Lange Nervenfaserverbindungen sind genau so wichtig wie kurze
Bremen/Newcastle (pte) - Wissenschaftler der Newcastle University und der International University
Bremen haben in einer neuen Studie nachweisen können, dass lange Nervenfaser- verbindungen für das Funktionieren
des Gehirns genau so wichtig sind wie kurze. Die vorherrschende Theorie, dass das Nervensystem am besten funktioniert,
wenn die Nervenzellen hauptsächlich mittels sehr kurzen Nervenfasern miteinander verbunden sind, haben sie
somit entkräften können. Dieser neue Einblick in die Organisation des Gehirns könnte letztendlich
zu Fortschritten in der Diagnose und der Behandlung von Alzheimer und Autismus führen. Die Studienergebnisse
wurden jetzt in der Fachzeitschrift PloS Computational Biology http://compbiol.plosjournals.org veröffentlicht.
Vieles von dem, was wir vom menschlichen Gehirn wissen, ist aus neurowissenschaftlichen Forschungen an Primaten
hergeleitet. Primaten sind Gegenstand der Forschungen, weil sie die gleichen evolutionären Stadien wie Menschen
durchgemacht haben. Auch die aktuelle Studie basiert auf Daten aus anatomischen Studien der Gehirne von Primaten
und Würmern, die einer Computeranalyse unterworfen wurden. Dieses Computerprogramm registrierte Informationen
über die Länge der Nervenfasern und die neuronalen Verbindungen - so genannten Axone - im Gehirn. Es
wurde geprüft, ob die gesamte Länge der Fasern reduziert werden konnte. Da die Nervensysteme überraschend
viele Fernverbindungen haben, könnte die Länge der Verbindungen tatsächlich um 50 Prozent verkürzt
werden.
Die Forscher entdeckten, dass die langen Fasern so wichtig sind, weil sie im Vergleich zu den kürzeren Fasern
viel schneller Botschaften über einen langen Abstand schicken können. Darüber hinaus sind längere
Fasern viel zuverlässiger, wenn es auf die Transmission von Botschaften über längere Abstände
ankommt. Marcus Kaiser, Neurowissenschafter an der School of Computing Science und dem Institute of Neuroscience
der Universität Newcastle, vergleicht dieses Prinzip mit einer Zugfahrt. "Die Reise geht viel schneller
und einfacher, wenn man eine direkte Verbindung nimmt. Gibt es viele Zwischenstationen und muss man immer wieder
umsteigen, dann dauert es länger, bevor man am Bestimmungsort ist. Außerdem besteht das Risiko, einen
Anschluss zu verpassen." Im menschlichen Gehirn funktioniere das genau gleich.
"Viele Menschen gehen davon aus, dass das Gehirn wie ein Computer funktioniert und dass für eine optimale
Effektivität daher hauptsächlich kurze Verbindungen zwischen den Nervenzellen bestehen müssen",
erklärt Claus Hilgetag, Wissenschaftler an der School of Engineering and Science der International University
Bremen. Diese Studie zeige jedoch, dass eine Kombination von verschiedenen Längen essenziell sei. "Interessant
ist vor allem, dass die Forscher bei Primaten und Würmern die gleichen Beobachtungen machen konnten, obwohl
die Größe und Form ihrer Gehirne sehr unterschiedlich ist", so Hilgetag abschließend. |