Die Nationalratswahl in Österreich  

erstellt am
14. 09. 06

Wien (bmi) - Historische und rechtliche Grundlagen des Wahlrechts und ein Einblick in die Praxis rund um die bevorstehende Nationalratswahl am 1. Oktober 2006 standen auf dem Programm eines juristischen Workshops am 12.09., der von Mag. Robert Stein und Mag. Gregor Wenda, beide aus der Abteilung für Wahlangelegenheiten des Innenministeriums, gehalten wurde.

Die Eigenzuständigkeit des VfGH, die Nichtanwendbarkeit des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) und die Pflicht zur strikten Wortinterpretation wahlrechtlicher Bestimmungen sind einige Besonderheiten des Wahlrechts. "Geübte Praxis ist es auch, Wahlgesetze nicht in Form von Regierungsvorlagen, sondern als Initiativanträge einzubringen", erläuterte Robert Stein, Leiter der Abteilung für Wahlangelegenheiten, in seiner Einleitung.

Das in der österreichischen Rechtsordnung verankerte Verhältniswahlrecht wird durch eine komplexe Wahlarithmetik in der Nationalrats-Wahlordnung 1992 (NRWO) umgesetzt. Die Wahlrechtsgrundsätze des gleichen, unmittelbaren, geheimen, persönlichen, freien und allgemeinen Wahlrechts stellen die Grundlage für die ordnungsgemäße Durchführung einer Wahl dar.

Geleitet und durchgeführt werden alle Wahlereignisse – das heißt die Nationalratswahl, die Bundespräsidentenwahl, die Europawahl, sowie Volksabstimmungen und -befragungen – während einer laufenden Legislaturperiode von den anlässlich jeder Nationalratswahl neu gebildeten Wahlbehörden.

Für das gesamte Bundesgebiet wird am Sitz des Bundesministeriums für Inneres die Bundeswahlbehörde eingesetzt. Sie besteht aus der Bundesministerin für Inneres als Vorsitzender und Bundeswahlleiterin sowie 11 Beisitzern. "Die Wahlabteilung im BM.I fungiert quasi als ‚Geschäftsstelle’ für die Bundeswahlbehörde", erläuterte Gregor Wenda, stellvertretender Leiter der Abteilung für Wahlangelegenheiten. Neben der Bundeswahlbehörde gibt es auch auf Ebene der Länder, der Bezirke und der Gemeinden Wahlbehörden; Gemeinden sind vielfach nochmals in Sprengel mit eigenen Wahlkommissionen unterteilt. Insgesamt finden sich am Wahltag in Österreich ca. 15.000 Wahlbehörden.

Wer tatsächlich wählen darf, bestimmt sich nach der NRWO: Voraussetzungen sind die österreichische Staatsbürgerschaft, das vollendete 18. Lebensjahr am Wahltag und das Nichtvorliegen eines Wahlausschließungsgrundes. Wahlberechtigte werden lokal in der Wählerevidenz ihrer Hauptwohnsitzgemeinde erfasst. Vor jeder Wahl werden auf Grundlage dieser Evidenzen Wählerverzeichnisse erstellt. "Nur wer im Wählerverzeichnis steht, kann tatsächlich sein Wahlrecht ausüben", unterstrich Mag. Wenda.

Wahlwerbende Parteien kandidieren durch Einreichen ihrer Wahlvorschläge bei einer der neun Landeswahlbehörden. Abteilungsleiter Stein beschrieb die Voraussetzungen zur Einbringung von Landeswahlvorschlägen und behandelte die Rechtsfragen, die anlässlich der Besetzung der Wahlbehörden und der Vergabe der Listenplätze vor dieser Nationalratswahl zu lösen waren.

Eine der herausforderndsten Aufgaben ist die ordnungsgemäße Aufteilung der zur Vergabe gelangenden 183 Mandate. Mag. Robert Stein beschrieb die Vorgangsweise in den drei in der NRWO normierten Ermittlungsverfahren und behandelte auch die Abgabe von Vorzugsstimmen. Zu Erleichterung der Stimmabgabe wurden vom Gesetzgeber zahlreiche Vorkehrungen getroffen, so etwa durch die Einführung der Wahlkarte, die eine flexiblere Stimmabgabe im Inland, aber auch die Wahl im Ausland ermöglicht, durch die Ausgabe von Stimmzettelschablonen für blinde und stark sehbehinderte Menschen und die Einrichtung von "fliegende Wahlbehörden", die bettlägrige bzw. kranke Wahlberechtigte zu Hause oder in Krankenanstalten besuchen.

Dass der Wählerwille auf dem Stimmzettel für Wahlbehörden manchmal nicht leicht herauszufinden ist, wurde im letzten Teil des Vortrages erläutert: Nicht immer wird von einem Wähler nämlich im vorgesehenen Kreis für die wahlwerbenden Parteien ein Kreuz platziert – der Verfassungsgerichtshof hat daher Judikatur herausgebildet, welche Stimmen dennoch als gültig anzusehen sind und welche nicht.
 
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