Blecha
- Menschen haben Anspruch auf Lebensqualität und Würde
Wien (sk) - "Wir haben zu begreifen, dass Menschen im Alter einen Anspruch auf Lebensqualität
und Würde haben", so der Vorsitzende des PVÖ, Karl Blecha, im Rahmen der Enquete Pflege und Betreuung.
"Pflege ist ein Grundrecht", betonte Blecha. Vorrangig sei, dass man eine Debatte abwehre, die sich rein
auf Kosten und Lasten beschränke, vielmehr müsse man erkennen, dass an den Bedürfnissen der Älteren
kein Weg vorbei führe. Ähnlich argumentierte die Wiener Stadträtin für Soziales, Renate Brauner:
"Ich ärgere mich maßlos, wenn von der 'Problematik des Älterwerdens' gesprochen wird. Dass
die Menschen älter werden ist eine der größten medizinischen und gesellschaftlichen Errungenschaften."
Gerade in Wien versuche man mit einem vielfältigen Angebot auf die unterschiedlichen Bedürfnisse älterer
Personen zu reagieren. Der stellvertretende Klubdirektor des SPÖ-Parlmanentsklubs, Johannes Schnizer, präsentierte
Lösungsvorschläge, um illegal erbrachte Pflegeleistungen zu legalisieren.
Blecha: Pflegebereich braucht langfristige Lösungen
Blecha bemerkte, dass die Zahlen der Statistik Austria zeigen würden, dass die Anzahl der Hochbetagten
in den nächsten Jahren massiv steige. Bis zum Jahr 2035 werde die Zahl der 75- bis 85-Jährigen von 400.000
auf eine Million steigen, die Anzahl jener Personen, die älter als 85 werden, wird auf eine halbe Million
anwachsen. Deshalb brauche man langfristige Lösungen, so Blecha. Er sei deshalb auch sehr froh, dass das Thema
der Pflege jetzt, nach Ende des Wahlkampfes, erneut thematisiert werde.
Derzeit würden 5,6 Prozent der österreichischen Gesamtbevölkerung Unterstützung benötigen.
In Österreich habe man bereits zu Beginn der 90er Jahre einen ersten bedeutenden Schritt mit der Einführung
des Pflegegeldes gesetzt, doch Pensionen und Pflegegeld würden nicht mehr ausreichen, um die Kosten zu decken.
Der Pflegeaufwand werde auf zwei Milliarden Euro geschätzt, 80 Prozent der Arbeit werde in Familien geleistet,
so Blecha. Nicht vergessen dürfe man dabei, dass diese Arbeit vorrangig weiblich sei. Mit den gestern vom
Seniorenrat vorgestellten Forderungen sei eine Diskussiongrundlage geschaffen, um die Situation für Pflegende
und zu Pflegende zu verbessern.
Brauner: Wien setzt auf vielfältige Betreuungsmodelle
Brauner wies in ihrem Referat darauf hin, dass man nicht von 'den Alten' sprechen könne, genauso wenig
wie von 'der Pflege'. "So bunt und vielfältig wie die ältere Generation ist, so bunt und vielfältig
müssen die Lösungsvorschläge sein", hielt Brauner fest. Um den individuellen Bedürfnissen
gerecht zu werden, habe man sich im Wiener Pflegekonzept auf fünf Grundprinzipien geeinigt.
Der erste Punkt sei, so Brauner, dass im Mittelpunkt der Mensch stehe. "Dies gilt nicht nur für die zu
pflegenden Personen, sondern auch für die Mitarbeiter im Pflegebereich", unterstrich Brauner. Zum Zweiten
brauche es eine bedarfsorientierte langfristige Planung und drittens sei es wichtig, dafür sorgen, dass die
ambulante Betreuung einen Vorrang vor der stationären haben müsse, denn "die Menschen möchten
zu Hause bleiben". Des weiteren müssten flexible Modelle geschaffen werden, wie beispielsweise Kurzzeit-
oder Übergangspflegeeinrichtungen. Besonders für Wien sei es von großer Bedeutung, dass große
Pflegeeinrichtungen von kleineren Einheiten abgelöst würden.
Zur Finanzierung der Pflege merkte Brauner an, dass die jährlichen Ausgaben der Stadt Wien rund 600 Millionen
Euro betragen würden. "Man sieht, dass hier die Kommunen an ihre Grenzen stoßen", so die Sozialstadträtin.
Langfristig müsse man daher die Gesundheitsfinanzierung auf neue Beine stellen, die Beitragsgrundlage müsse
erhöht und verbreitert werden und es brauche eine solidarische staatliche Finanzierung der Pflege.
Schnizer: SPÖ fordert neues Beschäftigungsmodell "Betreuung daheim"
"Legale Pflege ist an sich möglich, jedoch meist nicht leistbar", konstatierte Schnizer.
Deshalb habe sich ein Schwarzmarkt etabliert, der im Interesse beider Seiten sei. Für Pflegebedürftige
sei so eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung gewährleistet, für die Pflegenden sei es möglich, ihre wirtschaftliche
Situation im Vergleich zu den Einkommensmöglichkeiten in ihren Heimatländern massiv aufzuwerten. "Allerdings
darf das Wirtschaftgefälle zu unseren Nachbarstaaten nicht einen Rückfall in das Dienstbotenzeitalter
führen", betonte der stv. Klubdirektor.
Die SPÖ habe daher einen Vorschlag erarbeitet, um die illegale Pflege zu legalisieren. Mit der Schaffung eines
neuen Beschäftigungstypus "Betreuung daheim" sei es möglich, kollektivvertragliche Regelungen
zu treffen, und als Arbeitgeber könnten öffentliche Einrichtungen und Gemeinnützige Träger
fungieren. Änderungen brauche es allerdings im Ausländerbeschäftigungsrecht, im Fremdenrecht, in
der Arbeitsvermittlung, im Arbeitsrecht, im Sozialversicherungsrecht, im Berufsrecht und die Finanzierung müsse
umstrukturiert werden. "Es ist klar das dies mehr kostet", so Schnizer. Wie Brauner forderte Schnizer
ein solidarisches Finanzierungsmodell zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, die Einrichtung eines Pflegefonds
und Anpassungen im Einkommenssteuergesetz bezüglich der Vorschriften über außergewöhnliche
Belastungen. |