Österreich hat gewählt - die ersten Stellungnahmen  

erstellt am
02. 10. 06

Heinz Fischer hätte sich höhere Wahlbeteiligung gewünscht
"Manches" an Ergebnis überraschend - "Zügige" Entscheidung über Mandat für Regierungsbildung
Wien (hofburg) - Bundespräsident Heinz Fischer bedankt sich bei allen Wählern, die heute an der Nationalratswahl teilgenommen haben. "Ich hätte mir noch ein kleines bisschen mehr erhofft", räumte er am Wahlabend vor Verkündigung des Endergebnisses im Gespräch mit Journalisten allerdings ein, dass er sich eine höhere Wahlbeteiligung gewünscht hätte. Fischer hat sich "sehr konkrete Vorstellungen gemacht", wie er beim Auftrag zur Regierungsbildung vorgehen will. Er legt sich aber nicht fest, ob die stimmenstärkste Partei diesen Auftrag bekommen wird oder nicht. "Das Mandat für die Regierungsbildung wie auch der Zeitpunkt, zu dem der Auftrag vergeben wird, hänge vom amtlichen Endergebnis ab", sagte der Bundespräsident. Er wolle aber "zügig" entscheiden und "nichts unnötig lange zurückhalten".

Die Wahl sei wie jede Wahl der vergangenen Jahrzehnte "interessant, spannend und wichtig" gewesen. Vom Ergebnis konnte man sich "manches in groben Zügen vorher vorstellen, manches nicht", ließ er durchblicken, dass das Ergebnis, das erst in Hochrechnungen vorliegt, zumindest teilweise auch von ihm nicht erwartet worden war. (apa)

 

Gusenbauer: "Österreicher haben ihre Hoffnung in uns gesetzt"
Wahlsieg ist eine gemeinsame Leistung aller in der Sozialdemokratie – Regierungsbildung: "Je rascher, desto besser für Österreich"
Wien (sk) - "Es sieht so aus, als wenn heute das Wahlresultat ein gutes wäre." Mit diesen Worten eröffnete SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer seine Ansprache vor tausenden Besuchern, die ihm im Festzelt vor der SPÖ-Zentrale einen begeisterten Empfang bereiteten. Gusenbauer: "Ich gestehe, dass ich gerührt bin. Ich freue mich, dass ich meinen Beitrag leisten durfte. Heute ist ein guter Tag, wo ich den Eindruck habe: Am Ende siegt die Gerechtigkeit." Und weiter: "Die Österreicher haben ihre Hoffnung in uns gesetzt. Wir werden diese Hoffnung nicht enttäuschen."

Gusenbauer erinnerte daran, dass genau auf den Tag vor zwei Jahren er seine Startklar-Tour begonnen hatte. Was er in diesen zwei Jahren in den zahllosen Gesprächen mit den Österreichern gelernt hat, ist: "Die Menschen wollen mehr Fairness, mehr Gerechtigkeit und sie wollen vor allem, dass die Politik nicht nur abgehobenen Machtinteressen dient."

Der SPÖ-Chef dankte allen, die sich gemeinsam mit ihm für diesen Wahlsieg eingesetzt haben: "Das Verdienst des Sieges ist eine gemeinsame Leistung aller in der Sozialdemokratie, aller, die mit uns sympathisieren, und auch von denen, die diesmal ein Stück des Weges mit uns gegangen sind."

"Die Menschen sind der Meinung, dass Österreich ein reiches und wohlhabendes Land ist, dass dieser Wohlstand aber nicht gerecht genug verteilt ist", so Gusenbauer in der "Zeit im Bild 1". Aus Sicht Gusenbauers waren die von den Wählerinnen und Wählern gewünschten Korrekturen bei den Pensionen, im Gesundheitssystem und die Chancen für die Kinder und Jugendlichen mit einer Bildungsreform ausschlaggebend für das Ergebnis. Zu möglichen Koalitionen stellte Gusenbauer fest, dass es noch gelte, die 400.000 Wahlkarten-Stimmen abzuwarten gelte, die über das endgültige Ergebnis und die Mandatsverteilung entscheiden werden. "Es ist aber klar: Für mich gilt am Tag der Wahl, was ich am Tag vor der Wahl gesagt habe", stellte Gusenbauer fest. Die ÖVP und die Grünen seien mögliche Verhandlungspartner. Klar sei aber, dass es rasch eine neue Regierung brauche. "Je rascher, desto besser für Österreich", so der SPÖ-Vorsitzende.

Angesichts des Kriminalfalls BAWAG sei man im Frühjahr mit einer "enormen Hypothek" in die Wahlauseinandersetzung gestartet. "Ich habe aber die Hoffnung nie aufgegeben und immer daran geglaubt, dass wir am 1. Oktober die Überraschung schaffen können." Der Wahlausgang sei in erster Linie ein Erfolg der MitarbeiterInnen und SympathisantInnen. "Ich freue mich, dass uns so viele Menschen das Vertrauen geschenkt haben. Es ist zu aller erst ein Erfolg der österreichischen Sozialdemokratie und der vielen Menschen, die sich hier engagieren", hielt Gusenbauer fest.

 

Bundeskanzler Schüssel: "Nicht zum Jubeln zumute"
Wien (övp-pd) - "Ich weiß ganz genau, dass Euch nicht zum Jubeln zu Mute ist, auch mir nicht", so Bundeskanzler Wolfgang Schüssel in einer ersten Reaktion bei einer Ansprache an die zahlreichen ÖVP-Mitarbeiter und -Funktionäre im Zelt vor der Bundespartei in der Lichtenfelsgasse. Mit einem Wahlsieg rechnet er eher nicht mehr: "Es müsste ein kleines Wunder geschehen, dass sich noch etwas ändert", so der Bundeskanzler weiter.

Die Menge empfing ihn mit "Wolfgang, Wolfgang"-Rufen im Festzelt. Mit ihm auf der Bühne waren Minister und Staatssekretäre sowie ÖAAB-Obmann Fritz Neugebauer, JVP-Obfrau Silvia Fuhrmann, ÖVP-Frauen-Obfrau BM Maria Rauch-Kallat und Nationalratspräsident und Seniorenbund-Obmann Andreas Khol.

"Ich habe nie damit gerechnet", sagte der Bundeskanzler zum vorläufigen Ergebnis. Bei der Begegnung mit den Bürgern habe er ein total unagressives Miteinander registriert. "Die Menschen sind auf uns zugegangen", so Wolfgang Schüssel. Allerdings sei zu akzeptieren, "der Wähler hat immer Recht. Die Ergebnisse sind ganz knapp, so kann es sein, dass nur vier Parteien im Parlament vertreten sind, es kann auch sein, dass sich rotgrün ausgeht, wenn auch nur haarscharf", so der Bundeskanzler.

Wolfgang Schüssel bedankte sich bei der versammelten Menge für die Unterstützung, denn die Helfer hätten dem Wahlkampf viel Schwung gegeben. Anschließend gab es Lob für das "Super-Tam, für das ich auch ganz, ganz dankbar bin. Wir haben Österreich sechseinhalb Jahre mit Überzeugung geführt."

 

 Strache: FPÖ einziger echter Wahlsieger!
FPÖ bleibt drittstärkste Kraft im Lande
Wien (fpd) - "Die FPÖ ist der einzig echte Wahlsieger an diesem Abend", jubelte FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache. ÖVP und SPÖ hätten Stimmen verloren, die Grünen habe man klar auf Distanz gehalten und das BZÖ müsse weiter um den Einzug ins Parlament zittern.

Im Gegensatz zu den anderen Parteien grenze die FPÖ niemanden aus und sei für Gespräche offen. Sollten sich aber die Wahlverleirer des Abends zur großen Koalition zusammenfinden, dann werde die FPÖ eine "starke Kontrollpartei" im Parlament sein, erklärte Strache.

Der FPÖ-Bundesparteiobmann dankte allen Wählern, die der FPÖ das Vertrauen geschenkt und allen Funktionären, die den widrigen Umständen zum Trotz zur Partei gehalten und im Wahlkampf alles gegeben und damit dieses fantastische Ergebnis ermöglicht hätten.

 

Van der Bellen: Grund zum Feiern!
"Super gelaufen" - Kampf um Platz Drei noch nicht verloren
Wien (grüne) - Bundessprecher Alexander Van der Bellen wurde bei seinem Eintreffen in der Wahlzentrale der Grünen mit großem Jubel empfangen. Er sehe jeden Grund zu Feiern, rief er in Richtung seiner Anhänger. Vielleicht habe man auch nach diesem Abend einen weiteren Grund zu Feiern, verwies er auf die Möglichkeit, den dritten Platz zu erringen.

Van der Bellen dankte all jenen, die für die Grünen im Wahlkampf "gelaufen" waren, es sei alles "super gelaufen". Alle skeptischen Prognosen seien mit dem Ergebnis zunichte gemacht worden. Auch den Kampf um den dritten Platz gegen die FPÖ wollte er nicht verloren geben, er verwies auf die letzte Nationalratswahl, als nach Auszählung der Wahlkarten noch ein Mandat von den Freiheitlichen zu den Grünen gewandert war. Daher habe man vielleicht auch in acht Tagen noch einmal was zu Feiern, wenn die Wahlkarten ausgezählt sein werden.

Einen besonderen Dank richtete er an seine Stellvertreterin Eva Glawischnig, die trotz Schwangerschaft einen sehr hohen Einsatz im Wahlkampf geleistet habe. "Ihr Sohn, der kleine Benjamin, hat dadurch sicherlich Wahlkampferfahrung gesammelt", meinte Van der Bellen, bevor er sich in Richtung ORF-Zentrum am Küniglberg verabschiedete.

Glawischnig: "Grüne haben abgeräumt"
Die Grüne Vizechefin Eva Glawischnig ist rund eine halbe Stunde nach Eintreffen der ersten Hochrechnungen in der Grünen Wahlzentrale in Wien eingetroffen und wurde mit stürmischen Jubel empfangen. "Die Grünen haben abgeräumt", meinte die stellvertretende Bundessprecherin. Den Kampf um den dritten Platz gegen die FPÖ sah sie noch nicht verloren.

Glawischnig sagte vor der gesteckt vollen "Remise", sie sei überzeugt davon, dass die Grünen die zehn Prozent-Grenze auf jeden Fall überspringen werden, damit seien die österreichischen Grünen "Europameister" und ein Vorbild für viele Grüne international. Das Wahlergebnis bezeichnete Glawischnig als "ganz deutliche Abwahl der bisherigen Regierung", damit sei es mit dem "Allmachtkanzlerteam und dem Machtrausch der ÖVP" vorbei. Sie brachte ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass dies nicht nur eine Abwahl der ÖVP-Politik sei, sondern auch ein "Einstieg in ein neues Zeitalter", in welchem die Probleme der Menschen Eingang in die Politik finden.

An dem heutigen Wahltag würden die Grünen definitiv das beste Ergebnis in ihrer Geschichte holen, die Grünen werden auch in Zukunft maßgeblich die Politik in Österreich mitgestalten, aus welcher Position auch immer heraus. Der dritte Platz sei noch drinnen, meinte sie. Man werde bei jeder einzelnen Hochrechnung noch jubeln könnten, meinte Glawischnig. Jedenfalls sei das Ergebnis ein Grund zum Feiern. Die Grünen hätten es auch dieses Mal geschafft, vom Negativ-Campaigning die Leute mit Inhalten zu überzeugen.

Auch der Grüne Sozialsprecher Karl Öllinger zeigte sich vom Ergebnis begeistert, als einzigen Wermutstropfen bezeichnete er die Erfolge der FPÖ und des BZÖ. Dass der dritte Platz eventuell verfehlt werde, störe ihn persönlich nicht so sehr, meinte er. Die ÖVP sieht er abgewählt, dies sei die Quittung, für deren Politik in den letzten sechs Jahren. (apa)

 

 Barnet: "Verbleib des BZÖ im Nationalrat nicht gefährdet"
"Meinungsforscher und Politologen versuchen, BZÖ aus dem Nationalrat zu schreiben"
Wien (bzö) - Der Klubdirektor des Freiheitlichen Parlamentsklub-BZÖ und Mitglied der Bundeswahlbehörde Günther Barnet stellte zur laufenden Diskussion über die Auszählung der Wahlkarten fest, daß von den mehr als 400.000 ausgegebenen Wahlkarten nur noch rund 230.000 Wahlkarten am 9. Oktober ausgezählt würden.

"Der Verbleib des BZÖ im Nationalrat scheint nicht gefährdet zu sein, denn von den 230.000 Wahlkarten würden bereits ungefähr 750 Stimmen dem BZÖ reichen, um über der Vier-Prozent-Hürde zu bleiben. Wenn man nun bedenkt, daß allein in Kärnten über 25.000 Wahlkarten ausgegeben wurden, scheint dem Verbleib des BZÖ im Nationalrat nichts mehr im Wege zu stehen", zeigte sich Barnet überzeugt.

"Die Meinungsforscher und die Politologen agieren - wie bereits im Wahlkampf - wider besseren Wissens und versuchen, das BZÖ selbst jetzt noch aus dem "Parlament zu schreiben". Mit dieser Strategie haben sie dem BZÖ schon vor der Wahl geschadet und dies hat dazu geführt, daß viele Wähler nicht das Bündnis gewählt haben. Diese "selbsternannten Experten" sollten sich ein Beispiel am Statistiker Erich Neuwirth nehmen, der diese Sachlage seriös analysiert und die Vier-Prozent-Grenze für das BZÖ auch bei einem schlechten Abschneiden nicht gefährdet sieht", schloß Barnet.
 
Lesen Sie hier:
SPÖ gewinnt, ÖVP auf Platz 2
Vorläufiges Endergebnis der Nationalratswahl
     
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