Beschwerden abgelehnt.
Der Verfassungsgerichtshof hat bei folgenden Ortschaften Bedenken, dass die lediglich in Deutsch verfasste Ortstafel
den Verpflichtungen aus dem Staatsvertrag von Wien widersprechen und die entsprechende Verordnung daher gesetzwidrig
sein dürfte:
- Loibach (Bezirk Völkermarkt)
- Buchbrunn (Bezirk Völkermarkt)
- Rückersdorf (Bezirk Völkermarkt)
- Edling (Bezirk Völkermarkt)
- Bad Eisenkappel (Bezirk Völkermarkt)
- Mökriach (Bezirk Völkermarkt)
- Grabelsdorf (Bezirk Völkermarkt)
- Hundsdorf (Bezirk Klagenfurt-Land)
- Mühlbach (Bezirk Villach-Land)
- Dellach (Bezirk Hermagor)
In diesen Fällen hat der Verfassungsgerichtshof, da bei der Behandlung der Beschwerden Bedenken gegen die
Gesetzmäßigkeit der Verordnung entstanden sind, ein Verordnungsprüfungsverfahren eingeleitet. Die
entsprechenden Prüfungsbeschlüsse werden schriftlich ergehen. Mit einer Entscheidung ist etwa in einem
halben Jahr zu rechnen.
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Torta: Landeshauptmann ist gefordert zu handeln
Das Vorliegen des Urteils des Verfassungsgerichtshofes gibt Anlass zur Hoffnung auf Einigung
aller Beteiligten.
Klagenfurt (övp-pd) - "Der Landeshauptmann ist nun gefordert, die Chance zu nutzen und
das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes als Anlass für eine Lösung zu nehmen", sagt VP-Landesgeschäftsführer
Siegfried Torta. Die Menschen in diesem Land seien es Leid, ständig nur Streitereien und Diskussionen über
die Ortstafeln zu hören. Durch das heute veröffentlichte Erkenntnis müsse es endlich möglich
sein, über die Parteigrenzen hinaus einem Konsens zuzustimmen.
"Der Landeshauptmann ist gefordert und ein breiter Konsens gefragt", erklärt Torta, der in dem Erkenntnis
die Möglichkeit sieht, endlich den Streit beizulegen und eine Erleichterung bei der Findung einer Einigung
orte. Die Lösungsvorschläge seien allen Parteien bekannt, jetzt fehle nur mehr der letzte Schliff, um
den Konsens umzusetzen.
"Die Chance war noch nie so groß wie jetzt", teilt Torta mit. Der Landeshauptmann sei aufgefordert,
einer Lösung nicht im Weg zu stehen, sondern den Weg des Konsens zu beschreiten. "Auch die SPÖ darf
einer Verfassungslösung nicht mehr im Wege stehen", fordert Torta abschließend. |
Cap begrüßt Präzisierung zur Ortstafelfrage durch VfGH-Erkenntnis
Wien (sk) - Der geschäftsführende SPÖ-Klubobmann Josef Cap begrüßte gegenüber
dem Pressedienst der SPÖ die vom VfGH getroffenen neuerlichen Entscheidungen in der Ortstafelfrage, insbesondere,
dass die Rechtswidrigkeit der von LH Haider vorgenommenen Ortstafelverrückungen festgestellt wurde. Positiv
seien auch die zusätzlichen Präzisierungen des VfGH, in welchen Ortschaften zweisprachige Ortstafeln
aufzustellen sind. Jede verfassungsrechtliche Bestimmung in der Ortstafelfrage müsse auch diesem heutigen
Erkenntnis des VfGH entsprechen. Nur wenn diese Bedingung von der Regierung erfüllt werde, sei die SPÖ
bereit, einer dementsprechenden Verfassungsbestimmung ihre Zustimmung zu erteilen, so Cap abschließend. |
LH Haider: Einsprachige Ortsbezeichnungen aufgehoben, nicht Verrückungen
Ortstafelverrückungen selbst waren gar nicht Gegenstand des Verfahrens
Klagenfurt (bzö) - Landeshauptmann Jörg Haider stellt zu dem VfGH-Spruch vom 26.06. in
der Ortstafelfrage fest, dass nicht die Ortstafelverrückungen selbst als rechtswidrig bezeichnet wurden, sondern
nur die Aufstellung von einsprachigen anstatt zweisprachigen Ortsbezeichnungen. Bekanntlich wurden neue Verordnungen
erlassen, die einsprachige Ortsbezeichnungen für Bleiburg und Ebersdorf vorgesehen haben. In weiterer Folge
wurden die Ortstafeln versetzt. Diese Verordnungen wurden nun vom VfGH aufgrund der einsprachigen Bezeichnungen
wieder aufgehoben.
"Die Ortstafelverrückungen selbst waren überhaupt nicht Gegenstand der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes",
so Haider. Dies zeige sich auch daran, dass auch die Verrückung der einsprachigen Ortstafel von St. Kanzian
nicht als rechtswidrig aufgehoben wurde. Für St. Kanzian hat der VfGH festgestellt, dass auf Basis der letzten
beiden Volkszählungen der Anteil slowenischsprachiger Bevölkerung bei unter zehn Prozent liegt.
"Daher empfehle ich unseren politischen Mitbewerbern, vor entsprechenden Jubelmeldungen und Aufforderungen
an die Staatsanwaltschaft erst einmal die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes genau zu studieren",
so Haider abschließend. |
Stoisits: Staatsanwaltschaft muss prüfen, ob Amtsmissbrauch LH Haiders vorliegt
Wien (grüne) - "Wenn der VfGH fest hält, dass die Verrückung der einsprachigen
Ortstafeln in Bleiburg und Ebersdorf rechtswidrig waren, dann muss die Staatsanwaltschaft umgehend prüfen,
ob Amtsmissbrauch seitens LH Haider vorliegt", fordert Terezija Stoisits, Justizsprecherin der Grünen.
Offenkundiger und gravierender können Rechtsbrüche eines Politikers wohl nicht sein. Eine entsprechende
Anzeige seitens der Grünen liegt seit Monaten vor.
"Die Grünen sprechen sich vehement dagegen aus, das ÖVP bzw. BZÖ/FPÖ, wie in parlamentarischen
Anträgen vorgesehen, mittels Verfassungsgesetz den VfGH mundtot machen will. Der dreiste Versuch, Artikel
7 des Staatsvertrages mittels Verfassungsgesetz auszuhebeln und damit der Überprüfbarkeit durch den VfGH
zu entziehen, ist abzulehnen", so Stoisits.
Bundeskanzler Schüssel muss umgehend die Topografieverordnung für Kärnten erlassen und damit das
Erkenntnis des VfGH unverzüglich umsetzen. "Alles andere wäre neuerlicher, fortgesetzter Verfassungsbruch",
so Stoisits. |