Das Rätseln hat eine Ende: Am Freitag, dem 14. Juli, beschloß der Nationalrat seine vorzeitige Auflösung.
Regulär wäre die laufende Gesetzgebungsperiode des Nationalrats am 20. Dezember ausgelaufen, der letztmögliche
Wahltermin wäre der 26. November gewesen. Begründet wurde die Vorverlegung der Nationalratswahl auf den
1. Oktober damit, daß dadurch ein kurzer und sparsamer Wahlkampf ermöglicht werde. Zudem könne
damit noch im Jahr 2006 eine neue Regierung gebildet werden.
Am 27.07. wird der Hauptausschuß im Parlament die Verordnung der Bundesregierung beschließen, die sowohl
den definitiven Wahltag (also den 1. Oktober) als auch den Stichtag enthält, der vor allem für wahlwerbende
Gruppen von Bedeutung ist. Dieser liegt üblicherweise zwei Monate vor dem Wahltermin und wäre somit der
1. August.
Um bei der Nationalratswahl kandidieren zu können, muß eine wahlwerbende Gruppe Wahlvorschläge
einbringen, die entweder von einer bestimmten Zahl von Abgeordneten unterschrieben sein müssen oder - regional
gewichtet - 2600 Unterstützungserklärungen bedürfen, wobei Unterstützungswillige zur Beglaubigung
der Unterstützung die heimatliche Gemeindebehörde persönlich aufsuchen müssen. Letzter Termin
zur Einbringung dieser Bundeswahlvorschläge ist, ausgehend vom Stichtag 1. August, der 11. September. Zwei
Wochen vor der Wahl, am 15. September, veröffentlich dann das Innenministerium die Bundeswahlvorschläge.
Für drei der Parteien ist dieses Procedere - was die Wahlvorschläge anbelangt - vorerst nicht von Bedeutung,
sind doch schließlich die ÖVP mit 79, die SPÖ mit 69 und die Grünen mit 17 Mandataren im Nationalrat
vertreten. Anders verhält es sich für die FPÖ, die als "Freiheitlicher Parlamentsklub - BZÖ"
18 zählt. Nach der Trennung von FPÖ und BZÖ hatte sich am Status des Parlamentsklubs nichts geändert:
16 der 18 Abgeordneten hatten sich zum BZÖ, zwei zur FPÖ bekannt. Dieser "gemeinsame" Klub
war während der parlamentarischen Arbeit zwar immer wieder Grund für Auseinandersetzungen, doch Auswirkungen
werden sich wahrscheinlich für die FPÖ jetzt insoferne zeigen, als sie - mangels unterstützender
Abgeordneter - 2600 Unterstützungserklärungen wird sammeln müssen, um zur Wahl antreten zu können.
Während für letztere der Einzug ins Hohe Haus nach der Wahl als praktisch gesichert gilt, steht dem BZÖ
noch einiges an Arbeit bevor. Denn trotz leicht steigender Zustimmung liegt der kleine Koalitionspartner der ÖVP
rund um die vier Prozent. Das ist die Hürde, die es zu überspringen gilt, um im Nationalrat überhaupt
vertreten zu sein. Dies gilt auch für den EU-Parlamentarier Hans-Peter Martin, der bei der letzten EU-Wahl
2004 aus dem Stand heraus immerhin 13,98 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte. Meinungsforscher rechnen
dem "Einzelkämpfer" Martin auch für die Nationalratswahl einige Chancen aus, vorausgesetzt
natürlich, daß dieser auch kandidiert. In einem ORF-Interview vergangenen Woche stellte er fest, er
habe sich noch nicht entschlossen, es hänge letztlich auch von der Zeitspanne ab, die er für die Vorbereitung
der Kandidatur zur Verfügung hätte. Das betrifft vor allem die Aufbringung der 2600 Unterstützungserklärungen
und, so heißt es, inwieweit er mit der "Kronen Zeitung" rechnen kann, die 2004 seine Kandidatur
stark unterstützte.
Sollte Martin antreten (wollen/können), so würde das ziemliche Auswirkungen auf die Zusammensetzung des
Nationalrates, insbesondere einer künftigen Regierung haben. Denn die Politologen sind sich einig, daß
Martin vor allem dem BZÖ und der FPÖ Stimmen kosten würde, auch der SPÖ, die aber mit schwankenden
Umfragewerten von 36 bis 40 Prozent natürlich nicht gefährdet wäre. Ungefährdet sind auch die
Positionen der ÖVP, die auf derzeit rund 38 bis 42 Prozent der Wähler, und die Grünen, die ziemlich
stabil bei +/- 14 Prozent rechnen können.
Sollten wirklich sechs Parteien ins Parlament einziehen (ÖPV, SPÖ. BZÖ, FPÖ, Grüne und
Hans Peter Martin), so wird es für den im Herbst mit der Regierungsbildung Beauftragen mit Sicherheit einiges
schwieriger werden, eine regierungsfähige Mehrheit im Hohen Haus zu finden. Aufgrund dieser Aussicht steigen
auch die Präferenzen der Österreicherinnen und Österreicher in Umfragen, die nämlich mehrheitlich
eines erwarten: nämlich eine große Koalition. Wie eine von der Tageszeitung "Kurier" bei Integral
jüngst in Auftrag gegebene Umfrage ergibt, wünschen sich 28 % der Befragten eine Koalition zwischen SPÖ
und ÖVP, 22 eine solche zwischen SPÖ und Grünen, 20 ÖVP/Grüne, 10 ÖVP/FPÖ, 9
SPÖ/FPÖ, 7 ÖVP/BZÖ und schließlich 5 Prozent zwischen SPÖ und BZÖ. 53 Prozent
wollen die ÖVP unbedingt in der Regierung sehen, 51 die SPÖ.
Nun kann man also davon ausgehen, daß es kein ruhiger Sommer werden wird, auch wenn versichert wurde, der
Wahlkampf würde erst in der zweiten Hälfte August "loslegen". mm
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38 http://www.oe-journal.at/index_magazin.htm |