Zweisprachige Ortstafeln in Kärnten  

erstellt am
27. 06. 06

Einsprachige Ortstafeln in Bleiburg und Ebersdorf gesetzwidrig
Behörde trifft Verpflichtung zur Entfernung - St. Kanzian nicht mehr "gemischtsprachig"
Wien (vfgh) - Der Verfassungsgerichtshof hat die Verordnungsprüfungsverfahren auf Antrag der Volksanwaltschaft zu den Ortstafeln St. Kanzian, Bleiburg und Ebersdorf abgeschlossen sowie die weiteren anhängigen Verfahren zu zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten behandelt und ist dabei zu folgenden Entscheidungen gelangt:

1) Die Ortstafeln für Bleiburg und Ebersdorf sind aufgrund der Verpflichtungen, die sich aus dem Staatsvertrag von Wien ergeben, in Slowenisch als auch in Deutsch zu verfassen.

Die entsprechenden Verordnungsbestimmungen, die lediglich einsprachige Ortsbezeichnungen festlegen, sind als gesetzwidrig aufgehoben.

Der Verfassungsgerichtshof sieht keinerlei Anlass dafür, von seiner ständigen Rechtsprechung abzugehen, nämlich, dass als Kriterium für ein gemischtsprachiges Gebiet ein Minderheitenprozentsatz von mehr als zehn Prozent über einen längeren Zeitraum betrachtet gilt.

Der Verfassungsgerichtshof bleibt weiters bei seiner Auffassung, dass es dabei auf die Ergebnisse der Volkszählung und nicht auf andere Parameter ankommt. Maßgeblich ist dabei die Situation in den Ortschaften und nicht etwa in Gemeinden oder Verwaltungsbezirken.

Eine Frist zur Reparatur der gesetzwidrigen Verordnung hält der Verfassungsgerichtshof nicht für angebracht. Die Aufhebung tritt mit Kundmachung in Kraft, die "unverzüglich" zu erfolgen hat.

Der Verfassungsgerichtshof hält zudem nunmehr ausdrücklich fest: Die Konsequenz der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof ist auch, dass für die verordnungserlassende Behörde die Rechtspflicht besteht, jene - einsprachigen - Straßenverkehrszeichen zu entfernen, die zur Kundmachung und Inkrafttretung der - nunmehr aufgehobenen - Verordnung angebracht worden sind.

2) St. Kanzian nicht mehr "gemischtsprachig"
Das Verfahren betreffend die Ortschaft St. Kanzian hat ergeben: Das abschließende Ergebnis der Volkszählung 2001, das dem Verfassungsgerichtshof nach Aufforderung von der Statistik Austria übermittelt wurde, zeigt in St. Kanzian einen Anteil von 8,7 Prozent österreichischer Staatsbürger mit slowenischer Umgangssprache. 1991 betrug dieser Anteil 9,9 Prozent.

Das vorliegende Ergebnis der Volkszählung zeigt, dass der Minderheitenanteil in St. Kanzian seit nunmehr zwei Volkszählungen unter zehn Prozent liegt - das ist der Wert, von dem der Verfassungsgerichtshof bei der Beurteilung stets ausgegangen ist.

Es ist zudem eine fallende Tendenz zu erkennen. St. Kanzian ist daher nicht weiter als "gemischtsprachiges Gebiet" zu qualifizieren, für das eine verfassungsrechtliche Verpflichtung besteht, Bezeichnungen und Aufschriften topografischer Natur sowohl in Slowenisch als auch in Deutsch zu verfassen.

3) Auswirkungen auf weitere Verfahren
Basierend auf seiner Rechtsprechung, also auf den vom Verfassungsgerichtshof herangezogenen Kriterien für ein "gemischtsprachiges Gebiet", sind für die weiteren anhängigen Verfahren zu Ortstafeln in Kärnten Entscheidungen getroffen worden.

Folgende Ortschaften sind nach den Kriterien der Judikatur nicht als gemischtsprachig zu qualifizieren:

  • Mittlern (Bezirk Völkermarkt)
  • Diex (Bezirk Völkermarkt)
  • Ferlach (Bezirk Klagenfurt-Land)
  • Görtschach (Bezirk Klagenfurt-Land)


Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung dieser Beschwerden abgelehnt.

Der Verfassungsgerichtshof hat bei folgenden Ortschaften Bedenken, dass die lediglich in Deutsch verfasste Ortstafel den Verpflichtungen aus dem Staatsvertrag von Wien widersprechen und die entsprechende Verordnung daher gesetzwidrig sein dürfte:

  • Loibach (Bezirk Völkermarkt)
  • Buchbrunn (Bezirk Völkermarkt)
  • Rückersdorf (Bezirk Völkermarkt)
  • Edling (Bezirk Völkermarkt)
  • Bad Eisenkappel (Bezirk Völkermarkt)
  • Mökriach (Bezirk Völkermarkt)
  • Grabelsdorf (Bezirk Völkermarkt)
  • Hundsdorf (Bezirk Klagenfurt-Land)
  • Mühlbach (Bezirk Villach-Land)
  • Dellach (Bezirk Hermagor)


In diesen Fällen hat der Verfassungsgerichtshof, da bei der Behandlung der Beschwerden Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung entstanden sind, ein Verordnungsprüfungsverfahren eingeleitet. Die entsprechenden Prüfungsbeschlüsse werden schriftlich ergehen. Mit einer Entscheidung ist etwa in einem halben Jahr zu rechnen.


 

Torta: Landeshauptmann ist gefordert zu handeln
Das Vorliegen des Urteils des Verfassungsgerichtshofes gibt Anlass zur Hoffnung auf Einigung aller Beteiligten.
Klagenfurt (övp-pd) - "Der Landeshauptmann ist nun gefordert, die Chance zu nutzen und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes als Anlass für eine Lösung zu nehmen", sagt VP-Landesgeschäftsführer Siegfried Torta. Die Menschen in diesem Land seien es Leid, ständig nur Streitereien und Diskussionen über die Ortstafeln zu hören. Durch das heute veröffentlichte Erkenntnis müsse es endlich möglich sein, über die Parteigrenzen hinaus einem Konsens zuzustimmen.

"Der Landeshauptmann ist gefordert und ein breiter Konsens gefragt", erklärt Torta, der in dem Erkenntnis die Möglichkeit sieht, endlich den Streit beizulegen und eine Erleichterung bei der Findung einer Einigung orte. Die Lösungsvorschläge seien allen Parteien bekannt, jetzt fehle nur mehr der letzte Schliff, um den Konsens umzusetzen.

"Die Chance war noch nie so groß wie jetzt", teilt Torta mit. Der Landeshauptmann sei aufgefordert, einer Lösung nicht im Weg zu stehen, sondern den Weg des Konsens zu beschreiten. "Auch die SPÖ darf einer Verfassungslösung nicht mehr im Wege stehen", fordert Torta abschließend.

 

Cap begrüßt Präzisierung zur Ortstafelfrage durch VfGH-Erkenntnis
Wien (sk) - Der geschäftsführende SPÖ-Klubobmann Josef Cap begrüßte gegenüber dem Pressedienst der SPÖ die vom VfGH getroffenen neuerlichen Entscheidungen in der Ortstafelfrage, insbesondere, dass die Rechtswidrigkeit der von LH Haider vorgenommenen Ortstafelverrückungen festgestellt wurde. Positiv seien auch die zusätzlichen Präzisierungen des VfGH, in welchen Ortschaften zweisprachige Ortstafeln aufzustellen sind. Jede verfassungsrechtliche Bestimmung in der Ortstafelfrage müsse auch diesem heutigen Erkenntnis des VfGH entsprechen. Nur wenn diese Bedingung von der Regierung erfüllt werde, sei die SPÖ bereit, einer dementsprechenden Verfassungsbestimmung ihre Zustimmung zu erteilen, so Cap abschließend.

 

 LH Haider: Einsprachige Ortsbezeichnungen aufgehoben, nicht Verrückungen
Ortstafelverrückungen selbst waren gar nicht Gegenstand des Verfahrens
Klagenfurt (bzö) - Landeshauptmann Jörg Haider stellt zu dem VfGH-Spruch vom 26.06. in der Ortstafelfrage fest, dass nicht die Ortstafelverrückungen selbst als rechtswidrig bezeichnet wurden, sondern nur die Aufstellung von einsprachigen anstatt zweisprachigen Ortsbezeichnungen. Bekanntlich wurden neue Verordnungen erlassen, die einsprachige Ortsbezeichnungen für Bleiburg und Ebersdorf vorgesehen haben. In weiterer Folge wurden die Ortstafeln versetzt. Diese Verordnungen wurden nun vom VfGH aufgrund der einsprachigen Bezeichnungen wieder aufgehoben.

"Die Ortstafelverrückungen selbst waren überhaupt nicht Gegenstand der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes", so Haider. Dies zeige sich auch daran, dass auch die Verrückung der einsprachigen Ortstafel von St. Kanzian nicht als rechtswidrig aufgehoben wurde. Für St. Kanzian hat der VfGH festgestellt, dass auf Basis der letzten beiden Volkszählungen der Anteil slowenischsprachiger Bevölkerung bei unter zehn Prozent liegt.

"Daher empfehle ich unseren politischen Mitbewerbern, vor entsprechenden Jubelmeldungen und Aufforderungen an die Staatsanwaltschaft erst einmal die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes genau zu studieren", so Haider abschließend.

 

 Stoisits: Staatsanwaltschaft muss prüfen, ob Amtsmissbrauch LH Haiders vorliegt
Wien (grüne) - "Wenn der VfGH fest hält, dass die Verrückung der einsprachigen Ortstafeln in Bleiburg und Ebersdorf rechtswidrig waren, dann muss die Staatsanwaltschaft umgehend prüfen, ob Amtsmissbrauch seitens LH Haider vorliegt", fordert Terezija Stoisits, Justizsprecherin der Grünen. Offenkundiger und gravierender können Rechtsbrüche eines Politikers wohl nicht sein. Eine entsprechende Anzeige seitens der Grünen liegt seit Monaten vor.

"Die Grünen sprechen sich vehement dagegen aus, das ÖVP bzw. BZÖ/FPÖ, wie in parlamentarischen Anträgen vorgesehen, mittels Verfassungsgesetz den VfGH mundtot machen will. Der dreiste Versuch, Artikel 7 des Staatsvertrages mittels Verfassungsgesetz auszuhebeln und damit der Überprüfbarkeit durch den VfGH zu entziehen, ist abzulehnen", so Stoisits.

Bundeskanzler Schüssel muss umgehend die Topografieverordnung für Kärnten erlassen und damit das Erkenntnis des VfGH unverzüglich umsetzen. "Alles andere wäre neuerlicher, fortgesetzter Verfassungsbruch", so Stoisits.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
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