20. Oktober bis 12. Jänner 2006 im Ringturm
Wien (städtische) - Die Veranstaltungsreihe "Architektur im Ringturm" präsentiert
Klöster aus Mitteleuropa (Österreich, Tschechien, Polen, Slowakei, Ungarn, Slowenien). Die Ausstellung
versteht sich als Beitrag zu einer Weitung der Sicht auf die gemeinsame Geschichte und Kultur Mitteleuropas. Sie
vermittelt anhand zahlreicher Fotos von Prof. Gerhard Trumler und einer einfühlsamen historischen Begleitung
die Faszination der Grenzenlosigkeit und Zeitenlosigkeit der mitteleuropäischen Klosterwelt. An der Architektur
und künstlerischen Ausstattung gerade der Klöster wird dieses grenzenlose Europa sichtbar. Künstler
wie Auftraggeber agierten international - somit sind die Klosterbauten auch Zeugnisse einer großen grenzenlosen
Kunstlandschaft.
Die mitteleuropäische Klosterwelt kann mit einem Netz verglichen werden, das sich über den gesamten Raum
erstreckt, ohne Staats- und Landesgrenzen zu unterbrechen - vielmehr werden die nationalen Grenzen durch dieses
Netz überdeckt. Beeinflusst von den jeweils herrschenden Umständen war dieses Netz stets starken Veränderungen
unterworfen. Unbeschadet aller politischen Entwicklungen hat es die Jahrhunderte in immer anderer Form überdauert,
seine Grundstruktur jedoch niemals verloren. Zwar sind immer wieder Klöster aufgelassen worden oder aus einem
anderen Grund abgekommen, dafür wurden aber neue gegründet; und bestimmte Häuser können heute
überhaupt auf eine mehr als tausend Jahre zurückreichende Geschichte verweisen. Dadurch werden die Klöster
zu wahren Symbolen für Grenzenlosigkeit und Zeitenlosigkeit.
Die Klöster haben die Entwicklung von Religion, Politik und Kultur in der Geschichte Mitteleuropas wesentlich
mitgeprägt. Sie sind immer schon Institutionen gewesen, die relativ unabhängig von Staats- und Landesgrenzen
gedacht und agiert haben. Dieser Umstand kam schließlich in vielfacher Form - kulturell, geistig und wirtschaftlich
- zum Ausdruck. Am eindrucksvollsten zeigt sich dies an den heute vielfach noch erhaltenen Bauwerken, die von internationalen
Künstlern ausgestattet wurden. Durch die Präsentation von Bauwerken unterschiedlicher Orden aus verschiedenen
Ländern nebeneinander wird es möglich, kunsthistorische Zusammenhänge visuell leicht erfahrbar zu
machen.
Der Fotograf Gerhard Trumler hat sich die letzten zwei Jahre auf die Reise durch die Nachbarländer Österreichs
gemacht und die Faszination der Grenzenlosigkeit und Zeitenlosigkeit der mitteleuropäischen Klosterwelt in
eindrucksvollen Bildern eingefangen. Gezeigt werden Aufnahmen von in Österreich vielfach noch unbekannten
Klosterbauten, die jedoch in Ausmaß und Ausstattung durchaus mit den großen österreichischen Stiften
verglichen werden können. Die Ausstellung öffnet somit das Tor in eine oft noch unbekannte Welt, die
wieder entdeckt werden will: seien es die großen schlesischen Zisterzienserstifte, wie etwa Lubiaz mit der
längsten Klosterfassade Europas (242 m), oder die imposante Kirche des aufgelassenen Benediktinerstiftes Kladruby
in Böhmen, die im Zeitalter des Barock gotisch gestaltet wurde, oder das ungarische Nationalheiligtum der
Erzabtei von Pannonhalma bei Gyõr.
Thematische Schwerpunkte
Ein Schwerpunkt ist den Anfängen des Klosterwesens der Benediktiner in Böhmen und Ungarn gewidmet.
Geprägt wurden diese von der Gestalt des hl. Erzbischofs Adalbert von Prag, der wesentlich an der Gründung
der Abteien von Brevnov in Böhmen und Pannonhalma in Ungarn beteiligt war. Von diesen beiden ging die Gründung
sämtlicher weiterer Klöster in den böhmischen Ländern und Ungarn aus; auch heute noch sind
sie Zentren des benediktinischen Mönchtums dieser Bereiche.
Ende des 11. Jahrhunderts entstanden neue Reformorden wie Zisterzienser und Prämonstratenser. Sie schufen
erstmals internationale, grenzübergreifende Strukturen, die intensive kulturelle, geistliche und wirtschaftliche
Beziehungen der Klöster untereinander zur Folge hatten. Dem entsprechend eng sind die architektonischen Bezüge
der Zisterzienserbauten dieser Zeit zueinander. Deutlich wird dies etwa an der Bedeutung Strahovs in Böhmen
für die Verbreitung der Prämonstratenser in Böhmen, Mähren und Niederösterreich, oder
von Heiligenkreuz für die Zisterzienser in Niederösterreich und Ungarn. Man könnte diese Orden durchaus
als erste große internationale "Konzerne" sehen. In der Ausstellung werden zahlreiche Klöster
dieser Orden in ihrer Beziehung zu einander gezeigt. Dabei kann man richtige kleine Schätze entdecken, wie
etwa ein steinernes, romanisches Lesepult aus dem frühen 13. Jahrhundert aus Osek in Nordböhmen.
Die Zisterzienser waren auch für die Besiedelung und Kolonialisierung Europas von großer Bedeutung.
Als Beispiel werden die schlesischen Klöster des Ordens gezeigt, deren eindrucksvolle Gebäude heute noch
erhalten sind. Besonders imposant ist eine Aufnahme des Kircheninneren von Lubiaz, das nach 1945 seiner prächtigen
barocken Ausstattung beraubt wurde und heute ganz leer steht. Ein besonderer Reiz entsteht durch die Gegenüberstellung
von Bildern der Zeit davor noch mit der vollen Ausstattung, unter anderem dem berühmten Chorgestühl,
das vom Wiener Bildhauer Matthias Steinl geschaffen wurde. Dieses ist auch ein Beispiel dafür, wie international
auch die Kunstszene bereits im Mittelalter und der frühen Neuzeit agierte.
Ebenfalls im ausgehenden 11. Jahrhundert entstand der sehr beschaulich lebende Orden der Kartäuser. Dieser
hatte die Verbindung von Einsiedlertum und Gemeinschaftsleben zum Ziel, was auch in der Architektur ihrer Klöster,
sog. "Kartausen", zum Ausdruck kommt. Es handelt sich nicht um geschlossene Baukomplexe, sondern um einzelne
Einsiedlerhäuschen, die durch einen Gang mit der Kirche verbunden sind. Dadurch kann jeder Mönch sein
einsames Leben führen und sich mit den anderen in der Kirche zum Gebet treffen. Zu den eindrucksvollsten noch
erhaltenen Klöstern dieser Art gehört die Kartause Gaming in Niederösterreich, oder die Ruinen der
ältesten Kartause des hl. Römischen Reiches, in Zice in Slowenien.
Etwas im Kontrast dazu stehen die Bauten der Bettelorden, die aus dem Gegensatz zum Reichtum der Kirche ab dem
13. Jahrhundert entstanden sind. Deren Bauten waren zweckmäßig und entsprechend ihrer umfangreichen
Predigttätigkeit für große Volksmassen konzipiert. Als Beispiele sind u. a. zu sehen einer der
schönsten mittelalterlichen Innenräume Ungarns, der Kapitelsaal der Franziskaner in Sopron aus dem 14.
Jahrhundert, sowie die Kirche der Dominikaner in Ptuj in Slowenien.
Im Spätmittelalter ergab sich bei Benediktinern und Augustiner-Chorherren ein akuter Reformbedarf durch diverse
Missstände in deren Klöstern. Stellvertretend für die großen daraus entstandenen Reformbewegungen
stehen Roudnice in Böhmen, Krakau in Polen und Klosterneuburg in Niederösterreich. Von Roudnice gingen
im 15. Jahrhundert wesentliche Impulse zur Reformierung Klosterneuburgs und der Gründung von österreichischen
Klöstern wie Dürnstein aus.
Wie wenig Grenzen bedeutsam waren, zeigt sich besonders deutlich an der Rolle böhmisch-mährischer, schlesischer
und österreichischer Klöster bei der Wiederbesiedelung ungarischer Abteien im 18. Jahrhundert. Hier waren
im 16. Jahrhundert alle Klöster im Gefolge der Auseinandersetzungen zwischen Habsburgern und Osmanen abgekommen.
Nach deren Zurückdrängung und der Rückeroberung Ungarns entstanden nun mit fremder Hilfe zahlreiche
Klöster wieder. Csorna bei Gyõr beispielsweise wurde zuerst durch das niederösterreichische Pernegg
und wenig später vom mährischen Hradisko wieder aufgebaut. Besonders eindrucksvoll sind Aufnahmen aus
der romanischen Krypta von Louka bei Znojmo in Mähren, kaum eine Stunde von Wien entfernt. Nicht fehlen darf
natürlich die repräsentative Rolle, die viele Klöster im Zeitalter des Barock spielten. Kaiserzimmer
in Klosterneuburg, der Fürstensaal in Lubi¹¿ in Polen und auch die berühmte Aula Leopoldina
in Wroc³aw in Polen manifestieren gleichsam ihre Verbindung zum Herrscherhaus.
Ausstellung: Alle vorkommenden Klöster werden geschichtlich und kunsthistorisch vorgestellt, ergänzende
Karten ermöglichen die einfache Orientierung über ihre heutige Lage. Zusätzlich besteht die Möglichkeit,
über Computerterminals auf ein virtuelles Archiv der mitteleuropäischen Klöster zuzugreifen. Hoch
aufgelöste Aufnahmen von öffentlich nicht zugänglichen Urkunden wie der Gründungsurkunden von
Göttweig (1083), Brevnov/CZ (993) oder Pannonhalma/H (996), insgesamt 20.000 Stück, können so besichtigt
werden und beliebige Zusammenhänge selbst recherchiert werden.
Katalog: Joachim Angerer, Thomas Aigner, Gerhard Trumler: Klöster im Herzen Europas. Grenzenlos- Zeitenlos
(Wien 2006, Verlag Christian Brandstetter); Preis: Euro 49,90.-
Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag: 9.00 bis 18.00 Uhr, freier Eintritt (an Feiertagen geschlossen) |