Wien (rzb) - Anlässlich einer Konferenz zum Schwerpunkt Südosteuropa
(SEE) präsentierte Raiffeisen Research, der Bereich Volkswirtschaftsanalyse des RZB-Konzerns, eine Studie
zu dieser Region. Danach erwartet Raiffeisen Research heuer ein reales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP)
in SEE von rund sechs Prozent, womit diese Region einer der Motoren des europäischen Wachstums bleibt. Der
EU-Beitritt von Bulgarien und Rumänien und die Modifikation des Central European Free Trade Agreement (CEFTA)
werden diesen Trend noch verlängern. Der RZB-Konzern ist in dieser Region durch ihre Tochtergesellschaft Raiffeisen
International Bank-Holding AG mit sieben Banken präsent. Mit einer Bilanzsumme von 14,0 Milliarden Euro, rund
600 Filialen und rund 12.100 Beschäftigten (alle Zahlen per 30. Juni 2006) zählt die Raiffeisen International
zu den führenden Banken der Region.
Die Europäische Union ist der wichtigste Handelspartner für SEE. 2005 erreichte der Warenverkehr zwischen
der EU und SEE 79 Milliarden Euro – eine Steigerung um 53 Prozent seit 2001. Die EU ermöglicht seit 2001 dem
westlichen Balkan einen begünstigten Zugang, wodurch die Exporte in die EU um 38 Prozent gestiegen sind. Bilaterale
Freihandelsabkommen bewirkten einen starken Wachstumsschub im Handel der südosteuropäischen Länder
untereinander. Der Wahrenverkehr innerhalb von SEE stieg von 2,6 Milliarden Euro im Jahr 2002 auf über 3,5
Milliarden Euro 2004. So steigerte etwa Kroatien den Handel mit seinen Nachbarn um 27 Prozent und Bosnien und Herzegowina
sogar um 63 Prozent. Die Ausweitung und Modernisierung von CEFTA wird auf diesen viel versprechenden Ergebnissen
aufbauen. Das Abkommen zielt auf eine Konsolidierung der bilateralen Handelsgenehmigungen ab, die derzeit in 31
verschiedenen zwischenstaatlichen Freihandelsabkommen enthalten sind. Diese haben bereits bisher eine Liberalisierung
von mehr als 90 Prozent des Handels in der Region bewirkt, darunter fast alle industriellen Produkte.
Das derzeit geringe Handelsvolumen zwischen den SEE-Ländern hat seinen Grund in der Unterbrechung der wirtschaftlichen
Zusammenarbeit im letzten Jahrzehnt. Weiters haben viele ungelöste politische Problembereiche und der Wiederaufbau
der individuellen nationalen Ökonomien eine Wiederbelebung des regionalen Handels verhindert. Mitglieder bei
CEFTA sind derzeit Bulgarien, Kroatien, Rumänien und Mazedonien. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Albanien,
Bosnien and Herzegowina, Serbien, Montenegro, Kosovo und Moldau dem Abkommen beitreten werden. Bulgarien und Rumänien
werden nach ihrem EU-Beitritt 2007 aus dem CEFTA austreten müssen. Bis dahin wird „CEFTA neu“ eine Region
mit über 55 Millionen Menschen oder rund 12 Prozent der EU-Bevölkerung umfassen. Das BIP der „CEFTA neu“-Mitglieder
wird 200 Milliarden Euro oder 1,8 Prozent des BIP der EU betragen.
Ausländische Direktinvestitionen ganz oben auf der Prioritätenliste
Starke wirtschaftliche Aktivitäten verursachen auch Wachstumsdruck auf den Import und das nicht nur
wegen des gestiegenen Privatkonsums, sondern auch wegen des starken Investitionszyklus in SEE. Trotz der verstärkten
Bemühungen, die Exporte gerade Richtung EU signifikant zu steigern, weisen die meisten dieser Länder
ein hohes Außenhandelsdefizit auf. Ungünstige Entwicklungen im internationalen Güterverkehr haben
sich zudem signifikant negativ auf das Leistungsbilanzdefizit ausgewirkt. Der beste Weg, so ein Defizit zu verringern,
ist der über ausländische Direktinvestitionen (foreign direct investment, FDI), das ist der Zufluss von
nicht spekulativem langfristig gebundenem Kapital. Für die neuen EU-Mitglieder haben FDI nachweislich positive
Auswirkungen auf Exporte, Produktions- und Jobwachstum sowie mikroökonomische Effizienzsteigerungen. Über
die letzten Jahre erfolgte ein Zufluss an FDI insbesondere nach Rumänien und Bulgarien. Das Interesse ausländischer
Investoren stieg wegen der Perspektiven der EU für die Region, niedrigerer Durchschnittslöhne als in
den neuen EU-Ländern, der Nähe zum Markt der EU, dem robusten Wirtschaftswachstum und anhaltender Reformen.
Der Prozess der Privatisierung in SEE trug positiv zu gestiegenen FDIs bei. Privatisierungserlöse sollen in
den kommenden Jahren hoch bleiben, da noch ein beträchtlicher Anteil der Unternehmen in SEE in staatlicher
Hand ist. Liberalisierungen im Telekommunikations-, Transport- und Versorgungsbereich sowie bei Finanzinstitutionen
könnten auch in den kommenden Jahren zu einem weitern Zustrom an Ausländischem Kapital sorgen. Die meisten
Länder der Region haben den Wert der Direktinvestitionen erkannt und gehen den Weg einer aktiven Bewerbung
von FDIs mit verschiedenen Anreizmodellen.
Der Anteil der FDIs ist aber immer noch signifikant niedriger als in Zentraleuropa. Er beträt rund 1.000 Euro
je Einwohner, im Vergleich zu 2.900 Euro in Zentraleuropa. Folglich konzentrieren die Länder in SEE ihre Bemühungen
auf die Generierung von FDIs, um die Beschäftigung zu steigern, die Infrastruktur zu verbessern und die Armut
abzubauen und gehen innovative Wege. So hat etwa die serbische Regierung am 30. Juni 2006 eine „Verordnung zur
Anziehung von Direktinvestitionen“ erlassen, die finanzielle Anreize für neu geschaffene Arbeitsplätze
enthält. Montenegro hat im Juli 2006 eine FDI-Initiative gestartet. Albanien wiederum versucht Investoren
mit der Strategie „Albanien um einen Euro“ anzusprechen. Grundvoraussetzungen, bevor Direktinvestitionen ins Land
fließen, sind politische Stabilität, entsprechendes Bildungsniveau und Verbesserung der Infrastruktur.
Die ersten Schritte wurden bereits getan, und mit ein paar konzertierten Aktionen könnte es in Südosteuropa
diesbezüglich noch Überraschungen geben.
Viel versprechende Aktienmärkte
Zum wiederholten Mal haben sich die Aktienmärkte in SEE in den ersten neun Monaten sehr gut entwickelt.
Die Bukarester Börse hat 2006 bisher gute Performance bewiesen, der Euro-basierte BET Index stieg seit Jahresanfang
um 23,6 Prozent. Die Marktkapitalisierung stieg seit Jahresanfang um 24,2 Prozent, dies vor allem durch steigende
Aktienkurse in allen Bereichen aber auch durch neue Marktteilnehmer, hier vor allem Transelectrica. Der Euro-basierte
BET-FI (fünf lokale Investmentfonds) zeigte 2005 ein eindrucksvolles Wachstum von 191,1 Prozent. Im heurigen
Jahr konnte er jedoch nur ein 7,8 Prozent verzeichnen, was auf Unsicherheiten aufgrund wechselnder Gesetze zurückzuführen
war.
Der kroatische Aktienmarkt zeigt ein Wachstum von 47 Prozent in den ersten drei Quartalen – verursacht vor allem
durch die Pliva Übernahme. Die Indices in Serbien und Bulgarien haben sich stark entwickelt und im dritten
Quartal Rekordniveaus erreicht. Und letztlich hat auch in Bosnien und Herzegowina der Optimismus auf den lokalen
Börsen überwogen. |