Scharl: "Christsein geht tiefer als Nationalität"  

erstellt am
28. 09. 06

Wiener Weihbischof schilderte bei "Domgespräch" Situation der anderssprachigen katholischen Gemeinden in der Bundeshauptstadt
Wien (stephanscom) - "Christsein geht tiefer als Nationalität": Das betonte der Wiener Weihbischof Franz Scharl am Abend des 26.09. beim "Domgespräch" der Dompfarre St. Stephan zur Situation der anderssprachigen katholischen Gemeinden in Wien. Scharl ist als Bischofsvikar für die anderssprachigen Gemeinden zuständig. Er wies darauf hin, dass man Glaube nicht mit Kultur verwechseln dürfe.

In der Erzdiözese Wien bieten mehr als 30 anderssprachige Gemeinden Katholiken aus den verschiedensten Ländern eine "geistliche Heimat". Nach Schätzungen hat jeder fünfte Wiener Katholik eine andere Muttersprache als deutsch; viele dieser anderssprachigen Katholiken nehmen sowohl in der Wohnsitz- als auch in der Sprachgemeinde am kirchlichen Leben teil.

Weltkirche mitten in Wien
"Die anderssprachigen Gemeinden verstehen sich nicht als Nationalkirchen, sondern als Teil der Erzdiözese Wien, als Botschafter und Vermittler zwischen der Tradition ihrer Herkunftsländer und der Wiener Tradition", betonte Weihbischof Scharl. In seiner früheren Pfarre "Auferstehung Christ" hatte die stark wachsende englischsprachige afrikanische Gemeinde Aufnahme gefunden. Das Zusammenleben sei nicht frei von Schwierigkeiten, aber, es gebe "positive Lernprozesse", so Scharl. Wichtig sei eine gegenseitige Wertschätzung und Akzeptanz, die von beiden Seiten kommen müsse.

Im Sinn der Katholizität der Kirche gelte das Bild von "Einheit in Vielfalt" und "Vielfalt in Einheit", die anderssprachigen Gemeinden seien "Weltkirche mitten in Wien". Scharl rief dazu auf, diese Gemeinden nicht als Fremdkörper zu sehen, sondern als Bereicherung. "Diese Menschen sind kein exotischer Aufputz für Pfarrfeste, sondern repräsentieren die Vielfalt der Kirche und sind Ansporn, sich mit den verschiedenen Traditionen auseinander zu setzen, stellte der Wiener Weihbischof klar.

Voneinander lernen
Als erste Anlaufstellen für die Hilfe zur Bewältigung des Lebens in der Fremde würden die Gemeinden auch einen wichtigen Beitrag zur Integration von Migranten leisten, sagte Weihbischof Scharl beim "Domgespräch". Ziel sollte die Integration bei gleichzeitiger Bewahrung der eigenen Identität sein, betonte Scharl: "Zwischen den beiden Extremen totale Anpassung und totale Ablehnung gibt es den Weg, voneinander zu lernen". Dabei sei es wichtig, unterschiedliche Wertvorstellungen gegenseitig zu akzeptieren. Unbedingt notwendig für eine funktionierende Integration sei allerdings die Kenntnis der deutschen Umgangssprache, "weil sonst Türen verschlossen sind", sagte der Weihbischof: "Wenn man einander nicht versteht, gibt es meistens große Ängste".
 
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