Was sich die Österreicher/innen von ihrer Gemeinde erwarten  

erstellt am
20. 09. 06

Österreichischer Gemeindebund präsentierte Ergebnisse einer OGM-Umfrage
Wien (gemeindebund) - Im Vorfeld des 53. Österreichischen Gemeindetages hat der Gemeindebund die Österreichische Gesellschaft für Marketing (OGM) mit einer Umfrage beauftragt, die erheben sollte, welche Erwartungshaltung die Österreicher/innen an ihre Gemeinde haben und wie hoch die Zufriedenheit mit bestehenden Angeboten und Leistungen der Gemeinde ist. Befragt wurden insgesamt 500 Personen (Zeitraum 14. und 15. September), die in Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern leben.

Aufgaben und Pflichten der Verwaltung
51 % der Befragten sind der Meinung, dass die Aufgaben und Pflichten der Verwaltung auf Gemeindeebene am stärksten zugenommen haben. 17 % meinen, dass auf dieser Ebene die Aufgaben abgenommen haben. Interessant ist, dass 40 % meinen, dass auf EU-Ebene die Anforderungen an die Verwaltung zugenommen haben. Damit liegt die EU-Ebene noch vor der Bundes- und Landesebene. 39 % glauben, dass die Landesverwaltung immer mehr zu tun hat, 33 % billigen der Bundesebene einen erhöhten Verwaltungsaufwand zu.

Gemeinden wirtschaften am besten
Sehr eindeutig ist die Antwort auf die Frage, welche dieser Ebenen am besten mit Steuergeldern wirtschaftet. 59 % meinen, dass die Gemeinde am besten und effizientesten mit Steuergeldern umgeht. Mit sehr großem Abstand kommen hier die Bundesländer (17 %) und die Bundesebene (6 %). Am wenigsten Vertrauen in den sorgsamen Umgang mit Steuergeldern haben die Menschen in die EU-Ebene. Nur 3 % glauben, dass die EU mit öffentlichen Mitteln am besten umgeht (60 % meinen, dass die EU am schlechtesten wirtschaftet).

Zufriedenheit mit Angeboten der Gemeinde
92 % der Menschen zeigen sich mit den Lebensbedingungen in ihrer Gemeinde weitgehend zufrieden. Nur 8 % äußern hier deklariert Unzufriedenheit. 90 % sind mit Wasserversorgung sowie Abwasser- und Müllentsorgung sehr oder eher zufrieden. 77 % der Befragten sind mit der Verwaltung und dem Bürgerservice in ihrer Gemeinde zufrieden. "Diese drei Bereiche geben natürlich großen Anlass zur Freude", so Gemeindebund-Präsident Bgm. Helmut Mödlhammer. "Das zeigt, dass die Gemeinden ihre Hausaufgaben machen und zur Zufriedenheit ihrer Bürgerinnen und Bürger arbeiten."

74 % zeigen sich mit dem Angebot für Freizeit und Kultur zufrieden, 71 % wissen das Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen zu schätzen, 61 % bewerten das Angebot an Hilfs- und Pflegeleistungen für ältere Menschen positiv.

Unzufriedenheit mit Arbeitsplatzangebot und öffentlichem Verkehr
Tendenziell unzufrieden sind die Menschen mit dem Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln. Hier sind 40 % deklariert unzufrieden (immerhin 51 % sind jedoch noch zufrieden) und wünschen sich eine bessere Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Den einzigen wirklichen Negativwert in diesem Bereich erreicht die Frage nach der Zufriedenheit mit dem Angebot an Arbeitsplätzen in der Region. 49 % der Menschen sind mit dem Arbeitsplatzangebot unzufrieden, nur 45 % zufrieden. "Das ist natürlich ein Alarmsignal und zeigt, dass es hier einen großen Handlungsbedarf gibt", so Mödlhammer. "Wir liegen mit unserem Motto des Gemeindetages "Arbeit sichern, Zukunft leben, Gemeinde stärken" also goldrichtig. Die Menschen wollen tendenziell auch dort arbeiten können, wo sie wohnen, wo sie den Mittelpunkt ihrer Lebenswelt haben." Hier, so Mödlhammer weiter, seien natürlich auch die Gemeinden gefordert. Interkommunale Kooperationen und die Stärkung von Klein- und Mittelbetrieben (KMU) im ländlichen Raum sind der Schlüssel zu einem dynamischen Arbeitsmarkt.

Die wichtigsten Einrichtungen in einer Gemeinde
98 % der Menschen halten die Existenz eines Lebensmittelgeschäfts in ihrer Nähe für sehr oder eher wichtig. 97 % wollen einen Kindergarten in ihrer Gemeinde. Das Vorhandensein einer Pflichtschule (95 %), eines Postamts (87%) und eines Gasthauses (81 %) sind weitere Einrichtungen, die sich die meisten Menschen in ihrer Heimatgemeinde wünschen.

Pfarrer ist den Menschen wichtiger als Höhere Schule
Interessantes Detail am Rande: 73 % der Befragten halten einen eigenen Pfarrer in der Gemeinde für wichtig, für nur 64 % ist die Existenz einer Höheren Schule von Bedeutung.

Klares Nein zur Privatisierung von Gemeindeaufgaben und zur Zusammenlegung von Gemeinden
Relativ eindeutig fällt auch die Antwort auf die Frage, ob die Gemeinden künftig mehr Aufgaben an Private auslagern sollen, aus. Nur 29 % der Menschen würden dies befürworten, 59 % lehnen die Privatisierung oder Ausgliederung von Gemeindeaufgaben ab. Ähnlich eindeutig sprechen sich die Menschen gegen die Zusammenlegung von Gemeinden aus. 57 % lehnen dies ab.

Die Forderungen des Gemeindebundes

  1. Der Masterplan für Infrastruktur im ländlichen Raum ist schnellstmöglich zu erstellen und umzusetzen. Die OGM-Umfrage zeigt deutlich, dass sowohl die harten als auch die weichen Infrastrukturfaktoren eine erhebliche Rolle im Standort-Wettbewerb spielen. Der Masterplan soll zuerst den Ist-Zustand der Infrastruktur im ländlichen Raum erheben und danach einen Soll-Zustand definieren, der sich auch, aber nicht nur an wirtschaftlichen Kriterien orientiert. Bestandteil dieses Masterplan muss auch eine Erhebung der Öffentlichen Verkehrsanbindungen sein.
  2. Die Wohnbauförderung soll zunehmend als strategisches Steuerungselement angewandt werden. Am Beispiel Niederösterreichs zeigt sich, dass die Wohnbauförderung als strategisches Mittel durchaus geeignet ist. Gemeinden mit ernsthaften Bevölkerungsrückgängen werden bevorzugt behandelt, günstiger Wohnraum zieht zwangsläufig auch Betriebe und Unternehmer an.
  3. Bessere Vernetzung der regionalpolitisch arbeitenden Institutionen. In allen Bundesländern und Regionen sind regionale Verbände und Einrichtungen aktiv. Deren Vernetzung unter einander ist noch stark verbesserungsfähig. Sinnvoll wäre die Einrichtung einer Servicestelle für Betriebsgründungen, an die sich sowohl Gemeinden als auch KMU wenden können, um die Kontakte herzustellen und zu aktivieren. Oft wissen KMU nicht, an wen sie sich bei der Auswahl ihres Standortes wenden können. Eine solche Servicestelle könnte Profile von Regionen erstellen, die darstellen für welche Art von KMU diese Region die besten Voraussetzungen bietet.
  4. Umstellung der Förderkulisse für den ländlichen Raum. Gerade für KMU gibt es viele Förderungs- und Unterstützungsmöglichkeiten. In den vergangenen Jahren und Monaten wurden viele Förderpakete geschnürt, die alle die Unterstützung von KMU zum Inhalt hatten. Wichtiger wäre jedoch das Investment in perfekte Rahmenbedingungen. KMU nehmen Direkt-Förderungen zwar gerne an, sie bieten ihnen jedoch keine langfristige Perspektive für einen bestimmten Standort. Investitionen in Infrastruktur und qualifizierte Arbeitskräfte sind dauerhaft erfolgsversprechender.


Kommunalpolitisches Highlight des Jahres in Wien:
Mehr als 2.000 Gemeindevertreter/innen tagen in Wien
Der Österreichische Gemeindetag findet im heurigen Jahr zum 53. Mal statt und ist mit mehr als 2.000 Teilnehmern die größte und wichtigste kommunalpolitische Veranstaltung Österreichs. Jedes Jahr wird er in einem anderen Bundesland veranstaltet, heuer in Wien, 2007 in Kärnten. Der Gemeindetag beginnt am Donnerstag, dem 21. September und endet am Freitag, dem 22. September. Den Teilnehmern wird dabei ein abwechslungsreiches und informatives Programm geboten.

"Gerade heuer ist dieser Gemeindetag von besonders großer Bedeutung, weil er in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Nationalratswahl stattfindet", so Gemeindebund-Präsident Bgm. Helmut Mödlhammer. "Wir werden diesen Gemeindetag natürlich dazu nutzen, um die Forderungen und Anliegen der österreichischen Gemeinden gegenüber der Bundes- und Landespolitik zu artikulieren." In den vergangenen Jahren wurden den österreichischen Gemeinden immer mehr Aufgaben zugewiesen, die finanziellen Mittel zur Erledigung dieser Aufgaben wurden nur selten angepasst. "Im Pflegebereich beispielsweise explodieren die Kosten für die Gemeinden", berichtet Mödlhammer. Im Normalfall sind die Kommunen Errichter, Betreiber und Hauptfinanzierer von Alten- und Pflegeheimen. "Wenn hier nicht schleunigst neue Finanzierungsmodelle gefunden werden, dann werden die meisten Gemeinden in wenigen Jahren finanziell handlungsunfähig sein, weil ein Großteil ihrer Budgets für Pflegekosten und Sozialhilfe verwendet werden muss", so Mödlhammer.

Ländlicher Raum als zentrales Thema
Am Gemeindetag selbst stehen die Probleme und Herausforderungen des ländlichen Raums im Mittelpunkt der Veranstaltungen. "Wir haben uns schon das gesamte laufende Jahr mit diesem Thema sehr intensiv befasst", so Mödlhammer. "Wenn Bundes- und Landespolitik nicht mithelfen, dann wird es in den kommenden Jahren sehr eng für die Bewohnerinnen und Bewohner des ländlichen Raums. Die stetige Reduktion wichtiger Infrastruktureinrichtungen und der damit verbundene Verlust an Arbeitsplätzen sind wichtige Problemfelder. Wir haben hier in den letzten Monaten schon Lösungsmodelle auf den Tisch gelegt, deren Umsetzung wir nun einfordern."

 
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