Gusenbauer:
Der Wohlstand muss gerecht verteilt werden
Regierung hat Kranke bestraft
Wien (sk) - SPÖ-Parteivorsitzender Alfred Gusenbauer stellte im ORF-Sommergespräch am 29.08.
Abend mit Gabi Waldner die SPÖ-Vorstellungen zur Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen, zu fairen
Steuern und zur gerechten Finanzierung des Krankenversicherungssystems in den Vordergrund. Die Entlastung im Umfang
von drei Milliarden Euro könne durch entsprechende Maßnahmen gegenfinanziert werden. "Und Gegenfinanzierung
heißt eben keine Schulden machen", betonte Gusenbauer.
Zur Finanzierung der steuerlichen Entlastung des Mittelstands erklärte Gusenbauer, dass dieses Geld erwirtschaftet
werden muss, aber auch Veränderungen nötig seien. So sollen Unternehmen, die im Ausland investieren,
nicht vom Steuerzahler subventioniert werden, denn das verstehe niemand. Gusenbauer kritisierte es weiters als
ungerecht, dass Gewinne fiskalisch bevorzugt behandelt werden. Faktum sei: "Die Gewinne sind enorm gestiegen,
aber die, die das von ihrem Steuergeld finanzieren müssen, haben Löhne von 1995." Denn aufgrund
der kalten Progression sei die Kaufkraft der Löhne und Gehälter auf dem Niveau von vor zehn Jahren. "Hier
geht es um faire und unfaire Steuern." Daher solle die Besteuerung von Gewinnen "auf ehrliche 25 Prozent
angehoben werden".
Auf einen exakten Zeitplan, bis wann welche steuerliche Entlastung durchgeführt werde, wollte sich der SPÖ-Vorsitzende
nicht einlassen - das wäre unseriös. "Denn zuerst muss einmal ein Kassensturz gemacht werden - oder
wissen Sie, welchen Budgetzustand der Finanzminister hinterlässt?", so Gusenbauer.
Regierung hat Kranke bestraft
Diese Regierung habe Kranke bestraft und die Selbstbehalte erhöht, was dazu geführt habe, dass
viele Menschen Angst vor der Zwei-Klassen-Medizin haben. "Mir ist lieber, dass jemand, der 10.000 Euro im
Monat verdient, höhere Sozialversicherungsbeiträge bezahlt, als dass eine Pensionistin mit 750 Euro im
Monat keine Medikamente mehr bezahlen kann", so Gusenbauer zur Notwendigkeit des Schließens der Solidaritätslücke
im Krankenversicherungssystem. Denn: "Jemand, der 10.000 Euro im Jahr verdient, bezahlt denselben Beitrag,
wie jemand, der 35.000 Euro verdient. Das ist nicht gerecht." Daher soll die Höchstbemessungsgrundlage
moderat angehoben werden.
Lastenausgleich zwischen Betrieben, die Lehrlinge ausbilden und jenen, die nicht ausbilden
Gusenbauer erläuterte das Modell des Lehrlingsstiftungsfonds. Konkret soll es damit zu einem Lastenausgleich
zwischen den Betrieben, die Lehrlinge ausbilden und den Betrieben, die nicht ausbilden, kommen. Ein solches Modell
werde bereits in Vorarlberg höchst erfolgreich durchgeführt. Weiters sollen durch Lehrlingsstiftungen,
die von der Regierung abgeschafft wurden, Lehrwerkstätten angeboten werden.
Als die drei wichtigsten Punkte zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nannte Gusenbauer Ausbildung und Weiterbildung,
öffentliche Investitionen sowie Investitionen in Forschung und Entwicklung. Wesentlich sei es, Maßnahmen
in die Ankurbelung der Wirtschaft zu setzen. Hier habe sogar der Wifo-Leiter darauf hingewiesen, dass die Regierung
nicht die geeigneten Maßnahmen setze.
BAWAG - Einige Ganoven haben Milliarden Euro verspielt
Bezüglich der BAWAG-Krise erklärte Gusenbauer, dass hier "einige Leute Milliarden verspielt
und verjuxt haben. Das sind Ganoven." Die finanziellen Forderungen des ehemaligen Gewerkschaftspräsidenten
Verzetnitsch jedenfalls könne kein Gewerkschaftsmitglied verstehen, ist Gusenbauer überzeugt.
Klar sei aber, dass eine schwierige Situation - und die BAWAG-Krise sei eine ganz außerordentlich schwierige
Situation - nach außerordentlichen Maßnahmen verlange. Daher sei es zu der glasklaren Entscheidung
zwischen der SPÖ und den sozialdemokratischen Gewerkschaftern gekommen, dass die Gewerkschaftsspitze nicht
mehr dem Nationalrat angehören solle, denn die derzeitige schwierige Situation der Gewerkschaft beanspruche
ihre ganze Kraft. Den Vorsitzenden der Eisenbahnergewerkschaft Willi Haberzettel könnte sich Gusenbauer allerdings
gut im Nationalrat vorstellen - dieser hatte angekündigt, nicht mehr in der dann fusionierten Transportgewerkschaft
tätig sein zu wollen.
"Pflege muss in Würde passieren"
Das Thema Pflege liegt SPÖ-Vorsitzenden Gusenbauer besonders am Herzen. "Hier geht es um die
Würde der Menschen, um Fairness in unserem Land und darum, wie wir mit der älteren Generation, die unser
Land aufgebaut hat, umgehen". Die SPÖ habe zur Pflege einen Vorschlag gemacht, der bereits eine längerfristige
Perspektive biete, so Gusenbauer. Gemeinsames Ziel müsse es sein, in Österreich ein Pflegesystem zu etablieren,
das nach folgenden Prinzipien funktioniert: "Erstens, dass wir die Menschen zuhause pflegen. Das ist das allerwichtigste,
denn sie wollen in ihrer gewohnten Umgebung bleiben". Zweitens sei es klar, dass man unterschiedliche Formen
von Pflege brauche, drittens müsse Pflege in Würde passieren.
Im Bereich der Pflege könnten viele Arbeitsplätze, für Menschen die es wollen, geschaffen werden.
"Ich bin sehr froh, dass es die Diskussion über den so genannten Pflegenotstand, gibt. Schüssel
hat versucht ihn zu verdrängen, obwohl er aus dem eigenen Umfeld hätte wissen müssen, dass Probleme
bestehen", sagte Gusenbauer.
Das Pflegegeld sei die wesentlichste Unterstützung für die Finanzierung, bedauerlicherweise sei es in
zehn Jahren nur ein einziges Mal valorisiert worden und sei heute nicht mehr dasselbe wert, wie noch 1995. "Dadurch
ergibt sich eine Reihe von Engpässen", erklärte Gusenbauer. Zur Finanzierung der Pflege legte der
SPÖ-Chef zwei Modelle auf den Tisch: Erstens, der Staat übernimmt die Pflege von jenen Personen, die
es sich selbst nicht leisten können, denn: "Wie soll sich ein Pensionistin mit 700 Euro teure Pflege
leisten können?" Oder zweitens: "Wenn, egal welches Ausmaß die Pflege annimmt, der Staat bezahlen
soll, ist eine staatliche Pflegeversicherung eine notwendige Grundlage."
Ziel ist es, dass SPÖ stärkste Partei ist
Gusenbauer stellte einmal mehr klar, dass die SPÖ die Studiengebühren abschaffen will und zum
frühest möglichen Zeitpunkt und daher zum günstigsten Preis aus dem Euro-Fighter-Vertrag aussteigen
werde. Zur Zusperrpolitik der Bundesregierung - Stichwort geschlossene Polizeiposten und Gendarmerieposten - merkte
der SPÖ-Vorsitzende an, dass durch die Realisierung der Schengengrenze 2008 3.000 Exekutivbeamte, die bisher
an der Grenze tätig waren, dann im Inland die Sicherheit verstärken werden. Zum Thema Privatisierung
sagte Gusenbauer, dass im Bereich der öffentlichen Infrastrukturunternehmungen das Maß erreicht sei.
Gusenbauers Grundposition zu Koalitionsfragen zum jetzigen Zeitpunkt ist klar. "Die SPÖ steht für
keine Koalition mit Parteien zur Verfügung, die die Verfassung missachten, die Gesetze lächerlich machen
und die die österreichischen Grundwerte nicht akzeptieren." Namentlich nannte Gusenbauer den Kärntner
Landeshauptmann Haider und das BZÖ, aber auch die FPÖ sei "um nichts besser". "Mein Ziel
ist, dass die SPÖ stärkste Partei wird und dass wir den Kurswechsel zu mehr Fairness und mehr Chancen
für unsere Kinder und Jugendliche erreichen", betonte der SPÖ-Chef. Er, Gusenbauer, habe große
Achtung vor den Wählerinnen und Wählern: "Sie entscheiden, wie stark die Parteien sind."
"Meine Mutter hat mir wichtige Werte vermittelt"
"Meine Mutter, die wie zigtausend andere Mütter in Österreich, die Politik in den 60er Jahren
mit Interesse verfolgt hat, hat mich zu einer Wahlveranstaltung mit Bruno Kreisky mitgenommen". Kreisky habe
ihn, Gusenbauer sehr beeindruckt und seine Mutter habe schon damals angekündigt, dass Kreisky einmal Kanzler
sein und es den Menschen dann besser gehen werde. "Mir hat gefallen, dass sich Kreisky um die Menschen gekümmert
hat und dafür gesorgt hat, dass es den einfachen Menschen besser geht. So habe ich beschlossen, dass ich das
auch machen will".
Seine Mutter, so Gusenbauer, sei wie viele andere Mütter in Österreich eine beeindruckende Persönlichkeit.
Sie habe immer hart gearbeitet und ihren Kindern eine gute Ausbildung ermöglicht. "Sie hat mir vor allem
Werte, die mir ganz wichtig sind, mitgegeben. Ehrlichkeit, Geradlinigkeit und, dass man sich um andere Menschen
kümmern soll", unterstrich Gusenbauer. |