Wien (wifo) - Laut aktueller WIFO-Schnellschätzung wuchs die österreichische
Wirtschaft im II. Quartal 2006 real um 3%. Der Warenexport gewann weiter an Dynamik, auch die Investitionstätigkeit
hat sich gefestigt. Im privaten Konsum und im Wohnbau fehlen jedoch Anzeichen einer Belebung. Die Stimmung ist
in den Unternehmen der Sachgüterproduktion derzeit so günstig wie zuletzt im Jahr 2000. Das Expansionstempo
der Wirtschaft dürfte sich jedoch spätestens Anfang 2007 abschwächen, da sich die internationalen
Rahmenbedingungen verschlechtern und die Vorzieheffekte wegen der Mehrwertsteuererhöhung in Deutschland auslaufen
werden.
Der Konjunkturaufschwung hat in Österreich im II. Quartal 2006 an Schwung gewonnen. Laut aktueller Schnellschätzung
des WIFO stieg das BIP gegenüber dem Vorquartal real um 1%. Die Dynamik verstärkte sich gegenüber
dem I. Quartal (+0,6%) deutlich. Im II. Quartal wuchs die Wirtschaft im Vorjahresvergleich neuerlich um 3%.
Die kräftige Expansion der Weltwirtschaft wirkt sich günstig auf die heimischen Exporte aus. Diese tragen
den Konjunkturaufschwung und regen Investitionen an. Die Exporte i. w. S. entwickelten sich im II. Quartal sehr
lebhaft (+1½% gegenüber dem Vorquartal), im Vorjahresvergleich wurde der Export real um gut 9% gesteigert.
Die Belebung der europäischen Wirtschaft und die günstige Entwicklung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit
trugen wesentlich dazu bei. Besonders rasch nahm die Ausfuhr in die erdölproduzierenden Länder zu (Recycling
der Erdölgelder).
Im Gefolge des Exportbooms verstärkte sich die Industriedynamik weiter. Im II. Quartal übertraf die Wertschöpfung
der Sachgüterproduktion das Niveau des Vorquartals um gut 2%. Die Umfrageergebnisse deuten darauf hin, dass
die Aufwärtstendenz – trotz der politischen Unsicherheiten im Nahen Osten – auch im III. Quartal anhält:
Die Unternehmen rechnen mit einer spürbaren Ausweitung der Produktion und beurteilen ihre Auftrags- und Geschäftslage
günstiger als in den Monaten davor.
Die Bauunternehmen schätzen ihre Geschäftslage besonders positiv ein. Dies gilt vor allem für den
Tiefbau, der hohe Auftragszuwächse verzeichnete. Die Verbesserung der Auftragslage schlägt sich bisher
jedoch nur begrenzt in einer Produktionssteigerung nieder. Die Bauwirtschaft expandierte im II. Quartal mit real
+½% gegenüber dem Vorquartal weiterhin mäßig; dabei bremste die Flaute im Wohnbau die Entwicklung.
Die Aufwärtstendenz im produzierenden Bereich greift allmählich auf die Ausrüstungsinvestitionen
über, sie stiegen im II. Quartal real um etwa 1½% gegenüber dem Vorquartal und übertrafen
das Vorjahresniveau um 5½%. Eine deutliche Ausweitung der Investitionstätigkeit im Jahr 2006 hatte
sich bereits im WIFO-Investitionstest angekündigt.
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2005
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2006
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I. Qu.
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II. Qu.
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III. Qu.
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IV. Qu.
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I. Qu.
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II. Qu.
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Saison- und arbeitstagsbereinigt, Veränderung gegen
das Vorquartal in %, real
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Verwendung des Bruttoinlands-
produktes
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Konsumausgaben
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Private Haushalte1)
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+0,4
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+0,4
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+0,5
|
+0,5
|
+0,4
|
+0,5
|
Staat
|
+0,3
|
+0,4
|
+0,4
|
+0,4
|
+0,4
|
+0,3
|
Bruttoinvestitionen
|
–1,5
|
+0,5
|
+1,5
|
+0,6
|
+0,1
|
+0,5
|
Exporte
|
+1,4
|
+2,0
|
+2,0
|
+1,2
|
+1,3
|
+1,6
|
Importe
|
+0,9
|
+1,4
|
+1,6
|
+0,9
|
+1,0
|
+1,0
|
Bruttoinlandsprodukt
|
+0,2
|
+0,5
|
+0,7
|
+0,7
|
+0,6
|
+1,0
|
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Bruttoinlandsprodukt nach
Wirtschaftsbereichen
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Land- und Forstwirtschaft
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–0,5
|
–0,7
|
–0,8
|
–0,3
|
+0,0
|
+0,2
|
Produzierender Bereich2)
|
+0,4
|
+0,9
|
+1,2
|
+1,3
|
+1,8
|
+2,1
|
Bauwesen
|
+0,6
|
+0,7
|
+0,7
|
+0,6
|
+0,5
|
+0,6
|
Handel, Gastgewerbe und Verkehr
|
–0,1
|
+0,4
|
+0,7
|
+0,6
|
+0,0
|
+0,2
|
Vermögens- undUnternehmens-
dienstleistungen3)
|
+0,3
|
+0,5
|
+1,0
|
+0,9
|
+0,6
|
+0,9
|
Sonstige Dienstleistungen4)
|
+0,3
|
+0,2
|
+0,2
|
+0,2
|
+0,2
|
+0,2
|
Gütersteuern
|
+0,2
|
+0,4
|
+0,6
|
+0,5
|
+0,3
|
+0,8
|
Gütersubventionen
|
+0,9
|
+0,9
|
+1,0
|
+1,0
|
+1,1
|
+0,8
|
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Veränderung gegen das Vorjahr in %
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Bruttoinlandsprodukt, real
|
+1,6
|
+1,8
|
+1,5
|
+2,3
|
+3,0
|
+3,0
|
Die Ergebnisse des Handels waren auch im II. Quartal enttäuschend. Der Kfz-Handel setzte weniger um als
im Vorjahr, und auch der Großhandel verzeichnete einen schwachen Geschäftsgang. Insgesamt wuchsen die
Bereiche Handel, Verkehr und Gastgewerbe gegenüber der Vorperiode um nur 0,2%. Relativ kräftig stieg
laut VGR, begünstigt durch die EU-Präsidentschaft Österreichs und das Mozart-Jahr, die Wertschöpfung
im Beherbergungs- und Gaststättenwesen. Die Schwächen der Wirtschaftsentwicklung in Österreich liegen
weiterhin im privaten Konsum und im Wohnbau. Der Konsum verstärkte sich auch im II. Quartal nicht, die Ausgaben
der privaten Haushalte expandierten wie in den letzten fünf Quartalen um rund ½% gegenüber der
Vorperiode. Im Vorjahresvergleich wurde der Inländerkonsum laut aktueller WIFO-Schnellschätzung um 1¾%
ausgeweitet, kaum rascher als im vergangenen Jahr.
Dank des mäßigen Preisauftriebs nahmen die Bruttorealeinkommen im II. Quartal zu. Die Verbraucherpreise
lagen um 1,6%, die Tariflöhne um 2,8% über dem Vorjahresniveau. Im Juni verringerte sich die Inflationsrate
auf 1,5%. Etwa die Hälfte der Teuerung ging auf den Anstieg der Energiepreise zurück, die anderen Preise
waren insgesamt sehr stabil. Im Sommer wurden angesichts der Rohölverteuerung die Benzin- und Dieselpreise
neuerlich angehoben. Der Rohölpreis erreichte Anfang August Höchstwerte von 78 $ je Barrel.
Der Konjunkturaufschwung und die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes hatten eine beträchtliche Zunahme der
aktiven Beschäftigung zur Folge (Juli +54.600). Begünstigt waren die Branchen mit einem hohen und wachsenden
Anteil der Teilzeitbeschäftigung: unternehmensnahe Dienstleistungen, Handel, Tourismus und Gesundheitswesen.
Die Stabilisierung der Arbeitsplatzsituation in der Sachgüterproduktion deutet darauf hin, dass heuer auch
die Zahl der Vollzeitarbeitsplätze steigen dürfte. Laut Mikrozensus erreichte die Teilzeitquote im I.
Quartal 2006 22,5% aller Erwerbstätigen (+1½ Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr), die Zahl der
Vollzeiterwerbstätigen folgte keinem eindeutigen Trend.
Die Zahl der Arbeitslosen war im Juli mit 197.000 um 14.000 niedriger als im Vorjahr. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit
ist in erster Linie auf die Ausweitung der Schulungen (+9.000) und anderer arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen
(Einstellungsbeihilfen usw.) zurückzuführen. Die gute Konjunktur trug ebenfalls zur Verringerung der
Arbeitslosigkeit bei. Dies bestätigt die Regel, dass die Arbeitslosenquote sinkt, sobald das Wirtschaftswachstum
mindestens 2½% erreicht.
Quelle: WIFO
Autoren: Sandra Steindl, Ewald Walterskirchen
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