Plassnik: "Der Ungewissheit mit Fragezeichen die Zuversicht mit Ausrufezeichen entgegensetzen"  

erstellt am
30. 08. 06

Außenministerin Ursula Plassnik bei den Politischen Gesprächen in Alpbach
Alpbach (bmaa) - "Das Lebendige lässt sich nicht berechnen" zitierte Außenministerin Ursula Plassnik am 28.08. Franz Kafka in ihrer Rede "Suche nach Gewissheit und Sicherheit" bei den Politischen Gesprächen 2006 in Alpbach. "Die Abwesenheit von Berechenbarkeit - als die Ungewissheit - ist in Wirklichkeit ein Lebenszeichen. Sie öffnet uns eine Tür zum gestaltbaren Raum, zu Freiheit und Verantwortung. Ungewissheit kann Ängste erzeugen und verunsichern. Sie kann aber auch als Freiheit gelesen werden, die uns daran hindert, in den Sackgassen des Lebens zu landen: Fatalismus, Niedergeschlagenheit, Zynismus und Verzagtheit", sagte Plassnik.

"Wir müssen der Ungewissheit mit Fragezeichen die Zuversicht mit Ausrufezeichen entgegensetzen", so Plassnik weiter. Gerade in Europa werde Ungewissheit vielfach als Bedrohung empfunden: "Wir sind rasch alternde, wohlhabende, mitunter übergewichtige Gesellschaften. Es ist wichtig für unsere Jugend, dass wir uns nicht von Ängsten und Ängstlichkeiten bestimmen lassen".

Als Beispiel für die Suche nach Gewissheit nannte die Außenministerin die so genannte Finalitätsdebatte, die Frage nach dem Endziel der europäischen Integration. "Es wird hier keine endgültige, keine fixe Definition geben. Europa ist vielmehr, worauf sich die Teilhaber zu einem bestimmten Zeitpunkt jeweils verständigt haben", sagte Plassnik. Das bedeute aber keineswegs, dass Europa visionslos sei. "Ganz im Gegenteil. Das Ziel ist klar: ein friedlich geeintes Europa, das frei, sicher, dynamisch und solidarisch ist", so Plassnik. Dabei handle es sich aber um eine "Vision mit Bodenhaftung", die den "täglichen politischen Alltagstest" bestehen müsse.

Dieser "politische Alltagstest" der Wertegemeinschaft Europa sei auch Teil der außenpolitischen Arbeit des österreichischen EU-Vorsitzes gewesen. "Wir haben die europäische Wertedebatte und das europäische Lebensmodell ganz handfest zum Ausdruck gebracht. Etwa bei den Stellungnahmen zur Entwicklung in Belarus, während der Karikaturenkrise, bei der hartnäckigen Arbeit an der Umsetzung der UNO-Reform, insbesondere des neuen Menschenrechtsrates, in unserer klaren Haltung zu Guantanamo", unterstrich Plassnik. Letztlich gehe es auch bei der EU-Haltung zu so komplexen Themen wie dem Umgang mit der Hamas in den palästinensischen Gebieten um Wertefragen, um die Frage nach unserem gemeinsamen europäischen Überzeugungsfundament.

Die Wertedebatte sei auch der Basso continuo auf der langen Liste der Hausaufgaben, die Europa angehen muss. Als Beispiele für die Hausaufgaben nannte Plassnik die Verfassungsdiskussion, die europäische Nachbarschaftspolitik, die Sozialpolitik, aber auch "neue" Themen wie den Umgang mit der islamischen Welt, die Migration und die Energiepolitik.

An erster Stelle der Hausaufgaben stünde aber die Vertrauensarbeit, welche die österreichische Bundesregierung zu Recht ins Zentrum ihres EU-Vorsitzes gestellt habe. "Die Bürger Europas sind die Teilhaber des europäischen Projekts. Es muss uns gelingen, dieses gemeinsame Projekt insbesondere der jungen Generation wieder näher zu bringen, Begeisterung zu wecken. Dabei geht es nicht um blinde Kritiklosigkeit. Wir dürfen aber auch nicht das Spiel der 'Negativmythen' in der EU spielen - wie etwa, dass die EU keine gemeinsame Außenpolitik habe. Gerade das europäische Engagement im Südlibanon zeigt deutlich, wie rasch und entschieden Europa gemeinsam handeln kann", unterstrich Plassnik.
 
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