Konjunkturaufschwung festigt sich  

erstellt am
14. 08. 06

Wien (wifo) - Laut aktueller WIFO-Schnellschätzung wuchs die österreichische Wirtschaft im II. Quartal 2006 real um 3%. Der Warenexport gewann weiter an Dynamik, auch die Investitionstätigkeit hat sich gefestigt. Im privaten Konsum und im Wohnbau fehlen jedoch Anzeichen einer Belebung. Die Stimmung ist in den Unternehmen der Sachgüterproduktion derzeit so günstig wie zuletzt im Jahr 2000. Das Expansionstempo der Wirtschaft dürfte sich jedoch spätestens Anfang 2007 abschwächen, da sich die internationalen Rahmenbedingungen verschlechtern und die Vorzieheffekte wegen der Mehrwertsteuererhöhung in Deutschland auslaufen werden.

Der Konjunkturaufschwung hat in Österreich im II. Quartal 2006 an Schwung gewonnen. Laut aktueller Schnellschätzung des WIFO stieg das BIP gegenüber dem Vorquartal real um 1%. Die Dynamik verstärkte sich gegenüber dem I. Quartal (+0,6%) deutlich. Im II. Quartal wuchs die Wirtschaft im Vorjahresvergleich neuerlich um 3%.

Die kräftige Expansion der Weltwirtschaft wirkt sich günstig auf die heimischen Exporte aus. Diese tragen den Konjunkturaufschwung und regen Investitionen an. Die Exporte i. w. S. entwickelten sich im II. Quartal sehr lebhaft (+1½% gegenüber dem Vorquartal), im Vorjahresvergleich wurde der Export real um gut 9% gesteigert. Die Belebung der europäischen Wirtschaft und die günstige Entwicklung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit trugen wesentlich dazu bei. Besonders rasch nahm die Ausfuhr in die erdölproduzierenden Länder zu (Recycling der Erdölgelder).

Im Gefolge des Exportbooms verstärkte sich die Industriedynamik weiter. Im II. Quartal übertraf die Wertschöpfung der Sachgüterproduktion das Niveau des Vorquartals um gut 2%. Die Umfrageergebnisse deuten darauf hin, dass die Aufwärtstendenz – trotz der politischen Unsicherheiten im Nahen Osten – auch im III. Quartal anhält: Die Unternehmen rechnen mit einer spürbaren Ausweitung der Produktion und beurteilen ihre Auftrags- und Geschäftslage günstiger als in den Monaten davor.

Die Bauunternehmen schätzen ihre Geschäftslage besonders positiv ein. Dies gilt vor allem für den Tiefbau, der hohe Auftragszuwächse verzeichnete. Die Verbesserung der Auftragslage schlägt sich bisher jedoch nur begrenzt in einer Produktionssteigerung nieder. Die Bauwirtschaft expandierte im II. Quartal mit real +½% gegenüber dem Vorquartal weiterhin mäßig; dabei bremste die Flaute im Wohnbau die Entwicklung.

Die Aufwärtstendenz im produzierenden Bereich greift allmählich auf die Ausrüstungsinvestitionen über, sie stiegen im II. Quartal real um etwa 1½% gegenüber dem Vorquartal und übertrafen das Vorjahresniveau um 5½%. Eine deutliche Ausweitung der Investitionstätigkeit im Jahr 2006 hatte sich bereits im WIFO-Investitionstest angekündigt.

 

2005

2006

 

I. Qu.

II. Qu.

III. Qu.

IV. Qu.

I. Qu.

II. Qu.

 

Saison- und arbeitstagsbereinigt, Veränderung gegen
das Vorquartal in %, real

Verwendung des Bruttoinlands-
   produktes

 

 

 

 

 

 

Konsumausgaben

 

 

 

 

 

 

  Private Haushalte1)

+0,4

+0,4

+0,5

+0,5

+0,4

+0,5

  Staat

+0,3

+0,4

+0,4

+0,4

+0,4

+0,3

Bruttoinvestitionen

–1,5

+0,5

+1,5

+0,6

+0,1

+0,5

Exporte

+1,4

+2,0

+2,0

+1,2

+1,3

+1,6

Importe

+0,9

+1,4

+1,6

+0,9

+1,0

+1,0

Bruttoinlandsprodukt

+0,2

+0,5

+0,7

+0,7

+0,6

+1,0

 

 

 

 

 

 

 

Bruttoinlandsprodukt nach
   Wirtschaftsbereichen

 

 

 

 

 

 

Land- und Forstwirtschaft

–0,5

–0,7

–0,8

–0,3

+0,0

+0,2

Produzierender Bereich2)

+0,4

+0,9

+1,2

+1,3

+1,8

+2,1

Bauwesen

+0,6

+0,7

+0,7

+0,6

+0,5

+0,6

Handel, Gastgewerbe und Verkehr

–0,1

+0,4

+0,7

+0,6

+0,0

+0,2

Vermögens- undUnternehmens-
dienstleistungen
3)

+0,3

+0,5

+1,0

+0,9

+0,6

+0,9

Sonstige Dienstleistungen4)

+0,3

+0,2

+0,2

+0,2

+0,2

+0,2

Gütersteuern

+0,2

+0,4

+0,6

+0,5

+0,3

+0,8

Gütersubventionen

+0,9

+0,9

+1,0

+1,0

+1,1

+0,8

 

 

 

 

 

 

 

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

 

 

 

 

 

 

Bruttoinlandsprodukt, real

+1,6

+1,8

+1,5

+2,3

+3,0

+3,0

Die Ergebnisse des Handels waren auch im II. Quartal enttäuschend. Der Kfz-Handel setzte weniger um als im Vorjahr, und auch der Großhandel verzeichnete einen schwachen Geschäftsgang. Insgesamt wuchsen die Bereiche Handel, Verkehr und Gastgewerbe gegenüber der Vorperiode um nur 0,2%. Relativ kräftig stieg laut VGR, begünstigt durch die EU-Präsidentschaft Österreichs und das Mozart-Jahr, die Wertschöpfung im Beherbergungs- und Gaststättenwesen. Die Schwächen der Wirtschaftsentwicklung in Österreich liegen weiterhin im privaten Konsum und im Wohnbau. Der Konsum verstärkte sich auch im II. Quartal nicht, die Ausgaben der privaten Haushalte expandierten wie in den letzten fünf Quartalen um rund ½% gegenüber der Vorperiode. Im Vorjahresvergleich wurde der Inländerkonsum laut aktueller WIFO-Schnellschätzung um 1¾% ausgeweitet, kaum rascher als im vergangenen Jahr.

Dank des mäßigen Preisauftriebs nahmen die Bruttorealeinkommen im II. Quartal zu. Die Verbraucherpreise lagen um 1,6%, die Tariflöhne um 2,8% über dem Vorjahresniveau. Im Juni verringerte sich die Inflationsrate auf 1,5%. Etwa die Hälfte der Teuerung ging auf den Anstieg der Energiepreise zurück, die anderen Preise waren insgesamt sehr stabil. Im Sommer wurden angesichts der Rohölverteuerung die Benzin- und Dieselpreise neuerlich angehoben. Der Rohölpreis erreichte Anfang August Höchstwerte von 78 $ je Barrel.

Der Konjunkturaufschwung und die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes hatten eine beträchtliche Zunahme der aktiven Beschäftigung zur Folge (Juli +54.600). Begünstigt waren die Branchen mit einem hohen und wachsenden Anteil der Teilzeitbeschäftigung: unternehmensnahe Dienstleistungen, Handel, Tourismus und Gesundheitswesen. Die Stabilisierung der Arbeitsplatzsituation in der Sachgüterproduktion deutet darauf hin, dass heuer auch die Zahl der Vollzeitarbeitsplätze steigen dürfte. Laut Mikrozensus erreichte die Teilzeitquote im I. Quartal 2006 22,5% aller Erwerbstätigen (+1½ Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr), die Zahl der Vollzeiterwerbstätigen folgte keinem eindeutigen Trend.

Die Zahl der Arbeitslosen war im Juli mit 197.000 um 14.000 niedriger als im Vorjahr. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit ist in erster Linie auf die Ausweitung der Schulungen (+9.000) und anderer arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen (Einstellungsbeihilfen usw.) zurückzuführen. Die gute Konjunktur trug ebenfalls zur Verringerung der Arbeitslosigkeit bei. Dies bestätigt die Regel, dass die Arbeitslosenquote sinkt, sobald das Wirtschaftswachstum mindestens 2½% erreicht.

Quelle: WIFO
Autoren: Sandra Steindl, Ewald Walterskirchen

     
zurück