Österreich hat gewählt / Koalitionsbildung  

erstellt am
11. 10. 06

Bundespräsident Dr. Heinz Fischer erteilt Dr. Alfred Gusenbauer den Auftrag zur Regierungsbildung
Wien (hofburg) - "Sehr geehrter Herr Dr. Gusenbauer!
Unter Bedachtnahme auf das Ergebnis der Nationalratswahlen vom 1. Oktober 2006 betraue ich Sie mit der Erstattung von Vorschlägen für die Bildung einer neuen österreichischen Bundesregierung im Sinne des Art. 70 Abs. 1 der Bundesverfassung.

Ich erwarte mir Vorschläge für die Bildung einer stabilen Bundesregierung, die gewillt und in der Lage ist, wichtige Projekte in Angriff zu nehmen und die sich auf eine Mehrheit im Nationalrat stützen kann.

Ich erwarte mir insbesondere Vorschläge für eine Bundesregierung, die sich weiterhin eine aktive Mitarbeit am Projekt der europäischen Zusammenarbeit zum Ziel setzt.

Ich gehe davon aus, dass die österreichische Außenpolitik weiterhin auf bewährten Grundlagen aufbaut und dass die Bemühungen zur Lösung einer offenen Frage im Zusammenhang mit Art. 7 des österreichischen Staatsvertrages auf breiter Basis fortgesetzt werden.

Ich erwarte mir, dass das Bemühen, die Konkurrenzfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Österreich zu festigen, mit dem Bemühen um soziale Symmetrie in verantwortungsvoller Weise in Einklang gebracht wird.

Und ich erwarte mir besonders intensive Anstrengungen, in den für die Zukunft unseres Landes so wichtigen Bereichen Bildung, Wissenschaft und Forschung.

Ich ersuche um regelmäßige - etwa wöchentliche - Berichterstattung über den Stand der Regierungsverhandlungen.

Ich wünsche Ihnen für die mit diesem Auftrag verbundenen Bemühungen den besten Erfolg.

Mit allen guten Wünschen"

 

Sozialpartner für Große Koalition
Chefs von ÖGB, AK, Wirtschafts- und Landwirtschaftskammer bei Bundespräsident Heinz Fischer - Schwarzböck: SP und VP müssen über Schatten springen
Wien (hofburg) - Die Chefs der Sozialpartner-Organisationen haben sich am 10.11. in rot-schwarzer Einigkeit für eine Große Koalition zwischen SPÖ und ÖVP ausgesprochen. Gleichzeitig machten sie nach einem Gespräch mit Bundespräsident Heinz Fischer klar, dass es keine Zusammenarbeit "ohne Wenn und Aber" geben könne. Am Mittwochvormittag wird Fischer SP-Chef Alfred Gusenbauer mit der Regierungsbildung beauftragen. ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer (S) sagte nach dem rund einstündigen Gespräch mit dem Bundespräsidenten, alle vier Sozialpartner hätten sich für eine stabile Regierung auf breiter Basis ausgesprochen. "Wir bekennen uns zu einer Großen Koalition", sagte der Gewerkschaftschef. Freilich werde es keine Zusammenarbeit "ohne Wenn und Aber" geben. Für den Sozialminister hätte der ÖGB laut Hundstorfer einige "kreative Köpfe" anzubieten, aber: "Es gibt keine Erbpachten."

Landwirtschaftskammerpräsident Rudolf Schwarzböck (V) betonte, für eine Große Koalition müssten sowohl ÖVP als auch SPÖ "über den Schatten springen". Was die Chancen auf eine erfolgreiche Regierungsbildung angeht, zeigte sich der ÖVP-Bauernvertreter aber skeptisch: "Wenn zu den großen Themen, die seit dem Wahlabend diskutiert worden sind, nicht bald ein Aufeinanderzugehen kommt, dann kommt die Große Koalition nicht."

Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl (V) betonte, eine Große Koalition müsse auch große Probleme lösen. Eines der Ziele sei die Vollbeschäftigung - dafür werde das Wirtschaftsforschungsinstitut noch im Oktober Vorschläge veröffentlichen, auf die die Koalitionsverhandlungen aufbauen könnten. Leitl warnte vor allzu leichtfertigen Verhandlungen - man dürfe sich nicht nur auf "Überschriften" einigen: "Wir müssen das vorher ausreden, dann können wir nachher umso zügiger regieren."

Auch AK-Präsident Herbert Tumpel (S) nannte als Ziel einer Großen Koalition die Vollbeschäftigung. Was die Dauer der Regierungsverhandlungen angeht, gab sich der Arbeitnehmervertreter abgeklärt und meinte, jeder wünsche sich rasche Verhandlungen, aber: "Die Erfahrung zeigt, dass es manchmal länger dauert." (Quelle: Hofburg / apa)

   
Gusenbauer: "Das Beste für unser Land tun"
SPÖ-Chef präsentiert zehn Projekte für Österreichs Zukunft und verspricht transparente und offene Verhandlungen mit ÖVP - "Land der Fairness - Österreich"
Wien (sk) - "Die Menschen erwarten von uns, dass wir zu einem gemeinsamen Regierungsprogramm kommen, das für Österreich gut ist, weil es das Beste aus unseren jeweiligen Vorschlägen und Konzepten enthält", so SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer am 11.10. bei seiner Erklärung "Österreich 2010 - Wege in eine erfolgreiche Zukunft". Gusenbauer war am Vormittag von Bundespräsident Fischer der Auftrag zur Regierungsbildung erteilt worden. Zu Mittag erläuterte der SPÖ-Vorsitzende in einer Grundsatzrede im Parlament vor über 300 Gästen aus allen Bereichen des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Lebens seine Ziele für die kommenden vier Jahre. Gusenbauer will "auf der Basis des Wahlergebnisses das Beste für unser Land tun".

Am Freitag soll eine erste Verhandlungsrunde mit der ÖVP stattfinden. Gusenbauer will die Regierungsverhandlungen mit der ÖVP offen und transparent gestalten. Zugleich betonte er, dass die SPÖ nicht von ihren Werten oder Zielen abweichen werde, das verlange er auch nicht von der ÖVP. Aber das Wesen der Demokratie bestehe im notwendigen Finden eines Kompromisses.

"Das erwarten auch die Menschen von uns: Dass wir uns vernünftig zusammensetzen, dass wir zu einem gemeinsamen Regierungsprogramm kommen, das für Österreich gut ist, weil es das Beste aus unseren jeweiligen Vorschlägen und Konzepten enthält." Gusenbauer will mit Freude im Sinne des Landes regieren und weder den Bürgern noch sich selbst das Leben schwer machen: "Das ist es, was der Wählerauftrag sagt."

Zu Beginn seiner Rede hatte Gusenbauer die politische Lage nach der Nationalratswahl vom 1. Oktober analysiert. Dann legte der SPÖ-Chef in zehn konkreten Projekten seinen Entwurf vor, wie sich Österreich bis zum Jahr 2010 entwickeln soll und kann: Arbeit schaffen, Wachstum fördern, Bildungsreform, Gesundheit und Pflege, gerechte und sichere Pensionen, Gleichstellung der Frauen, Armut bekämpfen, bürgerfreundliche Verwaltung, geordnete Zuwanderung und Integration sowie schließlich Österreichs Ziele in der Europa- und Außenpolitik.

Wählerwille ist eindeutig für große Koalition
Zunächst erinnerte Gusenbauer an "eine Selbstverständlichkeit: In einer Demokratie muss die Entscheidung der Wählerinnen und Wähler akzeptiert werden". So seien zwar "Enttäuschung, Schock auf der einen Seite, überschäumende Euphorie auf der anderen Seite" unmittelbar nach der Wahl legitim, aber man sollte sich dann rasch wieder auf die Verantwortung für das Land und seine Bürgerinnen und Bürger konzentrieren, betonte Gusenbauer. Es gibt ein Wahlergebnis und die SPÖ will "auf Grundlage dieses Ergebnisses das Beste für unser Land tun".

Das Wahlergebnis sei eindeutig zu interpretieren. Die SPÖ habe ihren Stimmanteil im Wesentlichen gehalten und ist stärkste Partei geworden. Die ÖVP hat gegenüber 2002 massive Einbußen erlitten und liegt einen Prozentpunkt hinter der SPÖ, insgesamt kommen die bisherigen Regierungsparteien ÖVP und BZÖ auf gerade einmal 38,4 Prozent, sind also von einer Mehrheit weit entfernt. Mit deutlichem Abstand hinter SPÖ und ÖVP folgen Grüne und FPÖ, beide jeweils nicht stark genug, um mit einer der Großparteien eine Koalition zu bilden. Und das BZÖ ist aufgrund eines Sonderergebnisses in Kärnten knapp in den Nationalrat gekommen.

Die Wähler haben am 1. Oktober die Fakten geschaffen, und diese "legen eindeutig eine große Koalition nahe, weil Österreich eine stabile Regierung braucht", sagte der SPÖ-Vorsitzende, der betonte, dass er von Experimenten nichts halte. Er geht davon aus, dass Parteien den Anspruch haben, dass sie gestalten wollen und Verantwortung tragen wollen. "Gestalten kann und soll eine Partei in dem Maße, in dem sie von den Wählerinnen und Wählern das Vertrauen bekommen hat", so Gusenbauer.

Keine Partei sei mit einer absoluten Mehrheit ausgestattet worden, daher kann keine den Anspruch stellen, dass alles, was sie will, 1:1 umgesetzt wird. Jede Partei habe ihre Überzeugungen und ihr Programm und sie sei ihren Wählern im Wort.

Chance für umfassende Modernisierung und mehr Gerechtigkeit
Gusenbauer ging auch auf oft gehörte Vorbehalte gegen eine Große Koalition ein. Österreich habe mehr Erfahrung als die meisten anderen Länder mit dieser Regierungsform, gute und schlechte. Er erinnerte an den Wiederaufbau und den Beitritt zur Europäischen Union auf der Positivseite, auf der anderen Seite habe es auch wechselseitige Blockade und Stillstand gegeben. "Aber wenn ich heute die Warnungen vor der Großen Koalition lese, wie sie verschiedene Kommentatoren beschreiben: Postenschacher, Gezänk, ausufernde politische Macht, Kontrolle der Medien, dann blicke ich auf die letzten Jahre zurück und muss sagen: dafür brauche ich nicht unbedingt eine Große Koalition, das bringen Kleine Koalitionen auch zustande."
Sein Schluss daraus: "Keine Koalitionsform ist vor Fehlern gefeit, aber es liegt auch in jeder eine Chance." Die Chance für eine künftige Große Koalition sieht Gusenbauer in der gemeinsamen Anstrengung "für eine umfassende Modernisierung unseres Landes, die mehr Chancen und mehr Gerechtigkeit bringt".

Regierungsverhandlungen sollen offen und transparent sein
Die SPÖ will die Verhandlungen mit der ÖVP offen und für jeden nachvollziehbar anlegen. Die Vorschläge der beiden Parteien sollen einander gegenübergestellt und diskutiert werden können. Klar sei, keine Partei werde 100 Prozent ihrer Vorhaben durchsetzen könne. Gusenbauer: "Die SPÖ geht selbstbewusst, aber nicht hochmütig in die Verhandlungen."

Nachdem der SPÖ-Vorsitzende die zehn wichtigsten Projekte seiner Partei vorgestellt hatte, ging er auch auf Finanzierungsfragen ein. Dabei sei klar, nicht alles, was an neuen Projekten umgesetzt werde, werde durch zusätzliches Geld finanziert. "Es geht uns auch ums Sparen", so Gusenbauer. Die SPÖ fühlt sich einem stabilen Haushalt verpflichtet. In dem Zusammenhang hält Gusenbauer Zurufe von "Apologeten des Nulldefizits", die aber trotz einem über 3-prozentigen Wirtschaftswachstum ein steigendes Defizit verantworten müssen, für "merkwürdig".

Die SPÖ verspricht auch einen neuen Umgang im Parlament. Dabei bekräftigte Gusenbauer, dass Untersuchungsausschüsse anders als jetzt schon von einer parlamentarischen Minderheit einberufen werden können. Sein Grundsatz: "Gebt dem Parlament, was dem Parlament gehört." Außerdem will Gusenbauer auch den Vorschlägen der Nicht-Regierungsparteien die gebührende Aufmerksamkeit widmen. Es geht ihm um den "offenen Dialog für die besten Lösungen".

"Es kommen schöne Dinge auf uns zu", so Gusenbauer mit einem Blick in die nächste Zukunft. Nicht zuletzt freut sich Gusenbauer auf die Fußball-Europameisterschaft, die 2008 in Österreich und der Schweiz ausgetragen wird. Dabei werde man Österreich präsentieren "als das, das es ist: ein Land der Kunst und Kultur, der neugierigen und wissensdurstigen Menschen." Gusenbauer sprach von "einem Aufbruch in eine neue Zeit, in der wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und soziale Symmetrie" verwirklicht seien. Die SPÖ erwartet sich von der ÖVP "die Bereitschaft zum Kompromiss", denn die Zukunft stehe im Vordergrund, beide Partner sollen sich der Verantwortung bewusst sein.
   

"Keine Koalition ist vor Fehlern gefeit, aber es liegt auch in jeder eine Chance", so Gusenbauer weiter.

1.: Reduzierung der Arbeitslosigkeit
Als erstes Projekt nannte Gusenbauer die Reduzierung der Arbeitslosigkeit. Gusenbauer betonte, dass es schon "außerordentlicher Anstrengung" bedürfe, um den Trend der steigenden Arbeitslosigkeit zu überwinden. Aber er gehe davon aus, dass es sich hier um ein gemeinsames Ziel handle. "Jeder in unserem Land, egal welcher politischen Orientierung, muss ein Interesse daran haben, dass Menschen Arbeit haben." Neben der Notwendigkeit, mit Arbeit das Leben bestreiten zu können, betonte Gusenbauer die Bedeutung des damit verbundenen Gefühls, Sinnvolles zu tun und gebraucht zu werden, sowie die Steigerung der Selbstachtung. "Außerdem ist es auch ökonomisch sinnvoll." Die Maßnahmen, um die Reduzierung der Arbeitslosigkeit zu erreichen, müssten immer unter den Gesichtspunkten der Steigerung des Wachstums und mehr Gerechtigkeit gesehen werden.

2.: Stärkung von Wachstum, Innovation und Mittelstand
Das zweite Projekt ist die Stärkung des Wachstums, der Innovation und des Mittelstands. Hierbei sei zu beachten, dass Wachstum zwar die wesentliche Voraussetzung gegen das Anwachsen der Arbeitslosigkeit sei, "aber Wachstum allein genügt nicht", wie Gusenbauer betonte. Das zeigen die aktuellen Wirtschaftsdaten, die zwar für das heurige Jahr ein Wirtschaftswachstum aufweisen, aber nicht die gewünschten positiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Wesentlich sei auch eine Entlastung des Mittelstands - der Leistungsträger im Land - und eine Infrastruktur-Offensive, um den Wirtschaftsstandort Österreich zu stärken.

3.: Bildungsreform ohne ideologische Verhärtungen
Beim Projekt Bildung sprach sich Gusenbauer vehement gegen "ideologische Verhärtungen" aus, die dazu führen, dass die Jugend um Zukunftschancen gebracht werde. Der SPÖ-Chef sprach hier beispielsweise die Differenzierung des Schulsystems an. "In welchem parteipolitischen Katechismus steht, dass die Differenzierung des Schulsystems das Alleinseligmachende ist", sagte Gusenbauer. "Der Wohlstand steht und fällt mit dem Bildungsniveau der Jugend", so Gusenbauer, der daher klarstellte, dass sich alle Anstrengungen auf eine Reform des Bildungssystems in allen Bereichen, von der Vorschule bis zur Universität, konzentrieren müssen. "Dort, wo gelernt wird, dort wo Wissen vermittelt wird, dort wird die Entscheidung über die Zukunft unseres Landes getroffen", so Gusenbauer, der auch auf die persönliche Bereicherung des Daseins durch Bildung hinwies.

4.: Gesundheit und Pflege
Das vierte Projekt betrifft Gesundheit und Pflege. Der SPÖ-Chef wies darauf hin, dass in der letzten Zeit viel über die Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems diskutiert worden ist. Man müsse das Gesundheitssystem "so wasserdicht machen, dass es nicht zur Zwei-Klassen-Medizin kommt". Im Bereich Pflege haben die Hilfsorganisationen, die sehr gute Arbeit leisten, vernünftige Konzepte auf den Tisch gelegt. Gusenbauer betonte, dass im Pflegebereich, "einer der am stärksten wachsenden Sektoren", nicht illegale Arbeit durchgeführt werden sollte - hier könnten viele Arbeitsuchende einen künftigen Arbeitsplatz finden.

5.: Menschenwürdiges Altern
Menschenwürdiges Altern ist das fünfte Projekt. Hier gehe es um die Absicherung der Pensionen, um Gerechtigkeit und ein altersgerechtes Lebensumfeld. Für die SPÖ gelte, dass 45 Jahre arbeiten genug sein soll. Gusenbauer nannte als Beispiel einen Bauarbeiter, der bereits 40 Jahre gearbeitet hat. "Dem soll jemand ins Gesicht sagen, dass er noch weitere zehn Jahre arbeiten soll".

6.: Gleichstellung der Frauen
Das Projekt Gleichstellung der Frauen ist ein weiteres wesentliches Anliegen Gusenbauers. Es sei zwar viel dafür erreicht worden, aber in den letzten Jahren habe es hier Stillstand gegeben. Zur Gleichstellung der Frauen gehört für Gusenbauer auch die Beteiligung der Frauen an öffentlichen Ämtern. Ein Zeichen dafür, dass die SPÖ Frauenpolitik ernst nehme, sei, dass die Sozialdemokratie Barbara Prammer als Erste Nationalratspräsidentin nominieren werde. Die SPÖ wolle mehr Wahlmöglichkeiten und mehr Chancen für Frauen. Zur Verbesserung der Lebenschancen der Frauen will Gusenbauer "den Kindergeldbezug so flexibilisieren, dass mehr Frauen mit Kind die Chance haben, Beruf und Familie zu vereinbaren".

7.: Armut bekämpfen
"Mehr als eine Million Menschen in Österreich ist armutsgefährdet, 460.000 Menschen sind akut arm", stellte Gusenbauer fest. Hier sei in erster Linie mit Beschäftigung anzusetzen, aber immer mehr sind Working poor und können von ihrer Arbeit nicht leben - diese Menschen zählen zur am stärksten anwachsenden Gruppe im Sozialhilfebereich. Zur Grundsicherung betonte Gusenbauer: "Wir wollen kein arbeitsloses Grundeinkommen, wir wollen eine Mindestsicherung, die erst dann greift, wenn alle andern Wege aus der Armutsfalle gescheitert sind." Gusenbauer warf die Frage auf: "will denn irgendjemand, dass Menschen in Österreich verhungern?" Jeder Mensch habe das unveräußerliche Recht auf Würde, betonte Gusenbauer. "Niemand in unserem Land soll zum Bettler gemacht werden."

8.: Staat und Verwaltung reformieren
Beim Projekt Staat und Verwaltung ist für Gusenbauer nicht die Reform der Demokratie, sondern eben die von Staat und Verwaltung wesentlich. "Die Prozesse sollen transparenter, kürzer und kostengünstiger werden." Denn schließlich gehe es darum, ob das Geld für den Staat oder für die Bürger ausgegeben werden soll. Hier müsse von allen beteiligten Seiten die Verantwortung aufgegriffen und die Vorschläge des Österreich-Konvents in Realität umgesetzt werden.

9.: Zuwanderung und Integration
Beim neunten Projekt, Zuwanderung und Integration, betonte Gusenbauer, dass es Probleme gebe, etwa die schwache Position von Migranten beim Zusammenleben mit Österreichern, aber auch manchmal eine möglicherweise daraus resultierende Gewalttätigkeit, oder ein hoher Anteil von Kindern nicht-deutscher Muttersprache in zu großen Klassen mit zu wenigen Stützlehrern. Ansetzen müsse man bei kleineren Klassen, bei der Wohnpolitik, aber auch bei der Sicherheitspolitik. Hier erinnerte Gusenbauer an die durch den Wegfall der Schengengrenzen frei gewordenen Exekutivbeamten, die die Exekutive sichtbar verstärken könnte. Denn Erfahrungen zeigen, wenn man die Exekutivkräfte verringere, gebe es mehr Kriminalität.

10.: Europa und internationale Politik
Das zehnte Projekt betrifft Europa und die internationale Politik. Vor dem Hintergrund der Atomtests in Nordkorea werde deutlich, dass die Welt unsicherer geworden sei. Und: "Auch die Frage einer effizienten Verhinderung des internationalen Terrorismus ist nach wie vor unbeantwortet." Österreich habe hier auch politisch eine große Verantwortung, denn auch kleine EU-Staaten haben schon gezeigt, dass auch sie hier Wichtiges leisten können. "Ich bin überzeugt, dass internationales Engagement für Österreich mehr in diese Richtung bewegen lässt, als der Ankauf noch so vieler Abfangjäger." Auch auf das bessere Funktionieren des europäischen Integrationsprojekts, auf Wachstum und Beschäftigung im europäischen Raum sei einzuwirken und auf das Erfüllen der Hoffungen, die zum Ja zur EU geführt haben. Der Beitrag der österreichischen Mitgestaltung sei gefordert. Auch gelinge es dann besser, österreichische Sonderinteressen durchzusetzen.

 

Schüssel: Vorstellungen für eine sichere und gute Zukunft in die Verhandlungen einbringen
"Ja" zu Verhandlungen, aber kein automatisches "Ja" zu einer Großen Koalition
Wien (övp-pd) - "Der gestrige Beschluss des ÖVP-Parteivorstandes ist ein ,Ja‘ zu Verhandlungen, aber kein automatisches ,Ja‘ zu einer Großen Koalition", sagte ÖVP- Bundesparteiobmann Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ÖVP-Bundesparteiobmann-Stv. Klubobmann Mag. Wilhelm Molterer.

"Wir sehen uns als gleichberechtigter Partner am Verhandlungstisch. Wir sind auf gleicher Augenhöhe und haben durch die Wahlkarten noch mehr zur SPÖ aufgeschlossen. Wir erwarten uns von der SPÖ, dass sie dies selbstverständlich akzeptiert", so Schüssel. Trotz der großen Skepsis an der ÖVP-Basis gegenüber einer Großen Koalition sei es richtig, diese Verhandlungen zu führen. Auch jenen, die für den Gang in die Opposition seien, könne gezeigt werden, dass "wir unsere Linie in der Landespolitik, in der Europapolitik, in der Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie in den Fragen der Eigenverantwortung und der Leistung, im sozialen Zusammenhalt und der Nachhaltigkeit nicht aufgeben werden und können. Wir haben uns zu Verhandlungen mit der SPÖ entschlossen, weil wir uns aus staatspolitischer Verantwortung sowie aus Verantwortung für unsere 1,6 Millionen Wähler/innen solchen Gesprächen nicht verschließen können und wollen", betonte Schüssel.

Grundvoraussetzung für gute, erfolgreiche Verhandlungen sei, dass "es für jeden Vorschlag, der von unserem Verhandlungspartner kommt, selbstverständlich auch ein Konzept und einen Finanzierungsvorschlag gibt, bevor man in Detailgespräche geht. Wir erwarten uns das, denn nur das ist professionell", betonte Schüssel. Darüber hinaus dürfe es keine Kompromisse bei der Sicherheit der Bürger und des Landes geben. "Die Sicherheit nach innen und außen ist kein Spielball, und es müssen die Verpflichtungen aus Neutralität und Verfassungsgesetz einschließlich der Luftraumüberwachung auch voll eingehalten werden."

Im Bereich der Integration ausländischer Mitbürger seien Deutschkenntnisse und die Einhaltung der österreichischen Rechts- und Werteordnung Integrationsvoraussetzung. "Wir akzeptieren Zuwanderung nur dann, wenn Arbeitskräfte zu uns kommen, die auch einen Arbeitsplatz haben. Der Nachweis eines Arbeitsplatzes ist die Voraussetzung für die Einreisemöglichkeit."

Der von der SPÖ und den Grünen geforderte Rechtsanspruch auf ein Grundeinkommen ohne Arbeit komme für die ÖVP aus mehreren Gründen nicht infrage, so Schüssel. Es müsse immer mehr Anreize zur Arbeit geben als Anreize, nicht arbeiten gehen zu müssen. Darüber hinaus wäre die Finanzierungsfrage völlig offen. "Ein solches Grundeinkommen ohne Arbeit würde nämlich mehrere Milliarden kosten", betonte Schüssel.

In der Bildungspolitik sei die ÖVP durchaus offen für Verbesserungsvorschläge, die bereits in den vergangenen Jahren begonnen wurden. "Was für uns aber nicht verhandelbar ist, sind die Eckpunkte für ein differenziertes Schulsystem. Es muss die Wahlfreiheit der Eltern gewahrt bleiben, darüber zu entscheiden, welches Bildungsmodell, welche Schule und welche Betreuungsform für ihre Kinder am besten sind." Genauso müsse die Offensive für Forschung und Entwicklung in Richtung drei Prozent fortgesetzt werden. "Wenn wir vorne bleiben wollen, muss dieses Ziel in dieser Legislaturperiode erreicht werden", forderte Schüssel.

Darüber hinaus bekennt sich die ÖVP zu einer funktionierenden Sozialpartnerschaft und zur Rettung der BAWAG mittels der Haftung der Steuerzahler in der Höhe von 900 Millionen Euro. "Wir drängen aber auf eine lückelose Aufklärung des BAWAG-Skandals, da darf nichts unter den Teppich gekehrt werden." Ziel bleibe, dass der Steuerzahler nicht zur Haftung herangezogen werde.

Die Reformen der vergangenen Jahre hätten Österreich auf einen guten Weg gebracht - "weg von der roten Laterne auf einen Spitzenplatz in Europa", so Schüssel weiter. "Dieser Weg bedeutet Sicherheit für 3,4 Millionen Arbeitnehmer, die einen Arbeitsplatz haben. Er bedeutet Sicherheit für mehr als zwei Millionen Pensionisten, die darauf angewiesen sind, dass sie monatlich ihre Pension erhalten und dass diese auch erhöht werden können. Dieser Weg bedeutet auch Sicherheit für alle kranken Menschen, die in Österreich die Gewissheit haben, dass sie auch im Alter noch die beste Gesundheitsversorgung bekommen. Und er bedeutet Sicherheit für alle jungen Menschen, dass sie genau die Ausbildung bekommen, die ihren Neigungen am besten entspricht." Die ÖVP werde diesen Weg auch in Zukunft im Interesse des Landes und der Menschen fortsetzen, schloss Schüssel.

ÖVP-Verhandlungsteam benannt
Der ÖVP-Bundesparteivorstand hat das Verhandlungsteam für mögliche Koalitionsgespräche mit der SPÖ nominiert. Unter der Leitung von Bundesparteiobmann Bundeskanzler Wolfgang Schüssel verhandeln Bundespartei-Obmannstellvertreter Klubobmann Wilhelm Molterer, Außenministerin Ursula Plassnik, Gesundheits- und Frauenministerin Maria Rauch-Kallat und Finanzminister Karl-Heinz Grasser, der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll und der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer, der steirische Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer sowie ÖAAB-Obmann Fritz Neugebauer.

Gleichzeitig wurde vom Bundesparteivorstand eine "Perspektivengruppe" unter der Leitung von Umwelt- und Landwirtschaftsminister Josef Pröll beschlossen. Die Perspektivengruppe wird sich mit den Zielen und Perspektiven der Politik der Österreichischen Volkspartei beschäftigen. Es geht in diesem offenen Diskussionsprozess um Zukunftsfragen wie etwa Integration, Pflege, Energie und Europapolitik. Josef Pröll wird mit der Breite der ÖVP und der Breite der österreichischen Gesellschaft diese Perspektivengruppe führen und damit einen essenziellen Beitrag zu einem aktiven und zukunftsorientierten Approach einer Österreichischen Volkspartei in der Politik leisten. Es geht in erster Linie um die Schärfung des Blicks auf die Wirklichkeit für eine moderne Volkspartei.

 

 Öllinger: FPÖ-Abgeordnetenliste ist 'who-is-who' der extremen Rechten in Österreich
Wien (grüne) - „Ein Blick auf die Liste der FPÖ-Nationalratsabgeordneten macht deutlich, dass es mit dieser Partei keine Berührungspunkte gibt und keine Zusammenarbeit geben kann“, stellt der stv. Klubobmann und Sozialsprecher der Grünen, Karl Öllinger, fest: „Die Abgeordnetenliste der FPÖ ist ein `who-is-who´ der extremen Rechten in Österreich. Da wimmelt es nur so von extrem rechten, schlagenden Burschenschaftern und Personen, die in einem Naheverhältnis zum Nationalsozialismus stehen.“

Die Liste der FPÖ signalisiert deutlich, dass die Partei fest in der dunkelsten Vergangenheit Österreichs verankert und nicht im geringsten daran interessiert ist, sich von dieser Vergangenheit zu verabschieden. „Welche Botschaft sendet diese Burschenschafterpartie denn an Frauen, wenn nicht einmal zehn Prozent der Abgeordneten weiblich sind und die Spitzenrepräsentanten der Partei die Bestrafung von Abtreibungen fordern?“, fragt Öllinger. Und welche Politik soll mit einer Partei herauskommen, die internationale Übereinkommen wie die Genfer Flüchtlinmgskonvention oder die Menschenrechtskonvention zumindest zum Teil außer Kraft setzen will?

„Mit dieser Partei ist keine moderne, weltoffene und zukunftsorientierte Politik zu machen“, so Öllinger. Das gilt nicht nur für die Grünen, sondern für alle demokratischen Parteien. „Die ÖVP ist aufgefordert, ganz schnell jede Möglichkeit eines politischen téte-à-téte mit der FPÖ auszuschließen. Wer die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit diesen Leuten im Raum stehen zu lassen, signalisiert, dass für den Machterhalt jedes Mittel recht ist.“, so Öllinger.

 

 Strache: Ausgrenzer und Demokratieverweigerer sicher fehl am Platz
Nominierung wird zur staatspolitischen Nagelprobe für die Grünen
Wien (fpd) - "Die FPÖ nimmt das gestrige Endergebnis der Wahl 2006, das einen Mandatsgleichstand von Freiheitlichen und Grünen gebracht hat, selbstverständlich zur Kenntnis", erklärte FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache.

Festzuhalten sei, daß aufgrund einer hauchdünnen Stimmenmehrheit der Ball jetzt zunächst bei den Grünen liege, einen geeigneten Kandidaten zu nominieren. Wie die Sache aber letztendlich ausgehe, könne man nicht voraussagen, meinte Strache. Die Geschichte des Hauses zeige nämlich, daß nominierte Kandidaten nicht automatisch auch schon gewählt seien. Man sei also schon gespannt, wen die Grünen nominieren würden. Für dogmatische Ausgrenzer aus der grün-alternativen Fundi-Ecke sei das Amt jedenfalls das Falsche. Schon die Nominierung werde so zur staatspolitischen Nagelprobe für die Grünen.

In Sachen Volksanwaltschaft geht die FPÖ davon aus, daß ihr und sonst niemandem diese Position für die laufende Volksanwaltschaftsperiode bis Juni 2007 jedenfalls zustehe. Für die nachfolgende Periode werde dann auf Basis der Gesetzeslage eine Entscheidung zu treffen sein, betonte Strache.

 

 Scheibner: "Grüne wollen Wählerwillen nicht anerkennen"
"Vor Nationalratswahl ist Listenbezeichnung als völlig unbedenklich gesehen worden"
Wien (bzö) - "Es ist bezeichnend, daß die Grünen, die nach wie vor von einer linken Regierungsform träumen, nunmehr die Rechtmäßigkeit der dem BZÖ zustehenden Mandate in Frage stellen", meinte der Klubobmann des Freiheitlichen Parlamentsklub-BZÖ Abg. Herbert Scheibner.

Vor der Nationalratswahl sei die Listenbezeichnung als völlig unbedenklich gesehen worden. Scheibner wies in diesem Zusammenhang auf den einstimmigen Beschluß in der Bundeswahlbehörde hin, der auch mit den Stimmen der Grünen gefaßt wurde . "Jetzt nach der geschlagenen Wahl, nach dem es sicher ist, daß das BZÖ im Nationalrat vertreten sein wird und sich eine linke Koalition mit Rot-Grün nicht ausgeht, will man plötzlich den demokratischen Wählerwillen parteipolitisch nicht anerkennen", kritisierte Scheibner abschließend.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
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