Politische Mobilisierung in Mitteleuropa erstmals umfassend erforscht  

erstellt am
03. 10. 06

44 Wissenschaftler aus 13 Ländern präsentieren Ergebnisse
Wien (oeaw) - Erstmals wurde die Geschichte der politischen Mobilisierung in Mitteleuropa umfassend erforscht. In der sozial und kulturell sehr unterschiedlichen Habsburgermonarchie - die den Großteil des heutigen Mitteleuropa umfasste - lief diese Mobilisierung dennoch ähnlich ab. Sie begann intensiv ab 1848 in Vereinen sowie lokalen Organisationen und wurde vor allem von der lokalen Presse angekurbelt. Das war die Basis zur Entstehung späterer Parteien. Dies zeigt die Kommission für die Geschichte der Habsburgermonarchie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erstmals in einem neuen, zweibändigen Buch auf.

"Vereine und Parteien sowie eine überraschend moderne Presselandschaft waren die ´Schule`, in der die Bürger in allen Teilen der Habsburgermonarchie lernten und übten, was sie in der großen Politik brauchten. Aus den Vereinsleitungen und den Redaktionsstuben kamen die Aktivisten. Sie trugen jenen epochalen Wandel, der aus dem traditionellen bürokratischen Feudalstaat den bürgerlichen Volksstaat formte. Die Entwicklung der Parteienlandschaft lief in den sehr unterschiedlich entwickelten Gebieten der Monarchie ähnlich ab. Diese Vorgänge genau zu verstehen, liefert uns ein tiefes Verständnis der heutigen Zivilgesellschaften in Mitteleuropa", erklärt Peter Urbanitsch von der Kommission. Die beiden Teilbände des Reihenwerkes "Die Habsburgermonarchie 1848-1918" von Band VIII "Politische Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft" mit nicht weniger als insgesamt 2800 Seiten werden in rund zwei Wochen, am Mittwoch, den 11. Oktober 2006 im Großen Festsaal der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien, Dr. Ignaz-Seipel-Platz 2, um 18.00 Uhr präsentiert.

"Die Habsburgermonarchie lag auf dem für den Vielvölkerstaat schwierigen Weg vom Konstitutionalismus zur Fundamentaldemokratisierung zwar nicht im Spitzenfeld, aber auch nicht am Ende der gesamteuropäischen Entwicklung", fasst der Obmann der Kommission, Helmut Rumpler, die Ergebnisse beider Teilbände zusammen. Dem Fazit der insgesamt 44 beteiligten Historiker aus 13 Ländern aus Österreich und den Nachfolgestaaten der Monarchie liegen langjährige Forschungen zu Grunde. Insgesamt wurden 3.200 Zeitungen und Zeitschriften der Monarchie, die zwischen 1848 und 1918 in 13 Sprachen erschienen, seit 1998 analysiert. 2.800 Vereine und vereinsähnliche Organisationen aus allen Teilen der Habsburgermonarchie wurden untersucht. Sie sind in einem eigenen Verzeichnis in der Publikation aufgeführt.

Zur politischen Mobilisierung in Mitteleuropa zwischen 1848 und 1918 gab es bisher keine umfassende Forschung, die Vereine, Parteien und Presse in einem Bündel analysierte. Bisher gab es lediglich einzelne Untersuchungen. Diese wissenschaftliche Lücke füllt die Kommission für die Geschichte der Habsburgermonarchie unter Leitung von Helmut Rumpler nun mit ihrer umfangreichen Forschungsarbeit. Sämtliche Formen politischer Mobilisierung durch Vereine, Parteien, Interessensverbände und durch die Presse werden in diesem achten Band der Reihe "Die Habsburgermonarchie 1848-1918" im Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften beleuchtet. Der erste Band dieser Reihe erschien 1973, drei weitere sind bis zum Abschluß der Reihe geplant. Die Kommission selbst arbeitet über ihr internationales Netzwerk mit 80 Wissenschaftlern aus 14 Ländern zusammen. Neben dem Reihenwerk zur Monarchie laufen derzeit mehrere Forschungsprojekte.

Publikationen:
RUMPLER, Helmut - URBANITSCH, Peter (Hg.)
Die Habsburgermonarchie 1848-1918. Band VIII: Politische Öffentlichkeit und
Zivilgesellschaft
Teilband 1: Vereine, Parteien und Interessensverbände als Träger der
politischen Partizipation
Teilband 2: Die Presse als Faktor der politischen Mobilisierung
http://verlag.oeaw.ac.at/
http://www.oeaw.ac.at/habskomm
 
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