NR-Präsidentin präsentiert umfangreichen Forderungskatalog
Wien (pk) – Am Vormittag des 23.08. lud die Zweite Nationalratspräsidentin Barbara Prammer zu
einer Pressekonferenz ins Hohe Haus ein. Dabei präsentierte sie ihre Vorschläge, wie man die Parlamentsarbeit
in Hinkunft besser, transparenter und bürgerInnennäher gestalten könnte. Ihre Forderungen reichten
von einer grundsätzlichen Öffnung der Ausschusssitzungen für die interessierte Öffentlichkeit
und für Medienvertreter, der Stärkung der Minderheitsrechte (z.B. bei der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen),
einer interessanteren Gestaltung der Fragestunde bis hin zu einer gerechteren Verteilung der Redezeit. Prammer
meinte, dass diese Vorschläge gerade jetzt, knapp vor der Nationalratswahl, diskutiert werden sollten. Sie
zeigte sich zuversichtlich, dass nach der Wahl eine Einigung zwischen den Parteien möglich ist und die Vorhaben
umgesetzt werden können.
Ein wichtiges Anliegen war der Zweiten Nationalratspräsidentin die Öffnung von Ausschusssitzungen. Es
soll der interessierten Öffentlichkeit und den Medienvertretern grundsätzlich möglich sein, an Ausschussberatungen
als ZuhörerInnen teilzunehmen. Auch sollen Ton- und Bildaufnahmen erlaubt werden. Nur im Einzelfall, zum Beispiel
in Fragen der nationalen Sicherheit, könne dann der Ausschuss die Öffentlichkeit ausschließen.
Prammer erwartete sich dadurch, dass damit die intensive Arbeit der Abgeordneten in den Ausschüssen sichtbarer
und transparenter wird.
Stärkung der Rechte der BürgerInnen
Was die Stärkung der Rechte der BürgerInnen betrifft, so trat Prammer dafür ein, dass Volksbegehren,
Petitionen und Bürgerinitiativen in Zukunft nicht mehr am Ende einer Legislaturperiode verfallen, sondern
dass deren parlamentarische Behandlung nahtlos fortgesetzt wird. Eine ähnliche Regelung schlug sie auch hinsichtlich
der Berichte des Rechnungshofes und der Volksanwaltschaft vor. Grundsätzlich sollte es nach Auffassung von
Prammer die Möglichkeit geben, dass die Volksanwaltschaft in wichtigen Fragen den Nationalrat in Form von
Einzelberichten informiert. Um die Zusammenarbeit zwischen der Volksanwaltschaft und den dafür spezialisierten
Abgeordneten zu verbessern, sollten zudem die Berichte dem Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen
zugewiesen werden. Ein weiterer Vorschlag betraf die elektronische Übermittlung und Unterstützungsmöglichkeit
von Bürgerinitiativen. Es sollte auch jede BürgerIn das Recht haben, zu einem Gesetz Stellung zu beziehen;
diese Stellungnahmen könnten auf der Homepage des Parlaments veröffentlicht werden. Damit der Stellenwert
der kinder- und jugendrelevanten Fragen erhöht wird, sollte ein eigener Ausschuss für Kinder und Jugendliche
eingerichtet werden. Außerdem soll das politische Engagement der Jugendlichen gefördert und es ihnen
ab dem vollendeten 16. Lebensjahr ermöglicht werden, Bürgerinitiativen zu unterstützen.
Stärkung der Rechte der Opposition
Präsidentin Prammer wies darauf hin, dass derzeit Oppositionsanträge in den Ausschüssen oft endlos
vertagt werden. Um ein effektives Arbeiten zu ermöglichen, sollen künftig die AntragstellerInnen verlangen
können, dass über den Antrag abgestimmt und darüber im Plenum berichtet wird. In den letzten sechs
Jahren sei es zudem Usus geworden, dass die Berichte in den Ausschüssen "enderledigt" werden. Viele
interessante Themen würden dadurch unter Ausschluss der Öffentlichkeit debattiert, gab sie zu bedenken.
Es sollte daher eine Regelung gefunden werden, wonach auf Verlangen von 5 Abgeordneten (einmal pro Fraktion und
pro Jahr) ein von diesen bestimmter Bericht im Rahmen einer Nationalratssitzung verhandelt wird.
Besonders am Herzen lag ihr eine gerechtere Verteilung der Redezeit. Die Maximalredezeit für jeden Abgeordneten
sei grundsätzlich mit 20 Minuten festgelegt, die Mitglieder der Bundesregierung unterliegen dieser Regelung
jedoch nicht. Es sollte daher die Redezeit der Regierungsmitglieder – wie dies auch in vielen anderen europäischen
Ländern üblich ist – der jeweiligen Fraktionsredezeit angerechnet werden.
Prammer wünschte sich zudem, die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen zu einem Minderheitsrecht zu
machen. Sie erinnerte daran, dass es bereits im Dezember 1999 eine Einigung zwischen allen vier Parteien darüber
gegeben hat, die jedoch nicht umgesetzt wurde.
Ein wichtiges Element im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens seien die Enquete-Kommissionen, die zur Vorbereitung
von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Angelegenheiten eingesetzt werden können. Derzeit
handle es sich dabei jedoch um "totes Recht", gab die NR-Präsidentin zu bedenken. Ihrer Meinung
nach sollte diese sinnvolle Einrichtung wieder belebt und ein entsprechendes Budget bereit gestellt werden, damit
eine Zusammenarbeit mit ExpertInnen und Universitäten ermöglicht wird. Um eine konzentrierte Überprüfung
der finanziellen Auswirkungen von Gesetzesvorschläge zu gewährleisten, sollte diese Aufgabe dem Budgetausschuss
übertragen werden, lautete ein weiterer Vorschlag von Prammer.
Auch die Fragestunde könnte nach Ansicht von Prammer interessanter gestaltet werden. Derzeit werden die mündlichen
Anfragen von Abgeordneten an Regierungsmitglieder vorher schriftlich übermittelt. Künftig soll darauf
verzichtet werden, damit eine spontane, lebendige und somit attraktivere Fragestunde für die ZuseherInnen
möglich ist. Überdies sollte jede Sitzung des Nationalrates mit einer Fragestunde beginnen, sofern nicht
eine aktuelle Stunde stattfindet.
Handlungsbedarf sah Prammer auch hinsichtlich der Anfragebeantwortungen. In den letzten Jahren wurden "immer
öfters Fragen ohne Begründung nicht beantwortet, zum Teil mit rechtlich nicht haltbaren Begründungen
verweigert oder einfach Fragen falsch beantwortet", meinte sie. Statt wie bisher der Nationalrat könnte
in Hinkunft der Rechts- und Legislativdienst darüber entscheiden, ob der Verpflichtung zur Beantwortung einer
Anfrage entsprochen wurde. Um die Kontrolle der Verwaltungstätigkeit der Bundesregierung zu verbessern, sollte
es eine dringliche schriftliche Anfrage geben, die innerhalb von 14 Tagen zu beantworten ist. |