Wien (ri) - Bilanzsumme aller Banken in Zentral- und Osteuropa wuchs 2005 um nahezu ein Drittel. Weiterhin
großes langfristiges Wachstumspotenzial, Analysten erwarten Verdoppelung bis zum Jahresende 2009. Privatkundengeschäft
boomt, Südosteuropa und GUS sind regionale Wachstumstreiber. Raiffeisen International wächst stärker
als alle anderen internationalen Banken in der Region und verfügt über das größte Filialnetzwerk.
Das ohnehin hohe Wachstum der Bankenmärkte in den Ländern Zentral- und Osteuropas (CEE) hat sich im letzten
Jahr weiter beschleunigt. Das zeigen die Analysten der Raiffeisen Zentralbank Österreich AG (RZB) und der
Raiffeisen Centrobank AG (RCB) in der neuesten Ausgabe ihres jährlichen CEE Banking Sector Report, die anlässlich
der bevorstehenden Weltbank-Tagung in Singapur präsentiert wurde. Nach einem Zuwachs von 15 Prozent im Jahr
2004 stieg die aggregierte Bilanzsumme 2005 um 31,3 Prozent auf € 846 Milliarden (2004: € 645 Milliarden). Das
ist das stärkste Jahreswachstum in der Region seit komplette Daten vorliegen. Der CEE Banking Sector Report
deckt neben Zentral- und Südosteuropa auch die Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS, für die Studie
umfassend Belarus, Russland und Ukraine) ab, die wesentlich zur Wachstumsdynamik beitrug. Auf Länderebene
wiesen die Ukraine (+ 91 Prozent), Belarus (+ 63 Prozent), Rumänien (+ 54 Prozent) und der größte
Bankenmarkt der Region, Russland (+ 51 Prozent), auf Euro-Basis den stärksten Wachstumsschub auf. Mit einem
immer noch beachtlichen Plus von knapp 15 Prozent verzeichnete Ungarn das geringste Wachstum.
Verdoppelung des Bankenmarktes bis 2009 prognostiziert
Erstmals beinhaltet der CEE Banking Sector Report auch langfristige Prognosen zur Entwicklung des Bankenmarktes.
Ein zentrales Ergebnis des neuen Prognosemodells ist, dass sich dieser bis 2009 mehr als verdoppeln soll: Von heute
€ 846 Milliarden auf über € 1.700 Milliarden zum Jahresende 2009. Für das Jahr 2014 wird ein Marktvolumen
von mehr als € 3.700 Milliarden prognostiziert, was einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von
rund 18 Prozent entspricht. Das Prognosemodell orientiert sich dabei am Verhältnis zwischen volkswirtschaftlicher
Wertschöpfung zum Anteil der gesamten Bankbilanzsummen am Bruttoinlandsprodukt.
Wachstumsraten in der GUS am höchsten
Ein weiteres Ergebnis dieser Prognoserechnung ist, dass sich die Bankenmärkte in der GUS deutlich schneller
entwickeln werden, als die Märkte in den neuen EU-Mitgliedsstaaten. Für den Zeitraum bis 2010 wird ein
durchschnittliches Wachstum von 25 Prozent pro Jahr für die GUS prognostiziert. Für Südosteuropa
sind es 16 Prozent und für Zentraleuropa 15 Prozent pro Jahr. Als Resultat daraus prognostizieren die Analysten,
dass die Gesamtbilanzsumme in der GUS im Laufe des Jahres 2008 erstmals größer sein wird als die in
Zentraleuropa.
Aufgrund der weiterhin hohen Wachstumsraten ist die Region CEE für Banken nach wie vor attraktiv. Während
das Wirtschaftswachstum auf hohem Niveau bleibt – für 2006 sind in CEE 6,1 Prozent prognostiziert, im Vergleich
zur Eurozone von 2,5 Prozent –, liegt das Wachstumspotenzial der Bankwirtschaft weiterhin bei einem Vielfachen
davon. In den letzten Jahren wuchsen die Banken im Schnitt rund dreimal so stark wie die Gesamtwirtschaftsleistung,
dieser Trend sollte sich fortsetzen.
Privatkundengeschäft ist Wachstumstreiber Nummer Eins
Der größte Wachstumstreiber ist das stark zulegende Geschäft mit Privatkunden. Die weiter
zunehmenden Einkommen für breite Bevölkerungsschichten in den Ländern der Region führen zu
einer stark steigenden Nachfrage nach Bankprodukten, sowohl nach Finanzierungen als auch nach Veranlagungen. Daher
konzentrieren sich mittlerweile fast alle in der Region tätigen internationalen Banken auf dieses aussichtsreiche
Kundensegment.
Einen regelrechten Boom gab es im letzten Jahr bei Privatkrediten. In der Ukraine stieg das an Privathaushalte
vergebene Kreditvolumen um 175 Prozent gegenüber dem Vorjahr, in Russland um 111 Prozent und in Belarus um
97 Prozent (jeweils auf Euro-Basis). Diese Wachstumsraten reflektieren den ungeheuren Nachholbedarf insbesondere
in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Aber selbst im vergleichsweise deutlich weiter entwickelten Bankenmarkt
der Tschechischen Republik erhöhte sich das Privatkreditvolumen um 41 Prozent. „Wir sehen die größte
Nachfrage in der Finanzierung von Wohnungseigentum, Autos und Konsumgütern. Es gibt hier einerseits einen
unheimlichen Nachholbedarf, andererseits wird die Nachfrage durch steigende Einkommen noch verstärkt“, so
Herbert Stepic, Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen International.
Wie groß das Zukunftspotenzial in dieser Sparte ist, lässt sich an einem Vergleich des Kreditvolumens
mit der Gesamtwirtschaftsleistung ablesen. In der Eurozone machen die gesamten Privatkredite durchschnittlich knapp
53 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Dagegen liegt dieser Wert in Zentraleuropa und Südosteuropa
bei 14,4 beziehungsweise 15,0 Prozent des BIP, in der GUS macht er lediglich 5,7 Prozent aus. „Die Regionen befinden
sich in unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungsstufen. Die großen Unterschiede bei den Wachstumsraten
zeigen das deutlich“, ergänzt Stepic.
Asset Management steht vor Boom
Die Bankkunden in CEE leihen sich aber nicht nur zunehmend mehr Geld aus, sie legen auch deutlich mehr an. Mit
wachsendem Wohlstand steigen auch die Kundeneinlagen. Wie bei den Krediten sind auch hier die Wachstumsraten in
der GUS am höchsten. In der Ukraine stiegen die Privatkundeneinlagen um 113 Prozent, in Belarus um 64 Prozent
und in Russland um 52 Prozent gegenüber dem Vorjahr (jeweils auf Euro-Basis). In Zentral- und Südosteuropa
sind die Wachstumsraten bei Kundeneinlagen mit Ausnahme von Serbien deutlich niedriger. Dies liegt unter anderem
daran, dass in diesen weiter entwickelten Märkten viele Kunden ihr Geld nicht mehr nur auf ein Sparbuch legen,
sondern vermehrt alternative Sparformen wie Investmentfonds auswählen. In vielen Ländern haben sich die
Fondsvolumina deutlich erhöht. So stiegen die gesamten Fondsvolumina im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt
in Polen von 4,1 auf 6,2 Prozent und in der Slowakei von 5,3 auf 8,4 Prozent. Für das Fondsgeschäft zeichnet
sich somit eine Boomphase ab.
UniCredit ist die größte westliche Bank in CEE
Die italienische UniCredit ist mit € 72,4 Milliarden die größte westliche Bankengruppe in CEE.
Unter den Top 3 finden sich mit Erste Bank (€ 48,7 Milliarden) und Raiffeisen International (€ 41,7 Milliarden)
zwei österreichische Institute. Unter Einbeziehung von lokalen Banken läge die im russischen Staatsbesitz
befindliche Sberbank mit einer Bilanzsumme von € 73,8 Milliarden an der Spitze. Die österreichische Bankwirtschaft
ist nach wie vor sehr stark in der Region vertreten. Unter den 16 größten Bankengruppen befinden sich
mit Erste Bank, Raiffeisen International, Hypo-Alpe Adria und ÖVAG vier österreichische Institute, und
ein fünftes, die Bank Austria-Creditanstalt, ist maßgeblich für die Steuerung dieses Geschäftsbereiches
innerhalb des UniCredit-Konzerns verantwortlich.
Raiffeisen International wächst am stärksten
Die internationalen Banken in CEE wachsen signifikant stärker als der Gesamtmarkt, was unter anderem
auf deren hohe Aktivität bei Übernahmen und Fusionen zurück zu führen ist. Die größte
Wachstumsdynamik zeigt die Raiffeisen International mit einem durchschnittlichen jährlichen Bilanzsummenwachstum
von 37 Prozent zwischen 2001 und 2005. Durch die Übernahme der HypoVereinsbank im letzten Jahr kommt die UniCredit
auf 33 Prozent und die ebenfalls bei Übernahmen sehr aktive ungarische OTP auf 22 Prozent pro Jahr.
„Wir haben seit Beginn unseres Engagements in der Region unsere Strategie, als early mover frühzeitig neue
Märkte zu erschließen, konsequent umgesetzt. Ein Resultat daraus ist, dass wir sehr profitabel wachsen“,
kommentiert Stepic die Position der Raiffeisen-Gruppe, die schon 1987 ihre erste Tochterbank in Ungarn eröffnet
und seitdem ihre Pionierrolle wiederholt unter Beweis gestellt hat.
Raiffeisen International verfügt über das größte Vertriebsnetz
Der Geschäfterfolg mit Privatkunden ist zwangsläufig stark von einer flächendeckenden Filialpräsenz
abhängig. Mit 2.629 Geschäftsstellen (Daten per Jahresende 2005 mit Beteiligungsstrukturen zum 31. August
2006) verfügt die Raiffeisen International über das größte und weitestreichende Vertriebsnetz
aller in der Region operierenden internationalen Banken. Die UniCredit folgt mit 2.373 Filialen vor der Erste Bank
mit 1.668 Geschäftsstellen. „Mehr als die Hälfte unserer Filialen befindet sich in den Märkten,
die die höchsten Wachstumsraten aufweisen. Als größte ausländische Bank in der GUS sind wir
hervorragend positioniert, um auch in Zukunft stärker als unsere Wettbewerber zu wachsen“, so Stepic.
Unter den internationalen Banken verfügen die Raiffeisen International und die UniCredit über die größte
Reichweite, sie sind in 15 Märkten der Region mit Banktöchtern präsent. Sechs Banken sind jeweils
in acht Märkten aktiv: Banca Intesa, Citigroup, ING, OTP, ÖVAG und die Société Générale.
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