Gusenbauer:
Lösung ist "Betreuung daheim"
Neuen Beschäftigungstyp schaffen - "Pflege mit Verlässlichkeit und Legalität"
Wien (sk) - SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer hat am 28.08. das Konzept seiner Partei für
eine Lösung der akuten Probleme im Pflege- und Betreuungssektor präsentiert. "Das ist ein Problem,
das den Menschen wirklich unter den Nägeln brennt", so Gusenbauer in einer gemeinsamen Pressekonferenz
mit SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures und Gerda Mostbauer, der Vorsitzenden der ÖGB-Fachgruppenvereinigung
für Gesundheitsberufe. Die SPÖ will einen eigenen Beschäftigungstyp schaffen, nämlich "Betreuung
daheim". Das ermöglicht 24-Stunden-Anwesenheit der Betreuungskraft, geblockt für zwei Wochen; darauf
folgen zwei Wochen Freizeit. Für "Betreuung daheim" soll es einen eigenen Kollektivvertrag geben,
der Entlohnung, Betreuungsleistung und sonstige Rechte und Pflichten festlegt.
Aufbauend auf das schon präsentierte Modell der SPÖ, wie man den Pflegesektor mittel- und langfristig
ausbaut, sollen mit dem heute vorgestellten Konzept, die akuten Probleme im Zusammenhang mit der illegalen Betreuungstätigkeit
von ausländischen Arbeitskräften gelöst werden. Viele zu Betreuende und die Pflegekräfte selbst
waren in den letzten Monaten mit Anzeigen konfrontiert, so Gusenbauer, mit dem Zusatz: "Wenn sie nicht im
Umfeld des Bundeskanzlers waren". Gusenbauer: "Das ist nicht in Ordnung, das ist nicht menschlich."
Voraussetzung dafür ist ein legaler Aufenthalt. Das werde gewährleistet, die Betreuungspersonen bekommen
eine Beschäftigungsbewilligung. Als Arbeitgeber fungieren dabei anerkannte Träger wie Caritas oder Volkshilfe
und auch von Gebietskörperschaften einzurichtende öffentliche Träger. Die Betreuungskräfte
sollen für zwei Wochen ununterbrochen tätig sein dürfen, anschließend mindestens ebenso lang
ununterbrochen frei haben. In dieser Zeit dürfen sie keiner anderen Arbeit in Österreich nachgehen.
Indem die anerkannten Träger als Arbeitgeber fungieren, werde die Qualitätssicherung gewährleistet
und die genaue Abstimmung auf den Bedarf der zu Betreuenden. Die derzeit illegal in der Betreuung Beschäftigten
können auf dieser Basis legalisiert werden, erläuterte Gusenbauer. Dabei werde "die Vergangenheit
pardoniert".
"Wir setzen hier einen sehr pragmatischen, für viele vielleicht undogmatischen Schritt", sagte Gusenbauer,
der betonte: "Das zeigt: Wir schieben die Probleme nicht weg. Selbst für so schwierige Probleme wie den
Pflegenotstand gibt es Lösungen. Pflege mit Verlässlichkeit und Legalität wird so ermöglicht."
Bures: Schüssel hat Probleme sechs Jahre lang ignoriert - "Die SPÖ schaut nicht weg, wir lösen
die Probleme"
SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures ging mit der Untätigkeit der Regierung Schüssel
hart ins Gericht. "Seit sechs Jahren hat Schüssel das Problem ignoriert", so Bures. Der letzte große
Schritt sei die Einführung des Pflegegelds zu Beginn der 90er Jahre gewesen, federführend von SPÖ-Sozialminister
Hesoun und Frauenministerin Dohnal verantwortet.
Dass Kanzler Schüssel von vielen Seiten auf den Pflegenotstand aufmerksam gemacht wurde - etwa durch einen
verzweifelten Brief einer 90-jährigen Frau - und ihn auch aus seiner eigenen Familie kannte, aber trotzdem
nichts getan hat, wiegt für Bures besonders schwer. Und dass Schüssel dann eine Arbeitsgruppe eingesetzt
hat, deren Leiterin, LH a.D. Waltraud Klasnik, dann gleich gemeint hat, es gebe gar keinen Pflegenotstand, hält
Bures für beschämend. "Schüssel hat die Menschen im Regen stehen gelassen."
Sie hält auch die bisher gemachten Vorschlägen von Regierungsseite für nicht akzeptabel. Egal ob
2-Euro-Jobs, Zwangsverpflichtung von Arbeitslosen oder eine Au-pair-Regelung - damit könnten die Probleme
nicht gelöst werden. Ganz anders die SPÖ: "Wir stehen für eine Politik, wo man nicht wegschaut,
sondern die Probleme anpackt."
Die Höhe des Einkommens müsse in den Kollektivverträgen ausgehandelt werden, erläuterte Gusenbauer.
Dabei sei klar, dass es insgesamt etwas teurer wird als die illegale Pflege, aber zugleich deutlich billiger als
jede derzeit legal mögliche Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Worauf es dabei ankomme, sei, dass die Pflegebedürftigen
das bekommen, was sie wollen und brauchen, und dass auch die derzeit illegal beschäftigten Arbeitskräfte
eine legale Erwerbschance erhalten. "Bisher illegale Tätigkeit kann damit legal erbracht werden",
so Gusenbauer.
Außerdem ersparen sich die Gebietskörperschaften Kosten für Pflegeheim, wenn die Betreuung zuhause
erfolgt, so der SPÖ-Vorsitzende. Den Hauptteil der Finanzierung mache unverändert das Pflegegeld aus.
Zudem soll es für niedrige Einkommen auch eine öffentliche Unterstützung geben, wenn sie sich die
Betreuung zuhause nicht leisten können. "Es ist menschlicher, es ist legaler und es ist finanzierbar",
so brachte Gusenbauer die Vorteile des SPÖ-Modells auf den Punkt.
Gerda Mostbauer, die Vorsitzende der ÖGB-Fachgruppenvereinigung für Gesundheitsberufe, begrüßte
den von der SPÖ präsentierten Vorschlag. Sie ergänzte dazu, dass auch für Betreuungsdienste
eine Einschulung notwendig ist; dies werde durch die anerkannten Trägerorganisationen auch garantiert. Das
Angebot an die zu Betreuenden und ihre Familien beinhalte auch Beratung und Qualitätssicherung.
Die Qualitätssicherung solle auch durch regelmäßige Hausbesuche sichergestellt werden. Echte Pflegeleistungen,
wie Wundversorgung, Injektionen etc., sollen weiterhin von qualifiziertem Personal gemacht werden. Den durchschnittlichen
Bedarf von diesen Leisten gab Mostbauer mit zwei bis drei Stunden pro Tag an, der von mobilen Diensten erledigt
werden kann.
Eine Verdrängung von professionellen Pflegekräften schlossen Gusenbauer und Mostbauer aus. Denn der Bedarf
an professionellen, qualifizierten Pflegeleistungen (Wundversorgung, Injektionen, Verabreichung von Medikamenten)
werde dadurch nicht berührt. |
Bartenstein: Gusenbauer schwenkt auf ÖVP-Linie ein
Lösung des Pflegethemas nur mit Legalisierung der ausländischen Pflegekräfte
möglich
Wien (övp-pd) - "Mit den heute präsentierten Vorschlägen schwenkt die SPÖ
nun weitgehend auf die Linie der ÖVP ein. Eine Lösung dieses Themas ist nur mit der Legalisierung der
ausländischen Pflegekräfte möglich", sagte Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein,
der darauf hinwies, "dass SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures ständig versucht, die
Valorisierung des Pflegegeldes unter den Tisch zu kehren".
Das Eintreten der SPÖ für die Legalisierung von ausländischen Pflegekräften sei hingegen durchaus
positiv zu bewerten: "Immerhin trat die SPÖ lange gegen eine solche Legalisierung auf. Nur mit Hilfe
der Legalisierung wird es möglich sein, eine geregelte Pflege im rechtssicheren Raum auf Schiene zu bringen",
so der Minister, der seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, "dass auch der ÖGB bei diesen Vorstößen
und Lösungsansätzen mitzieht".
Insgesamt sei das SPÖ-Modell allerdings zu wenig konkret und gehe über Überschriften kaum hinaus.
Es sei aber jedenfalls zu begrüßen, dass sich die SPÖ mit dem Thema befasse, vor allem weil in
acht von neun Bundesländern die zuständigen Sozialreferenten von der SPÖ besetzt seien und da es
einer gemeinsamen Initiative von Bund und Land bedürfe. |
Öllinger: SP-Vorschlag zur Pflegemisere greift zu kurz
Wien (grüne) - "Der Vorschlag der SPÖ zur Behebung des Pflegenotstands ist diskussionswürdig,
greift aber zu kurz. Die SPÖ bleibt nämlich die Antwort schuldig, was mit den schon jetzt im Land aufhältigen
ausländischen Pflegekräften passieren soll", reagiert Karl Öllinger, stv. Klubobmann und Sozialsprecher
der Grünen, auf Aussagen von SP-Chef Gusenbauer. Jedes Modell muss sich an der Frage messen lassen, ob es
eine Legalisierung der Pflegepersonen und eine Entkriminalisierung der Angehörigen mit sich bringt. Dazu hat
sich Gusenbauer nur undeutlich geäußert! Zweitens muss die Organisation der Betreuung unkompliziert
bleiben. Ob das nun über die von Gusenbauer favorisierte Variante oder über die von den Grünen vorgeschlagene
über das Hausangestelltengesetz erfolgt, ist sekundär.
Massive Kritik übt Öllinger an den Vorschlägen von FPÖ und BZÖ. "Deren Vorschläge
sind bisher untauglich bzw. bösartig. Wenn Westenthaler eine Au-pair-Lösung, wonach alle ein bis zwei
Wochen abgewechselt werden soll, vorschlägt, dann zeigt das nur, dass er offensichtlich keine Ahnung hat.
Auch der Vorschlag von Frau Rosenkranz, die MedizinstudentInnen anstelle der ausländischen Pflegerinnen einsetzen
will, ist weltfremd", kritisiert Öllinger und rechnet vor. Es gibt nicht einmal 2000 Medizin-StudienanfängerInnen
pro Jahr, aber 40.000 ausländische PflegerInnen. Wie soll sich das ausgehen? Außerdem: Gute ÄrztInnen
müssen keine guten PflegerInnen sein - und umgekehrt. Das sind zwei grundlegend unterschiedliche Ausbildungen!
Abgesehen davon: Wie stellt sich Frau Rosenkranz das vor? Sollen die MedizinstudentInnen statt der Pflegerinnen
24 Stunden in einem fremden Haushalt sein? |