Resonanzkatastrophen in der DNA lösen Krebs und Strahlenschäden aus
Innsbruck (universität) - Jeder feste Gegenstand hat eine Eigenfrequenz. In diesem Takt schwingt
er am liebsten. Das gilt für eine Gitarrensaite oder eine Brücke. Es trifft auch auf die großen
Moleküle zu, die unseren genetischen Lebenscode beinhalten. Innsbrucker Ionenphysiker unter Leitung von Univ.
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Tilmann Märk erforschen Resonanzkatastrophen in unseren Lebensbausteinen. Das Team
liefert fundamental neue Erkenntnisse für die Entstehung von Krebs und Strahlenschäden. "The Journal
of Chemical Physics" und das "Virtual Journal of Biological Physics Research" berichteten vor kurzem
über diese Forschungen.
"Wer jetzt im Herbst Äpfel vom Baum schüttelt, ist mitten in einem Resonanz-Phänomen. Das Schütteln
- im richtigen Rhythmus zugeführte Energie - versetzt die Äpfel in Schwingung, bis ihre Stängel
brechen und sie vom Baum fallen", erklärt A.-Univ.-Prof. Dr. Paul Scheier vom Forschungsteam. Im Mikrokosmos
unserer Lebensbausteine laufen ähnliche Ereignisse ab. So wie eine Gitarrenseite reißt oder eine Brücke
einstürzt, wenn sie zu stark zum Schwingen angeregt wird, bricht auch unsere DNA bei gewissen Resonanzen.
Solche Resonanzen treten bei ionisierender Strahlung auf und werden als resonante Anlagerung von langsamen Elektronen
bezeichnet. Zum Beispiel bei Röntgenstrahlung oder Radioaktivität wird im Gewebe eine immense Zahl an
Elektronen entlang der Spur der hoch-energetischen Strahlung erzeugt und attackiert in weiterer Folge unsere DNA.
Dies verursacht Strahlenschäden, die zum Zelltod oder Zelldefekten und Krebs führen. Die Forscher des
Bereiches Ionenphysik am Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik der Leopold-Franzens-Universität
Innsbruck unter Leitung Märks haben in mehreren Experimenten nachgewiesen, dass die zerstörerische Wirkung
schneller, hochenergetischer Strahlung auf Bestandteile unserer DNA zum Großteil durch Reaktionen einer Vielzahl
von langsamen, niederenergetischen Elektronen verursacht wird. Zahlreiche dieser Elektronen werden von ionisierender
Strahlung in biologischem Gewebe erzeugt.
Das Team hat in einer selbst entwickelten Apparatur Fructose, sowie Furan und Tetrahydrofuran - in Aufbau und Struktur
dem Zucker unserer DNA ähnlich (Deoxyribose, welche bereits früher in Innsbruck untersucht wurde) - und
die Nukleobasen Adenin und Thymin bestrahlt. "Wir haben herausgefunden, dass Zuckermoleküle besonders
empfindlich auf langsame Elektronen reagieren. Sie spielen bei der Entstehung von Strahlenschäden eine aktive
und wichtige Rolle", erklärt Scheier. Da das Rückgrat der DNA Doppelhelix aus Zucker und Phosphat
besteht verursacht eine Resonanz die zum Zerfall dieses Zuckermoleküls führt einen so genannten Strangbruch,
der unter Umständen zu Mutationen oder Zelltod bewirkt.
Die Forscher haben auch den genauen Mechanismus entdeckt, wie DNA-Basen durch sehr langsame Elektronen geschädigt
werden. Trifft hochenergetische Strahlung auf die Moleküle von Adenin und Thymin lagert sich ein langsames
Elektron an. Ein Wasserstoffatom spaltet sich dadurch ab und die Moleküle der DNA-Basen zerbrechen. "Durch
das Verwenden von speziell markierten Molekülen, bei denen an einer Position ein Wasserstoffatom durch eine
Methylgruppe ersetzt wurde, konnten wir für vier verschiedene Moleküle alle Resonanzen ganz bestimmten
Schwingungsmoden der Moleküle zuordnen die aufgrund des zusätzlichen Elektrons angeregt wurden."
Langsame Elektronen spalten also nicht nur einfach resonant eine einzelne Bindung sondern hinterlassen oftmals
ein stark schwingendes Bruchstück zurück. Die Ergebnisse zeigen, dass selbst in der Doppelhelixstruktur,
aber besonders während der Zellteilung, langsame Elektronen das Potenzial haben, die Makromoleküle, die
den genetischen Code für das Leben beinhalten, effektiv zu schädigen", so der Wissenschaftler.
Wechselwirkungen zwischen Elektronen und Bausteinen des Lebens - damit ein Brückenschlag zwischen Physik und
Medizin - sind ein wichtiger Schwerpunkt des Bereiches Ionenphysik am Institut für Ionenphysik und Angewandte
Physik in Innsbruck. Zusammen mit früheren Ergebnissen liefern die drei soeben erschienenen Publikationen
in "The Journal of Chemical Physics", die aufgrund ihrer großen interdisziplinären Bedeutung
auch ins "Virtual Journal of Biological Physics Research" aufgenommen wurden, nun erstmals ein komplettes
Bild, welche molekularen Vorgänge beim Bestrahlen von isolierten Bausteinen des Lebens ablaufen. Dieses Wissen
kann einerseits für die Vermeidung von Strahlenschäden nützlich sein. Es kann aber auch bei der
Behandlung von Krankheiten mit Strahlentherapie helfen, schädliche Nebeneffekte zu minimieren.
Das Team hat in enger Zusammenarbeit mit Prof. Illenberger von der Freien Universität Berlin, Prof. Matejcik
von der Comenius Universität Bratislava, Slowakei und Prof. Burrow von der University of Lincoln, Nebraska
in den USA seit drei Jahren an diesen Experimenten gearbeitet. Finanziert wurden diese Forschungen vom Fonds zur
Förderung der Wissenschaftlichen Forschung (FWF) und durch mehrere europäische Netzwerke. |