Wien (öj) - War bisher noch alles, nun ja, fast alles, möglich, was die Zusammensetzung einer
künftigen Bundesregierung anbelangt, scheint durch die Entscheidung von Hans-Peter Martin, für den Nationalrat
zu kandidieren, manches einfacher geworden zu sein.
Gehen wir einfach davon aus, daß es dem klubfreien EU-Mandatar gelingen wird, die für die Kandidatur
notwendigen 2600 Unterstützungserklärungen zusammenzubringen. Wenn ihn, wie er sagt, Tausende seit Jahren
bedrängen, in Österreichs Innenpolitik zurückzukehren, sollte das ja kein echtes Problem für
ihn darstellen.
Also Martin steigt in den Wahlkampf, kann sich, so wie zur EU-Wahl 2004, des guten Willens von "Krone"-Chef
Hans Dichand sicher sein. Der hat ihm in der "Sonntag-Krone" eine ganze Seite für die Darstellung
seiner politischen Überlegungen zur Verfügung gestellt.
2004 hat Martin - aus dem Stand heraus - mit der "Liste Dr. Hans-Peter Martin - für echte Kontrolle
in Brüssel" immerhin fast 350.000 Stimmen (13,98 %) erreicht. An diesen hohen Anteil ist bei der
Wahl am 1. Oktober keinesfalls zu denken. Heimische Meinungsforscher räumen ihm aber beste Chancen ein, in
den Nationalrat einzuziehen, sprechen von möglichen 7 bis 9 Prozent.
Das kann drastische Auswirkungen auf die Zusammensetzung einer künftigen Regierung haben. Hans-Peter Martin
setzt mit seinem Wahlprogramm vorrangig auf Themen, die teilweise von der SPÖ, vom BZÖ und der FPÖ
besetzt sind (will heißen, daß der "kleine, ehrliche, aufrechte Mann" vor allerhand Unbill
geschützt werden muß, sei es, daß diese durch die EU Ausländer oder, wahlweise, von der jeweils
anderen Partei droht; auch, oder vor allem, wenn diese in der Regierung sitzt). Für die SPÖ kommt erschwerend
hinzu, daß Martin, als ehemaliger SP-Funktionär, möglicherweise bei vielen Sympathien finden könnte,
die wegen des BAWAG/ÖGB-Skandals und der noch andauernden Nachwehen den Sozialdemokraten den Rücken kehren
könnten. Zumindest als Ausdruck vorübergehenden Protestes. Und das sind just die Wählerinnen und
Wähler, die sich BZÖ und FPÖ zur Absicherung der jeweiligen parlamentarischen Zukunft "angeln"
wollen. Man kann gespannt sein, wie diese "Fischzüge" ausgehen werden.
Eines steht jedenfalls ziemlich fest: Das Ziel der FPÖ, drittstärkste Kraft im Lande zu werden, scheint
nicht realistisch, dies wird wohl von den Grünen beansprucht werden. Wie sich dann die Ränge vier, fünf
und – wenn überhaupt – sechs darstellen werden, zeigen erst die nächsten Wochen. Dem BZÖ macht das
Antreten Martins mit Sicherheit mehr Kopfzerbrechen als der SPÖ. Denn letztere könnte es sich – natürlich
rein rechnerisch – leisten, zwei oder drei Prozent an Martin abzugeben. Sollte Martin vom BZÖ erhoffte Wählerschaft
in dieser Größenordnung für sich mobilisieren können, wäre das das Aus für den Einzug
des derzeitigen Junior-Koalitions- partners.
In einem sind sich viele Kommentatoren einig: Für eine Neuauflage der Koalition ÖVP-BZÖ wird es
mit ziemlicher Sicherheit nicht reichen. Die FPÖ hat sich bereits auf ihre Oppositionsrolle festgelegt, eine
Koalition von SPÖ und Grünen mit FPÖ oder BZÖ sind absolut ausgeschlossen. So bleiben also
"nur" die Varianten SPÖ-Grüne, ÖVP-Grüne und, wie es viele Österreicherinnen
und Österreicher gerne sähen, eine Koalition der beiden Großen. Nur, wie ein VP-Bundeskanzler Wolfgang
Schüssel mit einem SP-Vizekanzler Alfred Gusenbauer – oder umgekeht – auskommen würde, darüber wird
– derzeit – nicht einmal von den Kommentatoren nachgedacht. (mm) |