Wien (wifo) - "Centrope" wurde als "Europaregion Mitte" im Jahr 2003 von Vertretern
von Regionen und Städten in Wien, Niederösterreich, Burgenland, West-Transdanubien, Bratislava, der West-Slowakei
und Süd-Mähren ins Leben gerufen. Die Region verfügt über keine einheitliche, homogene Struktur
und auch nicht über die Eigenschaften eines funktional eng verflochtenen Wirtschaftsraums. Im Hinblick auf
die vielfältigen Herausforderungen grenzüberschreitender Standortpolitik bildet sie aber einen optimalen
Kooperationsraum: groß genug, um die relevanten Akteure zu erfassen, aber auch hinreichend überschaubar,
um Kooperationserfolge zu ermöglichen.
Der institutionelle Rahmen der "Centrope – Europaregion Mitte" soll durch grenzüberschreitende Kooperation
die Wettbewerbsfähigkeit der Großregion stärken und langfristig zur Entwicklung eines integrierten
Wirtschaftsraums beitragen. Das WIFO hat Status-quo und Entwicklungspotentiale dieses Vorhabens im Rahmen umfangreicher
Analysen evaluiert.
Die Lage von Centrope an der "europäischen Wohlstandskante" spiegelt sich in erheblichen Entwicklungsunterschieden
der Teilräume: Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf beträgt in den östlichen Teilregionen von Centrope
(2003) rund 88%, im österreichischen Teil rund 117% des Durchschnitts der EU. Damit ist Centrope derzeit als
ein Konglomerat unterschiedlicher Teilräume mit einer Vielfalt von Standortbedingungen und (daraus folgend)
Spezialisierungen zu betrachten. Wettbewerbsvorteile entstehen daher vor allem aus der intelligenten Nutzung einander
ergänzender komparativer Vorteile.
Gemessen am erreichbaren Marktpotential ist Centrope auch keine europäische "Kernregion". Ihr Charakter
entspricht vielmehr einer "zentralen Übergangsregion" zwischen dem hochentwickelten Kern Westeuropas
und den entwicklungsschwächeren, aber dynamischen Peripherien Ost-Zentraleuropas. Dies eröffnet Möglichkeiten
der funktionalen Spezialisierung: Die Vielfalt der Standortvorteile und das enorme Lohnkostendifferential auf kurze
Distanz (Lohnkosten pro Stunde 2003 zwischen 19,4% des österreichischen Niveaus in der Slowakei und 25,3%
in Ungarn) machen Strategien der grenzüberschreitenden vertikalen Arbeitsteilung entlang der Wertschöpfungskette
attraktiv. Zudem ermöglicht die geographische Lage einen günstigen Zugang zu den kaufkräftigen Märkten
im Westen, aber auch zu den dynamischen Märkten im Osten.
Unter Nutzung von Skalenerträgen und dem Vorteil niedrigerer Transaktionskosten wurde dies in den letzten
Jahren in eine dynamische Entwicklung umgesetzt: Das BIP wuchs in der Region Centrope seit 1995 sowohl in den östlichen
(nominell +5,6% p. a.) als auch in den westlichen Teilregionen (+4,2% p. a.) rascher als im Durchschnitt der EU
15 (+4,1% p. a.).
Trotz verbliebener Defizite der Verkehrs-, Ausbildungs- und Forschungsinfrastruktur machen diese Vorteile bezüglich
der Kosten- und Absatzfaktoren die Region Centrope zu einem attraktiven Standortraum in Zentraleuropa, wie nicht
zuletzt der Zustrom an Direktinvestitionen und die Außenhandelserfolge zeigen. So war der Anteil der Bestände
an ausländischen Direktinvestitionen in den an Centrope beteiligten neuen EU-Ländern zuletzt (2003) mit
35% des BIP höher als in der EU 15 (33%) oder im Gesamtdurchschnitt (Welt 23%); in der Industrie dieser Länder
beschäftigen die mit Direktinvestitionen ausgestatteten Betriebe mittlerweile 40% der Arbeitskräfte und
erwirtschaften 60% bis 70% der Umsätze. Die Gesamtausfuhr der Länder Zentraleuropas stieg im Zeitraum
1995/2005 mit +12,2% pro Jahr fast doppelt so rasch wie jene der EU 15, nicht zuletzt dank der Erfolge im wettbewerbsstarken
EU-Binnenmarkt. Mit Zuwachsraten zwischen 14,6% (Slowakei) und 17,6% (Ungarn) verzeichneten auch hier die neuen
EU-Länder Zentraleuropas besondere Erfolge, aber auch Österreichs Ausfuhrerlöse (+7,9%) stiegen
überdurchschnittlich (EU 15 +6,3%). Zudem entwickelt sich die Angebotsstruktur der neuen EU-Länder Zentraleuropas
rasch in Richtung "moderner" technologie- und qualifikationsorientierter Spezialisierungen.
Im Hinblick auf die vielfältigen Herausforderungen grenzüberschreitender Standortpolitik bildet die zunächst
als politisches Konstrukt entstandene Region Centrope einen optimalen Kooperationsraum: groß genug, um die
relevanten Akteure zu erfassen, aber auch hinreichend überschaubar, um Kooperationserfolge zu ermöglichen.
Die Absatzmärkte der Unternehmen werden jedoch typischerweise über diesen Standortraum hinausreichen.
Deshalb sollte in Centrope vor allem die Angebotsstruktur optimal entwickelt werden, um den regionalen Unternehmen
Erfolge auf globalen Märkten zu erlauben.
Quelle: WIFO
Autoren: Peter Huber, Peter Mayerhofer, Gerhard Palme |