Knapp 48 % der Gesetzesbeschlüsse einstimmig
Wien (pk) - Der Nationalrat beendete am 14.07. die letzte Tagung der XXII. Gesetzgebungs- periode.
Statistisch betrachtet gab es dabei, sieht man von der hohen Zahl von Bundesrats- einsprüchen ab, keine besonderen
Auffälligkeiten. Es wurden allerdings etwas mehr Gesetze beschlossen als in den vorangegangenen Tagungen.
Nach wie vor relativ hoch ist die Zahl der einstimmigen Gesetzesbeschlüsse.
Insgesamt fanden im abgelaufenen Parlamentsjahr 42 Plenarsitzungen mit einer Gesamtdauer von 273 Stunden und 50
Minuten statt. Dabei beschlossen die Abgeordneten 180 Gesetze und genehmigten 50 Staatsverträge sowie 3 Vereinbarungen
mit den Bundesländern. 16 Berichte des Rechnungshofes und ein Bericht der Volksanwaltschaft wurden behandelt
und zur Kenntnis genommen. Knapp 48 Prozent der Gesetzesbeschlüsse erfolgten einstimmig. Insgesamt wurden
in der XXII. GP 524 Gesetze beschlossen, davon etwas mehr als die Hälfte mit Zustimmung aller Fraktionen.
Unter anderem wurden in der Tagung 2005/06 ein neues Fremdenrecht, ein neues Sachwalterrecht, die Schwerarbeitspension,
ein Förderpaket für Klein- und Mittelbetriebe, die Novellierung des Ökostromgesetzes, die Schaffung
eines Zukunftsfonds und einer Stipendienstiftung aus Mitteln des Zwangsarbeiter-Entschädigungsfonds, neue
Bestimmungen über die Patientenverfügung, die Einführung der Verbandsklage, die Neuregelung der
Volkszählung, die Einrichtung eines Elite-Forschungsinstituts in Gugging, eine Quotenregelung für das
Medizinstudium sowie Maßnahmen gegen Stalking verabschiedet und die Privatisierung der Post in die Wege geleitet.
Einen Ansturm auf die zuständigen Behörden löste die Einführung neuer Pässe und neuer
Führerscheine aus. Bis zuletzt verhandelt wurde auch über eine Änderung des Volksgruppengesetzes,
letztendlich konnte darüber aber kein Konsens erzielt werden.
Für viel Diskussionsstoff im Nationalrat sorgten aber auch die BAWAG-Affäre, der Eurofighter-Kauf und
die Lage am Arbeitsmarkt, ebenso die probeweise Einführung von Tempo 160 auf einem Abschnitt der Tauernautobahn.
So wurde beispielsweise im Zusammenhang mit den Spekulationsgeschäften der BAWAG nicht nur dem Ständigen
Unterausschuss des Rechnungshofausschusses ein Prüfauftrag erteilt, es gab dazu auch eine Sondersitzung des
Nationalrats, zwei Dringliche Anfragen, mehrere Anträge auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sowie
zahlreiche mündliche und schriftliche Fragen an Finanzminister Karl-Heinz Grasser.
Im Mittelpunkt vieler Debatten stand auch heuer wieder die Europäische Union, nicht zuletzt aufgrund der österreichischen
EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2006. So hielt der Nationalrat insgesamt vier "Europatage"
ab, in denen er sich ausschließlich EU-Themen widmete, und diskutierte ausführlich über zwei Erklärungen
von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel zum Thema EU-Vorsitz. Eine Reihe von Parlamentarierkonferenzen zu verschiedenen
Schwerpunktthemen bot den Abgeordneten Gelegenheit zu einem Meinungs- und Erfahrungsaustausch mit ihren KollegInnen
aus anderen EU-Staaten sowie VertreterInnen der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments.
Dazu kommen zahlreiche Spezialdebatten in den beiden EU-Ausschüssen und in den Fachausschüssen des Nationalrats.
Immer wieder musste sich der Nationalrat auch mit Einsprüchen des Bundesrats gegen seine Beschlüsse auseinandersetzen.
Insgesamt 24 Mal erhob die Länderkammer ein Veto gegen ein Gesetz, ebenso oft fassten die Abgeordneten einen
Beharrungsbeschluss. Unter anderem wurden die Einrichtung des Zukunftsfonds und der Gesundheit Österreich
GmbH, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, die Staatsbürgerschaftsrecht-Novelle, die Novellierung des
Universitätsgesetzes, das neue ÖIAG-Gesetz, die Schwerarbeitspension und die jüngste Wohnrechtsnovelle
beeinsprucht.
10 Dringliche Anfragen, 12 Aktuelle Stunden, 1 Misstrauensantrag
Im Rahmen der Plenarsitzungen hielten die Abgeordneten 12 Aktuelle Stunden und 5 Fragestunden mit 41 Fragen und
122 Zusatzfragen ab. Dazu kommen insgesamt drei Debatten über die Erklärung von Regierungsmitgliedern.
19 Gesetzesanträge wurden in Erste Lesung genommen. In 75 Entschließungen erhielt die Regierung Arbeitsaufträge
vom Nationalrat.
Auch die parlamentarischen Minderheitsrechte wurden im vergangenen Parlamentsjahr wieder vielfach in Anspruch genommen,
in erster Linie von der Opposition, zum Teil aber auch von den beiden Koalitionsparteien. So verhandelte der Nationalrat
10 Dringliche Anfragen (5 S, 2 F, 3 G) sowie 8 Dringliche Anträge (2 V, 2 S, 4 G) und hielt 22 Kurze Debatten
(3 VF, 3 SG, 5 S, 11 G) zu schriftlichen Anfragebeantwortungen der Regierung, Fristsetzungsanträgen und Anträgen
auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ab.
Alle zehn Versuche der Opposition, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, scheiterten jedoch. Gleiches gilt
für den gegen Vizekanzler und Verkehrsminister Hubert Gorbach eingebrachten Misstrauensantrag. Die meisten
Untersuchungsausschuss-Begehren gab es in Zusammenhang mit der Visa-Affäre, zudem wollte die Opposition den
Eurofighter-Kauf, das Agieren der Bankenaufsicht und der Finanzmarktaufsicht im Zusammenhang mit dem BAWAG-Skandal
und die Einführung der E-Card genauer untersucht wissen.
Von den sechs Sondersitzungen des Nationalrats in dieser Tagung fanden drei auf Verlangen der SPÖ und zwei
auf Verlangen der Grünen statt, wobei die Opposition die Rekordarbeitslosigkeit, den Saliera-Diebstahl, die
"Bildungs-Misere", den Eurofighter-Kauf und die Berichterstattung des ORF thematisierte. Darüber
hinaus wurde eine außertourliche Sitzung einberufen, um so rasch wie möglich das Gesetz zur Zukunftssicherung
der BAWAG zu beschließen.
148 Ausschusssitzungen und 27 Sitzungen von Unterausschüssen
Zu den Plenarsitzungen kommen 148 Ausschusssitzungen und 27 Sitzungen von Unterausschüssen. Dabei wurden 53
Berichte der Bundesregierung durch Kenntnisnahme "enderledigt" und kamen nicht mehr ins Plenum.
Besondere Beachtung unter den Ausschüssen fand der zur Vorberatung einer Verfassungsreform eingesetzte Besondere
Ausschuss des Nationalrats, der in der abgelaufenen Tagung insgesamt achtmal zusammentrat, um u.a. über Staatsziele,
Grundrechte, eine neue Kompetenzverteilung und die Einführung von Landesverwaltungsgerichten zu diskutieren.
Grundsätzliche Einigkeit konnten die Abgeordneten dabei allerdings nur in Teilbereichen erzielen.
Der Hauptausschuss hielt im abgelaufenen Parlamentsjahr 19 Sitzungen ab und behandelte im Rahmen seiner traditionellen
Aufgaben 56 Vorlagen. Themenschwerpunkt waren Entsendungsgenehmigungen und Mandatsverlängerungen für
jene rund 1.300 Bundesheersoldaten, die derzeit an Friedensmissionen in aller Welt teilnehmen.
Als EU-Ausschuss trat der Hauptausschuss zu fünf Sitzungen zusammen, in erster Linie um die österreichische
Position bei bevorstehenden EU-Gipfeltreffen abzuklären, in einem Fall aber auch, um mit EU-Kommissionspräsident
Jose Manuel Barroso zu diskutieren. Dazu kommen 7 Sitzungen des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses
in Angelegenheiten der Europäischen Union.
Im Rechnungshof-Unterausschuss - neben dem Rechnungshofausschuss einer der zentralen Kontrollausschüsse des
Nationalrats - diskutierten die Abgeordneten über die Arzneimittelversorgung in Österreich und die BAWAG-Affäre.
Die Präsidialkonferenz trat in der Tagung 2005/2006 zu 22 Sitzungen zusammen.
Mit insgesamt 21 Petitionen und 4 Bürgerinitiativen wandten sich die Bürger direkt an das Hohe Haus.
Weiters befassten sich die Abgeordneten mit dem von der FPÖ initiierten Volksbegehren "Österreich
bleib' frei!"
1.331 Schriftliche Anfragen
Im Vergleich zu den vorangegangenen Tagungen annähernd gleich geblieben ist die Zahl der schriftlichen Anfragen
von Abgeordneten an Regierungsmitglieder, an den Nationalratspräsidenten, an den Rechnungshofpräsidenten
und an Ausschussvorsitzende. Insgesamt wurden bis zur letzten Sitzung am 14. Juli 1.331 schriftliche Anfragen eingebracht.
An der Spitze der Anfragesteller liegt die SPÖ mit 765 Anfragen, gefolgt von den Grünen mit 532. ÖVP-Abgeordnete
stellten insgesamt 13 Anfragen, die Freiheitlichen beschränkten sich auf acht. 13 Anfragen wurden von mehreren
Fraktionen gemeinsam eingebracht. Am häufigsten nutzte wie schon in den vergangenen Jahren SPÖ-Abgeordneter
Johann Maier mit insgesamt 212 Anfragen dieses Kontrollrecht des Nationalrats, gefolgt von den Grün-Abgeordneten
Gabriela Moser (88) und Karl Öllinger (83).
Besonderes Interesse zeigten die Mandatare dabei für das Innenministerium (168 Anfragen) und das Bundesministerium
für Verkehr, Innovation und Technologie (160). Lediglich 64 Anfragen wurden hingegen an Außenministerin
Ursula Plassnik gestellt. An Nationalratspräsident Andreas Khol richteten die Abgeordneten 16 schriftliche
Anfragen, an Rechnungshofpräsident Josef Moser drei.
Darüber hinaus war das Hohe Haus auch im abgelaufenen Parlamentsjahr wieder Ort zahlreicher Veranstaltungen
und internationaler Kontakte. |