Khol:
Südtirol außenpolitisches Herzensanliegen der Österreicher
Rede des NR-Präsidenten zur Schutzfunktion im Wortlaut
Wien (övp-pd) - Im Nationalrat wurde am 21.09. ein Entschließungsantrag betreffend der
Verankerung der Schutzfunktion für Südtirol in der zukünftigen österreichischen Verfassung
mehrheitlich angenommen. Wir bringen die Rede, die Nationalratspräsident Dr. Andreas Khol im Rahmen der Debatte
gehalten hat, im Wortlaut.
"Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh, dass der Außenpolitische Ausschuss die Petition der Südtiroler
Schützen, der Nordtiroler Schützen und der Osttiroler Schützen - unterstützt von 113 der 116
Bürgermeister Südtirols - in Behandlung genommen hat und heute dem Hohen Haus empfiehlt, dem Anliegen
dieser Petition Rechnung zu tragen und die Schutzfunktion Österreichs für seine Südtiroler Landsleute
bei einer Verfassungsreform in dieser Verfassung zu verankern. Ich halte das für wichtig, ich halte das für
richtig. Und, Frau Kollegin Lunacek, es wäre wirklich eine Verhöhnung von hunderttausend Unterschriften
gewesen, wenn wir heute nicht diese Petition behandeln würden, sondern sie in den Papierkorb geworfen hätten."
Anliegen Südtirol zu wichtig, um es in parteipolitischer Argumentationen herunterzuziehen
"Und ich sage noch etwas dazu: Bei jedem Schritt, den die Schützen in Ausübung ihres in
unserer Verfassung gewährleisteten Petitionsrechtes unternommen haben, hat es Unruhe in Rom gegeben. Beim
Einbringen hat es Unruhe gegeben, beim Beschließen im Unterausschuss, und auch die heutige Debatte wird mit
großem Interesse verfolgt. Hätten wir, um diese Dinge bei uns in voller Souveränität behandeln
zu können, den ganzen Weg noch einmal gehen sollen? Ich glaube, dass es richtig ist. Die Schützen haben
die Petition vorgelegt. Alle drei Parteien, die heute hinter diesem Bericht stehen, haben schon im Österreich-Konvent
diese Frage behandelt. Ich bin froh, dass der Abgeordnete Niederwieser, der Abgeordnete Wittauer und der Abgeordnete
Spindelegger einen Entschließungsantrag vorgelegt haben, und ich bitte Sie, diesem Entschließungsantrag
zuzustimmen. Ich bitte auch die Grünen, Frau Lunacek, über ihren Schatten zu springen. Das Anliegen Südtirol
ist ein viel zu wichtiges, um es in parteipolitischen Argumentationen herunterzuziehen."
Italien hat Schutzfunktion Österreichs immer beachtet
"Eines möchte ich Ihnen sagen: Die Argumentation, die Sie vorgebracht haben, dass das in Europa
gar nicht notwendig wäre, ist eine sehr gefährliche Argumentation. Die italienische Regierung hat die
Schutzfunktion Österreichs penibel beachtet, nie einen Zweifel daran gelassen, dass das Gruber-De Gasperi-Abkommen,
dass die Streitbeilegungserklärung und auch das Allgemeine Völkerrecht von der Regierung beachtet wird,
von der Regierung, wie sie derzeit in Italien regiert. Und es hat in den letzten Jahren mehrere Situationen gegeben
- die italienische Verfassungsreform zum Beispiel -, in denen es Anschläge auf die Autonomie gegeben hat,
als man eine allgemeine Ausrichtungs- und Koordinierungsbefugnis für die Zentrale einrichten wollte. Wir haben
interveniert, die Schutzfunktion hat gegriffen, und Italien hat immer darauf reagiert."
Schutzfunktion ist durch EU-Beitritt nicht obsolet geworden
"Das heißt also: Die Schutzfunktion ist keinesfalls durch unseren Beitritt in die Europäische
Union obsolet geworden. Das ist die Argumentation ganz gewisser Rechtskreise in Italien - nicht der Mehrheit -
und insbesondere des Franco Frattini, seinerzeit Justizminister, jetzt EU-Kommissar, der ein persönliches
Südtirol- Trauma zu haben scheint, der immer wieder darauf hinweist: Im vereinten Europa sei Gruber-De Gasperi
anachronistisch. Sie sagen das Gleiche. Ich sage Ihnen: Die Schutzfunktion Österreichs für Südtirol
ist nicht mehr und nicht weniger als das Gruber-De Gasperi-Abkommen, das Allgemeine Völkerrecht und die Streitbeilegung
im Jahre 1992. Das alles wahrzunehmen, das ist die österreichische Schutzfunktion. Völkerrechtlich kommt
durch unseren heutigen Beschluss kein Jota zur Schutzfunktion dazu oder von ihr weg. Es ändert sich im Völkerrecht
nichts! Innerstaatlich aber schon, Frau Kollegin Lunacek, das möchte ich schon sagen."
Verfassungsreform ist Hauptprojekt
"Erstens: Ich glaube fest daran, dass die positiv denkenden Kräfte in diesem Haus auf der Grundlage
des Berichts des Österreich-Konvents, den wir heute diskutiert haben, im nächsten Jahr wichtige Fortschritte
bei der Verfassungsreform machen können und werden. Das ist ein Hauptprojekt, wie das Bundeskanzler Schüssel
auch erklärt hat. Und wenn wir die Verfassung ändern, dann werden wir dem außenpolitischen Herzensanliegen
der überwiegenden Anzahl der Österreicher Rechnung tragen und Südtirol, unserer österreichische
Volksgruppe in Südtirol natürlich in dieser Verfassung gebührenden Raum einräumen. Und wir
werden damit nicht nur diesen symbolischen Akt setzen, sondern dadurch die Ausübung der Schutzfunktion zu
einer Verfassungspflicht jeglicher Regierung in Österreich machen. Eine Verfassungspflicht, und nicht mehr
ein Ermessen der Außenpolitik. Das ist der große Unterschied, und dieser Unterschied ist für die
Südtiroler wichtig und der Unterschied ist auch für mich wichtig."
Wir haben die Landeseinheit im vereinten Europa hergestellt
"Europa hat die Südtirol-Autonomie völlig unberührt gelassen in ihrem Rechtsbestand.
Der ethnische Proporz besteht weiter und die Schutzfunktion Österreichs besteht weiter. Europa hat aber auch
etwas Großartiges für Südtirol bewirkt: Wir haben die Landeseinheit im vereinten Europa hergestellt.
Nordtirol, Südtirol, Osttirol, sie alle können wirtschaftlich, kulturell, sozial zusammenarbeiten. Die
Brenner-Grenze ist unsichtbar geworden, sie existiert nur mehr in den Köpfen mancher. Wir sind wieder ein
Tirol geworden. Mehr brauchen wir nicht. Im vereinten Europa gibt es keine Grenzänderungen, im vereinten Europa
ist das alles nicht notwendig. Wenn jedoch einmal irgendjemand die Hand an die Autonomie legen würde, dann
steht Österreich bereit, dann wird Österreich seine völkerrechtlichen Rechte ausüben, und wir
im Parlament und auch die Bürger und Bürgerinnen dieses Landes können jede österreichische
Regierung an ihre Verfassungspflicht erinnern."
Österreich und Italien sind befreundete Länder
"Daher heute ein Dank an die Schützen, ein Dank an die Bürgermeister, die das unter Inkaufnahme
nicht weniger Risken unterstützt haben, denn es hat ja der Präfekt ein Strafverfahren gegen alle Bürgermeister
eröffnet. Es hat Vernehmungen gegeben. Die haben das riskiert, die Verfahren sind zum Glück eingestellt
worden. Ich sage noch einmal: Österreich und Italien sind befreundete Länder. Wir haben keine offenen
Probleme. Es ist unsere Souveränität, dem Herzensanliegen Südtirol in unserer Verfassung Rechnung
zu tragen. Ich bitte Sie noch einmal: Stimmen Sie alle mit! Es ist ein wichtiges Zeichen an unsere Landsleute ladinischer
und österreichischer Zunge auf der anderen Seite des Brenners. Es lebe das Land Tirol!" |
Krist: SPÖ stimmt Verankerung in die Verfassung zu
Reheis: Schüssel hat mit Berlusconi-Wahlempfehlung dieser Initiative geschadet
Wien (sk) - "Die SPÖ erachtet eine Verankerung der Schutzfunktion für die österreichische
Volksgruppe in Südtirol im Zuge der anstehenden Verfassungsreform für wichtig und stimmt daher diesem
Entschließungsantrag zu", betonte SPÖ-Abgeordneter Hermann Krist am 21.09. im Nationalrat. SPÖ-Abgeordneter
Gerhard Reheis bekräftigte, dass sich diese Schutzfunktion "nicht gegen die italienische Regierung Prodi,
aber gegen Bestrebungen unter einer Regierung Berlusconi, die Autonomie in Südtirol aufweichen zu wollen,
richtet". Reheis kritisierte, dass Kanzler Schüssel mit seiner Wahlempfehlung für Berlusconi "dieser
Initiative geschadet hat".
Reheis betonte die hervorragende Beziehung zwischen Nord- und Südtirol und dass es gerade "für uns
Tiroler wichtig ist, eine geistige Landeseinheit zu sehen", und der SPÖ-Abgeordnete begrüßte
die Mehrparteieneinigung. Für die Sozialdemokratie ist auch die Beachtung der Schutzfunktion anderer Staaten
wichtig und notwendig. Reheis kritisierte, dass "vor dem Auge der europäischen Öffentlichkeit die
Minderheitsrechte der Kärntner Slowenen mit Füßen getreten werden".
Krist betonte, dass es für die SPÖ wichtig war "mit Ruhe, Weitblick und diplomatischem Gespür
dieses sensible Thema zu behandeln". Mit diesem Entschließungsantrag "sind wir ohne Zweifel auf
dem richtigen Weg". Für den SPÖ-Abgeordneten ist es wichtig, keinesfalls alte Gräben aufzureißen
und dieses Thema verantwortungsvoll "auf Basis des Pariser Vertrags und im Geiste der Europaratskonvention
zum Schutz nationaler Minderheiten zu behandeln ". |