Debatten über Energieversorgung, Infrastrukturliberalisierung und Mitarbeiterbeteiligung
Wien / Alpbach (pwk) - Unter dem Motto „günstig - sicher - sauber“ diskutierten Experten
die notwendigen strategischen Weichenstellungen in der Energiepolitik bei den Reformgesprächen der Wirtschaftskammer
Österreich in Alpbach. Im Befund zum Ist-Stand bestand weitgehende Einigkeit unter den Diskutanten: Die zunehmende
Abhängigkeit von Energieimporten Österreichs und der Europäischen Union gibt Anlass, die Ausarbeitung
langfristiger kohärenter Energiekonzepte zu fordern. Energiekosten steigen dramatisch, die Versorgungssicherheit
wird immer mehr zum Thema für Unternehmen und Privathaushalte. Gleichzeitig steigt der ökologische Druck
auf die Energiewirtschaft. WIFO-Experte Kurt Kratena verwies darauf, dass der Energieverbrauch in den letzten Jahren
sogar stärker als das Bruttoinlandsprodukt gewachsen sei.
Zur Verbesserung der Energieversorgungssicherheit bekommt die Energieeffizienz einen immer größeren
Stellenwert. Die Betriebe müssen sich gegen steigende Kosten wappnen, erklärte WKÖ-Experte Stephan
Schwarzer, gleichzeitig müsse die Wirtschaft verbrauchsarme Fahrzeuge, Wohnungen und Geräte entwickeln,
ergänzten WWF-Geschäftsführerin Hildegard Aichberger und die AK-Energieexpertin Gunda Kirchner.
Vorstandsdirektor Herbert Schröfelbauer von der Verbund Austrian Hydro Power AG unterstrich den Beitrag der
geplanten Wasserkraftprojekte für die Versorgungssicherheit und den Klimaschutz. Um die ehrgeizige österreichische
Kyoto-Verpflichtung doch noch zu erfüllen, müssten, so Schwarzer, innovative Wege beschritten werden,
so sei zB nicht einzusehen, dass man in der ganzen Welt CO2-Gutschriften erwerben könne nur nicht im eigenen
Land. Alle Referenten und Teilnehmer aus dem Auditorium sprachen sich für die Ausarbeitung einer langfristigen
konzertierten Energiestrategie aus. EK-Abteilungsleiter Karl Kellner plädierte für eine Verstärkung
des energiepolitischen Engagements der Europäischen Union im Sinne des bereits vorliegenden Grünbuchs
zu einer nachhaltigen Energiepolitik gemeinschaftlichen aus.
Dem magischen Dreieck der Infrastrukturliberalisierung – Markt, Regulierung, Daseinsvorsorge“ widmete sich ein
weiterer Arbeitskreis. Seit einigen Jahren werden zahlreiche Infrastruktursektoren der EU einer schrittweisen Marktöffnung
unterzogen. Ziel ist dabei die Schaffung eines funktionierenden Markt- und Wettbewerbsmechanismus in den Sektoren
Telekommunikation, Verkehr, Postwesen, Gas und Elektrizität. Mit verschiedenen Methoden der Regulierung sollen
funktionierende Märkte herbeigeführt werden, natürliche Monopole kontrolliert und Versorgungssicherheit
im Sinne einer bürgernahen Daseinsvorsorge gewährleistet werden.
Im Spannungsfeld zwischen erwiesenen Effizienzgewinnen und der Befürchtung möglicher Steuerungsverluste
wurde der derzeitige Stand der Regulierung und Liberalisierung diskutiert. „Ich begrüße jedenfalls eine
vollkommene Marktöffnung sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr, da von diesen Maßnahmen
mit Sicherheit eine Steigerung des Fahraufkommens auf dem heimischen Streckennetz und damit auch eine Steigerung
der Einnahmen aus dem Infrastrukturbenützungsentgelt zu erwarten ist“, meint Verkehrsstaatssekretär Helmut
Kukacka in seinem Eröffnungsstatement zu den Liberalisierungschancen im Schienenverkehr. In weiterer Folge
wurde von einem hochkarätig besetzten Podium unter reger Publikumsbeteiligung der derzeitige Stand der Liberalisierung
aus akademischer Sicht sowie aus Sicht der Regulatoren, betroffener Unternehmer und Interessensvertreter diskutiert.
Dabei wurden überwiegend die Vorteile der Liberalisierung unterstrichen. Es wurde jedoch auch darauf hingewiesen,
dass Regulierung auch in Zukunft für einen effizienten Wettbewerb auf liberalisierten Märkten notwendig
ist.
Die Präsentation einer gemeinsamen Studie von Arbeiterkammer und WKÖ zur Mitarbeiterbeteiligung sowie
Erfahrungsberichte der Arbeitnehmervertretung eines Groß- und Kleinbetriebes war Gegenstand eines weiteren
Arbeitskreises. Die Studie, die von Ralf Kronberger (WKÖ) und Heinz Leitsmüller (AK) präsentiert
wurde, zeigt Verbreitung und Ausgestaltung der vorhandenen Mitarbeiterbeteiligungsmodelle bei denen positive Erfahrungen
überwiegen. In Zusammenarbeit mit der FH Wr. Neustadt wurden über 1700 Arbeitgeber und über 900
Betriebsräte befragt, welches Interesse, welche Erfahrungen und welche Anforderungen sie an Mitarbeiterbeteiligungsmodelle
haben. Über 80 % der befragten Betriebsräte sowie der Arbeitgeber würden bei Gelegenheit das Modell
wiederholen. Mitarbeiterbeteiligungsmodelle sind für die Beschäftigten vor allem interessant, wenn es
darum geht, an den Erfolgen eines Unternehmens partizipieren zu können. Unternehmer sehen hingegen eine weitere
Chancen die Mitarbeiterbindung mit dem Unternehmen zu stärken.
Rene Schindler von der Gewerkschaft Metall-Textil-Nahrung stellte in seinem Statement klar, dass es nicht das ideale
Mitarbeiterbeteiligungsmodell geben kann, sondern je nach Zielsetzung des Unternehmens differenzierte Modelle zur
Anwendung gelangen müssen. Weiters ortet er den Bedarf praktikablerer Modelle für mittelgroße Unternehmen
zu schaffen. Den ÖGB sieht Schindler als wichtiges Kontrollorgan bei der Überwachung der Arbeitnehmerinteressen
wenn es um die Einführung von Beteiligungsmodellen geht.
Andreas Berger von der RHI AG meint, dass nur einfache Modelle, die für die Arbeitnehmer leicht nachvollziehbar
sind, zum Erfolg führen. Nachholbedarf sieht Berger in der Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen.
„Ebenso würde sich anbieten den derzeitigen Steuerfreibetrag für die begünstigte Abgabe von Kapitalanteilen
– derzeit 1460 Euro – anzuheben“, so Berger.
Siegfried Mader von der Datagain Onlinemarktforschung GmbH sieht die Mitarbeiterbeteiligung als ideales Instrument
den Mitarbeitern unternehmerisches Denken zu vermitteln. Er empfiehlt kleinen Unternehmen die schon angebotene
und staatlich geförderte Besicherung der Kapitalanteile der Mitarbeiter stärker zu nutzen. Darüber
hinaus hält er es für sehr wichtig, das Beteiligungsmodell vor seiner Einführung sorgfältig
zu planen und mit den Mitarbeitern ausführlich zu diskutieren.
Insgesamt sind alle Teilnehmer davon überzeugt, dass die Mitarbeiterbeteiligung weiter an Bedeutung gewinnen
wird, man aber um eine differenzierte Betrachtung nicht hinwegkommen wird. Weitere Infos zur Studie: www.mitarbeiterbeteiligung.net
Der vierte Arbeitskreis bei den Reformgesprächen widmete sich der Suche nach den Kraftfeldern der Zukunft
betreffend Familie, Schule und Betrieb. Heutzutage sind immer öfter Absolventen der Erstausbildung nicht reif
für den Arbeitsmarkt, weshalb es auch zu Schwierigkeiten im Berufseintritt kommt. Eine Ursache dieser Entwicklung
liegt vor allem am hohen Maß an Veränderungen, auf die sich unsere Jugend ständig anpassen muss.
Auf der Suche nach Sicherheit entdeckt man aber die fehlende Struktur, die dazu notwendig wäre.
Peter Gruber, Wirtschaftsberater aus Wien, zum Thema des Arbeitskreises: „Menschen brauchen Grundmuster auf die
sie sich verlassen können, denn Struktur schafft Sicherheit.“ Seiner Einschätzung nach ist es dabei wichtig,
dass die Managerebene hier Vertrauen schenkt, indem sie Nähe zu seinen Mitarbeitern selbst sucht, Blickkontakt
in Gesprächen hält und seinem Gegenüber zuhört.
Helene Sengstbratl vom AMS Burgenland, mangelt es in Österreich nicht an gebildeten jungen Arbeitskräften,
vielmehr wäre es hilfreich, die kleine Gruppe an schwererziehbaren Jugendlichen zu fördern! Das AMS sieht
sich diesbezüglich als Schnittstelle zwischen Unternehmen und Schule und als Auffangnetz zur Vermittlung dieser
Arbeitskräfte.
Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung für Sozialpolitik und Gesundheit in der WKÖ, stellte in diesem
Rahmen das laufende WKÖ-Projekt „Der Jugend eine Chance“ vor, indem genau diesen langzeitarbeitslosen Jugendlichen
durch die Hilfe von Coaches der Arbeitseintritt erleichtert wird und sie erstmals ein Gefühl von Sicherheit
empfinden. „640 Jugendliche sind bereits in die Betriebe vermittelt worden“ lautet Gleitsmanns erfolgreiche Zwischenbilanz.
Eingehend wurde auch die Frage diskutiert, ob und wie die Vermittlung von Werten und Regeln heute stattfindet.
Die gute alte Großfamilie als Ort der Stabilität bleibt oftmals aus, Schulen werden mehr als Ort der
Konsumation angesehen anstatt als Chance etwas für sich selbst mitzunehmen. Unternehmen fühlen sich zunehmend
überfordert, die Lücken die aus diesen Bereichen entstanden sind, nachzuholen und zu füllen, obwohl
sie sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst sind.
Liegen nun die Kraftfelder der Zukunft in der Familie, dem Bildungssystem oder doch mehr in den Betrieben? Aus
den verschiedenen Beiträgen lässt sich der Schluss ziehen, dass es vor allem die richtigen Rahmenbedingungen
und die Unterstützung aller braucht - denn nur so kann es gelingen, Österreich und Europa im globalen
Umfeld des 21. Jahrhunderts nachhaltig zu positionieren! |