Wien (öj) - Jetzt trennen uns nur noch wenige Tage von der Wahl am 1. Oktober und es ist absolut nicht
zu erahnen, wie das Ergebnis aussehen könnte. Immer noch sind zwei (!) Millionen Wahlberechtigte unentschlossen.
Das geht aus aktuellen Umfragen hervor, die selbst bei unterschiedlichster Anzahl der Befragten (Samples) von 500
bis 1500 derzeit nahezu gleich lauten, es geht dort und da "nur" um ein paar Prozentpunkte. Und die entscheiden
letztendlich aber massiv über die Gewichtung der Kräfteverhältnisse. Erschwerend kommt hinzu, daß
praktisch täglich irgendwelche "Enthüllungen" auftauchen, die die wahlwerbenden Parteien mehr
oder weniger erschüttern.
Die Sozialdemokratische Partei wird das große Problem BAWAG/ÖGB, das sie seit mehreren Monaten mit sich
herumschleppt, nicht los, die massiven finanziellen Schwierigkeiten des ÖGB verunsichern Stammwähler
nicht nur aus Gewerkschaftskreisen. Es gelingt der SPÖ nicht, mit ihrem Wahlprogramm effizient zum Wähler
durchzudringen, zuviel Kraft geht durch die Abwehr der massiven Vorwürfe verloren.
Die Volkspartei sieht sich zunehmend mit Vorwürfen konfrontiert, sie betreibe - ähnlich dem der SPÖ
vorgeworfenen "roten Netzwerk" - ein "schwarzes Netzwerk" rund um die BAWAG, damit verbundene
Auslandsgeschäfte und den ehemaligen VP-Obmann Josef Taus. Bundeskanzler Schüssel selbst, so der Vorwurf
der Opposition, sei auf Kosten und mit Ex-BAWAG-Chef Elsner nach Bulgarien gereist, um dort ein Riesengeschäft
einzufädeln.
Das BZÖ kämpft massiv mit der Tatsache, daß Hauptthemen, wie etwa die Ausländerfrage, beim
Wähler nicht mehr so ankommen, wie das noch bei der letzten Wahl gelungen war. Wie die Tageszeitung "Kurier"
soeben meldete, tritt die stv. Parteichefin und Justizministerin Karin Gastinger sechs Tage vor der Wahl aus dem
BZÖ aus. Sie könne sich, so wird sie zitiert, sich mit dem "ausländerfeindlichen Wahlkampf"
ihrer Partei nicht identifizieren.
Der FPÖ wird vorgeworfen, sie würde nichts umsetzen können, da sie sich entschlossen habe, in Opposition
zu bleiben. Somit sei "jede Stimme eine verlorene". Die FP-Führungsspitze wehrt sich dagegen, würde,
so heißt es, auch Regierungsverantwortung übernehmen. Aber keine einzige Partei will mit ihr zusammenarbeiten.
Die FPÖ beklagt dies als "Ausgrenzung" - und wird wohl daher in Opposition bleiben.
Die Grünen geraten zwischen den rauhen Tönen im Wahlkampf zunehmend ins Hintertreffen. Sie haben sich
auf Sachthemen konzentriert und sich aus den meisten Auseinandersetzungen zurückgehalten. Nun sieht man sich
bei stagnierenden Umfragewerten, der angepeilte Platz drei, um den es gegen die FPÖ zu kämpfen gilt,
scheint nun nicht mehr so wahrscheinlich, wie es die Parteispitze noch vor kurzem gesehen hatte.
Hans-Peter Martin, der noch nicht im Parlament vertreten ist, hat sich dem Kampf gegen Korruption, Verschwendung
von Steuermitteln bzw. deren Hinterziehung verschrieben, rechnete sicher damit, ins Hohe Haus einzuziehen. Mittlerweile
scheinen die Chancen darauf nicht sehr intakt, er sieht sich sogar mit Vorwürfen konfrontiert, er selbst habe
EU-Mittel zu Unrecht bezogen - was er heftig zurückweist.
Am Donnerstag vor der Wahl haben die Spitzenkandidaten der fünf Parteien noch einmal die Gelegenheit, die
eigenen Stammwähler zu mobilisieren, vielleicht noch andere Wählerschichten oder vielleicht sogar Unentschlossene
zu erreichen. Die Wahlbeteiligung wird zeigen, wie Österreich mit einer zunehmenden "Amerikanisierung"
des heimischen Wahlkampfes umgehen kann oder will.
Am Abend des 1. Oktober hat alles Raten ein Ende, denn um 17 Uhr MEZ wird im ORF Fernsehen bzw. Radio das Ergebnis
der ersten Hochrechung veröffentlicht. Dann wird man sehen, wie weit die Parteien am Tag danach miteinander
können oder wollen - oder auch nicht. |