Wien (rk) - Die Wienbibliothek im Rathaus will sich in Zukunft verstärkt über ihre Funktion als
wissenschaftliche Institution hinaus als "Dialogstelle zum Publikum" positionieren. Die 1856 gegründete
Bibliothek, die heuer ihr 150-Jahr-Jubiläum begangen hat, ist Wissensspeicher und Forschungszentrum, mit ca
220.000 katalogisierten Autographen in der Handschriftensammlung und 20.000 in der Musiksammlung sowie 550.000
Druckschriften und 250.000 Plakaten drittgrößte Bibliothek in Wien mit ungeheuren Schätzen. Nun
soll, so Direktorin Dr. Sylvia Mattl-Wurm bei einem Pressefrühstück am Donnerstag, zunehmend die Öffentlichkeit
mit Ausstellungen und Veranstaltungen angesprochen werden, erster Schritt zur Neupositionierung war die Namensänderung
anlässlich des 150. "Geburtstages", mit der die Bibliothek eine unverwechselbare Identität
erhielt. Derzeit läuft im Ausstellungskabinett der Bibliothek die Zauberkunstausstellung "Rare Künste",
für Dezember ist zum 95. Geburtstag von Marcel Prawy gemeinsam mit anderen Kulturinstitutionen einen vernetzte
Ausstellung zu seinem Leben und Schaffen geplant.
Erfolgreiche Entwicklung der letzten Jahre
Der stellvertretende Direktor der Bibliothek, Dr. Gerhard Renner, verwies in seinem Statement auf die erfolgreiche
Entwicklung der Bibliothek in den letzten Jahren. So war nach dem Auszug des Stadt- und Landesarchivs aus dem Rathaus
die Erweiterung der Bibliothek möglich, womit nun zwei Lesesäle angeboten werden können und eine
eigener Ausstellungsraum zur Verfügung steht. Für die Archivierung und die wissenschaftliche Arbeit konnten
die Möglichkeiten ebenfalls gravierend verbessert werden, mit einem allen modernen Anforderungen entsprechenden
Tiefspeicher, der errichtet wurde, konnte zugleich ein modernes künstlerisches Signal durch den "Dachgarten"
von Lois & Franziska Weinberger gesetzt werden. Große Teile der Bestände der Bibliothek sind bereits
online abrufbar, so unter anderem die Schubert- Handschriften unter www.schubert-online.at/ . Die Plakatsammlung,
die unter dem Kontext "Medium der öffentlichen Kommunikation" entwickelt wurde, konnte mit dem Archiv
der Gewista weiter ausgebaut werden und ist die größte Europas. Im Rahmen der Restitution wurden 600
Bestände überprüft, wovon rund 70 fragwürdige Herkünfte ergaben. Die Johann Strauß-Bestände,
die auf diesem Wege zurückgegeben wurde, wurde von der Stadt Wien wieder zurückgekauft.
Rare Künste" als Spiegel der Zeit
Die Zauberkunstausstellung "Rare Künste", die die Bibliothek zur Zeit im Ausstellungskabinett
präsentiert, will, so Kurator Ernst Strouhal vom Kooperationspartner Universität für angewandte
Kunst, über das zentrale Thema hinaus auch Kulturgeschichte anhand der Kulturtechnik der "Kunst der freundlichen
Täuschung" transparent machen. Bücher, Plakate, Zauberrequisiten und Spiele führen in die Welt
der Zauberei ein, in der Wien vor allem im 19. Jahrhundert mit Zauberkünstlern wie Ludwig Döbler und
Johann Nepomuk Hofzinser eine führende Rolle spielte. Zum Thema wird am 9. November ein Buch präsentiert,
das sich vor allem mit der Medien-und Kulturgeschichte der Zauberkunst auseinandersetzt. Die Ausstellung ist noch
bis 24. November, Montag bis Donnerstag von 9 bis 18.30 Uhr, Freitag von 9 bis 16.30 Uhr bei freiem Zugang im Ausstellungskabinett,
Rathaus, stiege 4, 1. Stock zu sehen.
Neue Wege bei Veranstaltungen
Neue Wege geht die Bibliothek bei ihrem Veranstaltungsangebot. So gibt es Lesungen unter dem Titel "Word Up!
Musik & Lesen" und andere Präsentationen, die von DJs begleitet werden, die Bibliothek nimmt im Herbst
an der "Kriminacht 2006" teil, Kunst in der Musiksammlung wird präsentiert. Weitere Schwerpunkte
im Herbst: eine "Ausstellung H.C. Artmann Bibliothek", das Symposion "Gedächtnis der Stadt",
die Präsentation der Institutsgeschichte, die Präsentation eines Plakatbuches, das den Plakaten der 70er-Jahre
gewidmet sein wird und die Präsentation der Bibliothek des Integrationsfonds.
Ausstellung zum 95. Geburtstag von Marcel Prawy
Ein zentrales Ereignis im Herbst wird die vernetzte Ausstellung sein, die die Wienbibliothek gemeinsam
mit der Volksoper, dem Theater an der Wien, dem Haus der Musik und dem Hotel Sacher anlässlich des 95. Geburtstages
von Marcel Prawy plant. Die Ausstellung, in der Bibliothek im Ausstellungskabinett und in der Musiksammlung wird
am 13. Dezember eröffnet, bereits seit dem Mai des Vorjahres sichtet der Historiker und Opernfreund Dr. Helmar
Kögl die rund rund 700 Kisten - 150 sind noch aufzuarbeiten - und unzähligen Plastiksackerl mit dem Nachlass
des legendären Opernführers. Unmengen von Büchern, die sich zu einer wertvollen Musikbibliothek
zusammenfügen, tausende Opernprogramme aus aller Welt, Reiseführer, Noten, Partituren, Schallplatten,
weitere Tonträger, Zeitungen und Zeitschriften, Pressberichte, Briefe etc, geben Auskunft über das Lebens
Prawys, seine Karriere, seine Kontakte zu den Großen der Welt der Musik. Seien Jugendjahre sind ebenso dokumentiert
wie die Zeit als amerikanischer "Kulturoffizier" als der er aus dem Emigration zurückkam, die Zeit
als Chefdramaturg der Volksoper, wo der das Musical in Wien salonfähig machte, die internationale Lehr- und
Vortragstätigkeit etc. Briefe und andere Dokumente in verschiedenen Sprachen, die er beherrschte, bezeugen
Prawys Freundschaft zu Jan Kiepura, dessen Sekretär er 1937 bis 1943 war, mit Martha Eggerth, mit Maria Jeritza,
Robert Stolz, Leonard Bernstein und vielen anderen Künstlern. Ein Problem bei der Aufarbeitung stellt die
zu Prawys Zeiten feuchte Lagerung der Bestände dar, die ungeheute Menge an Dokumenten ist eine große
Herausforderung für die Ausstellungsmacher, die die Auswahl treffen müssen. Wiens Musikfreunde können
sich jedenfalls schon auf diese Schau freuen. |