Brüssel (eu-int) - Wie sich zeigt, steht der wirtschaftliche Aufschwung im Eurogebiet auf soliden Füßen:
Im ersten Halbjahr war ein BIP-Wachstum zu verzeichnen, wie noch nie seit sechs Jahren, so das Ergebnis des am
02.10. veröffentlichten Eurogebiet-Quartalsberichts. Die Binnennachfrage zieht endlich wieder an und ist zum
wichtigsten Wachstumsmotor geworden. Vor dem Hintergrund einer sich verbessernden Arbeitsmarktsituation und nachgebender
Ölpreise könnten sich die Wirtschaftsaussichten kurzfristig günstiger entwickeln als erwartet. Auf
längere Sicht ist jedoch mit zunehmenden Abwärtsrisiken zu rechnen. Insbesondere die Ende des Frühjahrs
zu beobachtenden Aktienmarktturbulenzen deuten darauf hin, dass sich die aus den makroökonomischen Rahmenbedingungen
resultierenden Wachstumsrisiken verstärken. Im Hauptteil des Berichts werden die Arbeitsmarktentwicklungen
im Eurogebiet beleuchtet. Fazit: Dank Strukturreformen und dauerhafter Lohnzurückhaltung konnte eine bessere
Beschäftigungsleistung erzielt werden. Jedoch ist das Potenzial des Arbeitsmarktes noch nicht ausgeschöpft.
Die Tatsache, dass die bisherigen Anstrengungen greifen, sollte dazu ermuntern, weitere Schritte in die richtige
Richtung zu unternehmen.
Mit einer annualisierten Rate von 3,4 % im ersten Halbjahr wuchs das BIP im Eurogebiet so schnell wie seit sechs
Jahren nicht mehr. Gestützt durch eine starke Zunahme privater Investitionen wurde die Binnennachfrage zur
Hauptwachstumsquelle. Angesichts des jüngsten Rückgangs der Ölpreise und der schrittweisen Konsolidierung
des Arbeitsmarktes verbessern sich auch die Perspektiven für den privaten Konsum, der in den vergangenen Jahren
eine der großen Schwachstellen der Wirtschaft im Eurogebiet war.
Trotz leicht negativer Entwicklung der Konjunkturindikatoren und eines zwar nicht mehr ganz so günstigen,
aber immer noch positiven globalen Wirtschaftsumfelds ist damit zu rechnen, dass das Wachstum im Eurogebiet auch
im zweiten Halbjahr nahe an das Potenzialwachstum heranreichen oder dieses gar übertreffen wird. Bestätigt
wird diese Einschätzung durch die von der Kommission im September veröffentlichte Zwischenprognose, in
der für das Jahr 2006 ein BIP-Wachstum im Eurogebiet von 2,5 % – also von 0,4 Prozentpunkten mehr als in der
Frühjahrsprognose – vorausgesagt wird.
Die Entwicklung der Finanzmärkte im Eurogebiet verlief im Jahr 2006 bisher allgemein positiv. Die kurzzeitigen
Turbulenzen an den Aktienmärkten in den Monaten Mai und Juni sind jedoch ein Indiz dafür, dass sich die
aus den makroökonomischen Rahmenbedingungen resultierenden Abwärtsrisiken verstärkt haben – sowohl
auf internationaler Ebene als auch auf den heimischen Märkten. International gesehen erwachsen Risiken aus
der Möglichkeit einer stärker als erwartet ausfallenden Verlangsamung des weltweiten Wirtschaftswachstums
im Kontext ausgeprägter globaler Ungleichgewichte, aus anhaltenden geopolitischen Spannungen sowie aus sehr
hohen Preisen für Vermögenswerte auf vielen Märkten. Innerhalb des Eurogebiets wird die Anfälligkeit
der Wirtschaft zusätzlich erhöht durch die zunehmende Verschuldung von Haushalten und Unternehmen.
Neuere Daten lassen darauf schließen, dass das Eurogebiet heutzutage wesentlich weniger empfindlich auf Erhöhungen
der Ölpreise reagiert, als dies zu Zeiten der Ölkrisen der 70er und 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts
der Fall war. Mehrere Faktoren spielen hier eine Rolle. Einer dieser Faktoren – der in dem Bericht analysiert wird
– ist das Recycling der von den Öl exportierenden Ländern aus dem Ölgeschäft erzielten Einnahmen
in die Öl verbrauchenden Länder. Die hohen Gewinne aus dem Ölgeschäft fließen über
zwei Kanäle in das Eurogebiet zurück: zum einen über einen Anstieg der Exportnachfrage, zum anderen
über eine Erhöhung der Kapitalinvestitionen im Eurogebiet. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass sich
beides heute positiver auf die Wirtschaft im Eurogebiet auswirkt, als dies in der Vergangenheit der Fall war.
Arbeitsmärkte im Eurogebiet: trotz beachtlicher Leistung bleibt noch viel zu tun
Der Hauptteil des Bericht ist den jüngsten Arbeitsmarktentwicklungen im Eurogebiet gewidmet. Dem Bericht zufolge
sind im Funktionieren des Arbeitsmarktes deutliche Verbesserungen festzustellen. In den letzten fünf Jahren
wurden im Eurogebiet über fünf Millionen Arbeitsplätze geschaffen. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen
der Vergangenheit ist dies eine beachtliche Leistung. Die Elastizität der Arbeitskräftenachfrage hat
dazu beigetragen, dass der Anstieg der Arbeitslosigkeit während des letzten Abschwungs eingedämmt werden
konnte und dass die Arbeitslosenquoten – trotz Erhöhung des Arbeitskräfteangebots – seit dem Frühjahr
2005 rückläufig sind. Ihre Erklärung finden diese Ergebnisse in erster Linie in den positiven Auswirkungen
der Strukturreformen und einer dauerhaften Lohnzurückhaltung. Auch die Veränderungen in der sektoralen
Struktur der Wirtschaft, namentlich die zunehmende Bedeutung des Dienstleistungsbereichs, haben die Beschäftigung
gestützt, wenngleich in geringerem Umfang.
Die positiven Ergebnisse sollten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass weitere Verbesserungen vonnöten
sind. Die strukturelle Arbeitslosigkeit ist unverändert hoch, nach wie vor handelt es sich bei einem großen
Teil der Erwerbslosen um Langzeitarbeitslose, und bei den neu geschaffenen Arbeitsplätzen überwiegen
weiterhin befristete Arbeitsverhältnisse. All dies macht es erforderlich, dass die Mitgliedstaaten ihre Anstrengungen
verstärken. |