Justizausschuss billigt Übereinkommen des Europarats
Wien (pk) - Das Thema Menschenhandel und mögliche Maßnahmen dagegen stand am 07.07. im
Mittelpunkt einer längeren Debatte im Justizausschuss. Grundlage dafür bildeten ein entsprechendes Übereinkommen
des Europarats, ein Antrag der Sozialdemokraten und ein Antrag der Grünen, um den die Tagesordnung zu Beginn
der Sitzung einvernehmlich ergänzt worden war. Das Übereinkommen passierte den Ausschuss einstimmig,
die beiden Anträge blieben in der Minderheit und sind damit abgelehnt.
Das Übereinkommen des Europarats verfolgt die Ziele, den Menschenhandel zu verhüten und zu bekämpfen,
die Menschenrechte der Opfer des Menschenhandels zu schützen und die internationale Zusammenarbeit bei der
Bekämpfung dieser Verbrechen zu fördern. Die Vertragsparteien verpflichten sich, Maßnahmen zur
Verhütung von Menschenhandel zu setzen und der Nachfrage entgegenzuwirken.
In ihrem von Abgeordneter Bettina Stadlbauer eingebrachten Antrag legen die Sozialdemokraten einen Forderungskatalog
gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung vor, wobei der Fokus auf Hilfe für jene Frauen gerichtet ist,
die bereits zu Opfern geworden sind. Gefordert wird eine nationaler Aktionsplan sowie Vorsorge für nationale
Koordinierung und Berichterstattung sowie eine Reihe von spezifischen Hilfen wie Aufenthaltsberechtigung für
Frauen, die zur Kooperation mit den Behörden bereit sind und Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr.
Auch die Grünen treten mit ihrem von Abgeordneter Brigid Weinzinger eingebrachten Antrag für ein umfassendes
Maßnahmenpaket ein, durch das die Rechte der Opfer von Frauenhandel gestärkt werden sollen. Das Paket
umfasst u.a. die Sicherstellung transparenten Vorgehens im Grenzbereich, umfassende Behördeninformation, die
Verbesserung der Zusammenarbeit mit NGO, Prozessbegleitung, die Wahrung der Anonymität der Opfer, Versicherungsschutz
und spezielle "Resettlement-Programme" für Opfer, die in ihr Herkunftsland zurückkehren wollen.
Zu Beginn der Debatte brachte Abgeordneter Michael Ikrath (V) einen Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen
ein. Darin werden die mit der einschlägigen Thematik befassten Ressorts aufgefordert, einen nationalen Aktionsplan
gegen den Menschenhandel vorzubereiten und dem Nationalrat bis Ende 2006 einen ersten Bericht über in Aussicht
genommene Maßnahmen zuzuleiten.
Abgeordneter Johannes Jarolim erklärte, seine Fraktion werde diesem Entschließungsantrag nicht zustimmen,
weil er der Brisanz des Themas nicht gerecht werde. Eine besondere Situation erfordere besondere Maßnahmen,
hier dürfe nichts auf die lange Bank geschoben werden. So forderte Jarolim die Einbeziehung der Freier in
die Maßnahmen gegen Menschenhandel. Seine Fraktionskollegin Gisela Wurm wies darauf hin, dass Österreich
nach Moldawien das 2. Land sein werde, das das Übereinkommen ratifiziert. Abgeordnete Bettina Stadlbauer (S)
erkundigte sich nach der Tätigkeit der einschlägigen Task Force und nach Vorstellungen zum genannten
nationalen Aktionsplan. Sie trat für Änderungen im Strafrecht ein und erkundigte sich nach Maßnahmen
zum Schutz der Opfer. "Schützen wir die Freier mehr als die Opfer?" formulierte sie drastisch. Abgeordneter
Johann Maier (S) thematisierte das Problem der "Table Dancers", weil sich dahinter zumeist Prositution
verberge, wobei er auf die Zuständigkeit der Bundesländer für die entsprechende Genehmigung hinwies
und sich kritisch dazu äußerte, dass diese Tänzerinnen als Künstlerinnen eingestuft und daher
laut Erlass des Wirtschaftsministeriums der Prüfung durch das AMS entzogen seien.
Abgeordnete Terezija Stoisits (G) sprach das Thema Erfüllungsvorbehalt bei dem Übereinkommen an, der
besage, dass das Übereinkommen im innerstaatlichen Bereich nicht direkt anwendbar, sondern durch nationale
Gesetze umzusetzen sei. Die Ratifizierung allein helfe damit den Opfern nicht, betonte sie. Speziell die Unterstützung
der Opfer bemängelte sie als unzureichend und führte als Beleg dafür eine Anfragebeantwortung der
Innenministerin an. Ihre Fraktionskollegin Brigid Weinzinger ortete zwei Grundprobleme: Zum einen seien die Zielländer
des Menschenhandels gefordert, nicht nur die Ausgangsländer, zum anderen würden vielfach die Opfer mehr
bestraft als die Täter. Sie ortete eine "durchgehende Diskriminierung" der Opfer sowohl im Aufenthalts-
als auch im Entschädigungsrecht. Den Entschließungsantrag der Koalition wertete Weinzinger als "Alibiaktion".
Für die Regierungsfraktionen verteidigte Abgeordnete Gertrude Brinek (V) den Entschließungsantrag der
Koalition und warb um Unterstützung dafür. Abgeordnete Helene Partik-Pable wies den Vorwurf, es handle
sich um einen "Alibiantrag" zurück und betonte, einige der geforderten Maßnahmen seien bereits
geltendes Recht, etwa legaler Aufenthalt für Opfer und damit auch unterstützende Maßnahmen. Man
sei aber offen gegenüber neuen Ideen, betonte Partik-Pable. Auch Ausschuss-Vorsitzende Maria-Theresia Fekter
argumentierte in diese Richtung.
Justizministerin Karin Gastinger zeigte sich stolz, dass Österreich das Abkommen als zweites Land unterzeichne,
weil damit früh dokumentiert werde, dass man gegen den Menschenhandel tätig werden wolle. Eine direkte
Übernahme sei auch deshalb nicht möglich, weil vieles gesetzlich bereits umgesetzt sei, etwa im Strafgesetzbuch.
Die angesprochene Task Force sei nötig, weil es sich um eine Querschnittsmaterie handle. Ihre Arbeit habe
etwa dazu geführt, dass im Zusammenhang mit Visaerteilungen Maßnahmen gesetzt wurden: Frauen in Ausgangsländern
für Menschenhandel müssten persönlich vorsprechen und würden auch entsprechend beraten, sagte
die Ministerin. Gesetzliche Maßnahmen gegen Freier seien sehr schwierig, zumal nicht daran gedacht sei, Prostitution
generell unter Strafe zu stellen. Man müsse sich in diesem Punkt aber "etwas einfallen lassen",
konzedierte die Ministerin. In Richtung der Abgeordneten Stadlbauer wies Gastinger darauf hin, dass viele der im
SP-Antrag – aber auch im G-Antrag - geforderten Maßnahmen bereits umgesetzt seien. Bezüglich der "Table
Dancers" brauche es u.a. eine Vernetzung der Länder; der von Abgeordnetem Maier angeführte Erlass
des Wirtschaftsministeriums sei als Regelung zur Prävention gegen den Menschenhandel gedacht.
Bei der Abstimmung fanden sowohl das Übereinkommen als auch der gesondert abgestimmte Erfüllungsvorbehalt
die einhellige Zustimmung des Ausschusses. Der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen wurde mit V-F-Mehrheit
angenommen, der Antrag der SPÖ und der Antrag der Grünen blieben in der Minderheit und wurden abgelehnt.
Einstimmig für Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz
Zuvor war ein Antrag der Koalitionsfraktionen nach kurzer Debatte einstimmig angenommen worden, der ein System
der gegenseitigen Amtshilfe zwischen Verbraucherschutzbehörden der EU-Mitgliedstaaten vorsieht. Durch dieses
Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz wird eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rats
aus dem Jahr 2004 umgesetzt. Dafür wird eine zentrale Verbindungsstelle im für den Konsumentenschutz
zuständigen Sozialministerium eingerichtet. In einem von allen vier Fraktionen eingebrachten Abänderungsantrag
wurden redaktionelle Änderungen vorgenommen.
Keine Mehrheit für Ausweitung der bedingten Entlassung
Nicht durchsetzen konnten sich die Grünen mit einem Antrag, der auf eine Ausweitung der bedingten Entlassung
abzielte. Abgeordnete Terezija Stoisits erinnerte an den drastischen Anstieg der Häftlingszahlen in Österreich
– rund 10 000 Menschen verbüßen eine Freiheitsstrafe – und leitete daraus die Forderung ab, dass nach
einer Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe die bedingte Entlassung die Regel sein sollte. Ausnahmen
davon dürfte es nur bei einer erhöhten Rückfallgefahr zu schweren Gewalttaten oder gemeingefährlichen
Delikten - nicht aber aus Gründen der Generalprävention - geben.
In einem weiteren Antrag verlangte Stoisits Änderungen bei der Zuständigkeit zur bedingten Entlassung,
wobei sie dafür eintrat, dass die Entscheidung über eine bedingte Entlassung nicht wie bisher dem Vollzugsgericht,
sondern einer Strafvollzugskommission aus einem Staatsanwalt, einem leitenden Vollzugsbediensteten und einem Bewährungshelfer
zukommen sollte.
Abgeordneter Otto Pendl (S) griff ebenfalls das Thema der gestiegenen Häftlingszahlen auf und richtete einen
eindringlichen Appell an die Justizministerin, das Personal in den Vollzugsanstalten aufzustocken. Es gehe nicht
an, neue Gefängnisse zu errichten, ohne dann für das entsprechende Personal zu sorgen. Die Übernahme
von frei werdenden Mitarbeitern aus ÖBB und Post war für Pendl jedenfalls keine Lösung, auch wies
der SP-Sprecher auf die schwierige Situation hin, die sich daraus ergibt, dass Haftanstalten, wie er es ausdrückte,
immer mehr zu Kliniken werden.
Justizministerin Karin Gastinger teilte mit, dass die Zahl der bedingten Entlassungen in den letzten Jahren gesunken
ist und heute 20,2 % aller Entlassungen bedingt ausgesprochen werden. Sie gab weiters zu bedenken, dass Häftlinge
nicht zu Unrecht im Gefängnis sitzen. Wer eine Freiheitsstrafe verbüßt, habe entweder ein Kapitalverbrechen
begangen oder ein massives Vorstrafenregister aufzuweisen, betonte Gastinger. Hinsichtlich der Vorschläge
der Grünen zeigte sich die Ministerin diskussionsbereit und meinte, dies werde eines der Justizthemen der
nächsten Legislaturperiode sein. Vorstellbar war für Gastinger jedenfalls eine Verankerung der derzeit
als Modellversuch erprobten Alternativen zur Freiheitsstrafe wie die elektronische Fußfessel und gemeinnützige
Arbeiten.
Bei der Abstimmung wurden beide Anträge abgelehnt.
Weitere Anträge der Grünen vertagt
Einstimmig vertagt wurde hingegen ein Antrag der Grünen, in dem Abgeordnete Terezija Stoisits Amnestie, Rehabilitierung
und Entschädigung für die Opfer der anti-homosexuellen Sonderstrafgesetze fordert. Die Initiative sieht
u.a. vor, dass Verurteilungen nach diesen Gesetzen getilgt werden und der Bund für den Schaden für die
verurteilten Personen haftet.
Abgeordnete Gertrude Brinek (V) sprach sich dafür aus, die Materie noch weiter zu diskutieren, erinnerte aber
daran, dass einige Punkte bereits im Anerkennungsgesetz geregelt wurden.
Justizministerin Karin Gastinger plädierte für einen Weg der Einzelbegnadigungen und gab bekannt, dass
bis dato bereit fast 1000 Fälle aus dem Strafregister gestrichen wurden.
Vertagt wurde schließlich auch eine Initiative des Abgeordneten Johann Maier (S) auf Änderung des Gebührengesetzes,
die auf gebührenrechtliche Gleichstellung von befristeten Mietverträgen mit unbefristeten Mietverträgen
sowie Gebührenfreiheit für Bestandsverträge bis zu einer Dauer von sechs Monaten abzielt.
Nachdem Ausschussobfrau Maria Theresia Fekter (V) "eine gewisse Sympathie" ihrer Fraktion für das
Anliegen bekundet aber gleichzeitig auf die Zuständigkeit des Finanzministeriums in dieser Sache hingewiesen
hatte, schlug Maier eine gemeinsame Initiative bis zur nächsten Nationalratssitzung vor. |