Plassnik:
"Türkei muss das noch offene Zeitfenster nutzen"
Zypriotischer Außenminister Lillikas bei Außenministerin Plassnik
Wien (bmaa) - "Die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei, die vor einem Jahr begonnen
haben, sind an einem kritischen Punkt angelangt. Die Frage, die uns bewegt, lautet: Laufen wir in ein Stillstandsszenario
oder kann eine "Zugsentgleisung" verhindert werden? Die EU hat in ihrer Erklärung vom 21. September
2005 klargestellt, dass sie für 2006 von der Türkei Fortschritte bei der Zypernfrage erwartet",
erklärte Außenministerin Ursula Plassnik am 19.10. anlässlich des Besuchs des zypriotischen Außenministers
Yiorgos Lillikas.
Österreich habe daher während seines EU-Vorsitzes intensiv an Lösungsvorschlägen für die
Zypernfrage gearbeitet. Die Verabschiedung der Finanzhilfe-Verordnung, mit der der türkisch-zypriotischen
Volksgruppe 259 Mio. Euro zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung bereitgestellt wurden, war hiezu
ein wesentlicher Beitrag. Es stehe zu hoffen, dass die auf den österreichischen Vorarbeiten aufbauenden Vorschläge
des finnischen EU-Vorsitzes von den Parteien angenommen werden, unterstrich die Außenministerin. "Wir
unterstützen die Bemühungen der finnischen Ratspräsidentschaft und appellieren an die Parteien,
Fortschritte zu machen. Das war auch Gegenstand meiner Gespräche mit Außenminister Yiorgos Lillikas",
so Plassnik.
Außenministerin Plassnik betonte, dass sich die Türkei der EU gegenüber vertraglich verpflichtet
habe, die Zollunion auf alle neuen EU-Mitgliedsstaaten auszudehnen. Die EU habe der Türkei letztes Jahr mit
dem Beginn von Verhandlungen am 3. Oktober ein umfassendes Angebot gemacht. Es liege daher an der Türkei,
die Regeln für die Beitrittsverhandlungen einzuhalten und glaubwürdige Klarstellungen der eigenen Absichten
vorzunehmen. "Bisher ist zu wenig geschehen. Die Türkei muss das noch offene Zeitfenster nutzen, ansonsten
heißt die nächste Haltestelle "Stillstand". Es würde große Anstrengungen kosten,
dann aus dieser Sackgasse wieder herauszukommen. Die EU hat Geduld, macht aber keine Rabatte für einzelne
Partner. Die Türkei muss für sich klären, welchen Weg sie nehmen will", so Plassnik weiter.
Im Sinne der bisherigen Erfahrungen sei es klug, auch weiterhin eine umsichtige Vorgangsweise zu wählen. "Dazu
gehört im Verhältnis EU-Türkei das Denken in realistischen Optionen - wie Österreich das am
3. Oktober 2005 verlangt hat. Wir dürfen einander nicht überfordern", so Plassnik. Dies hänge
wesentlich auch mit der Aufnahmefähigkeit der EU zusammen. "Vor einem Jahr hat dieses Thema noch den
Widerstand praktisch aller EU-Partner ausgelöst. Dank unserer Beharrlichkeit ist es gelungen, diesen Begriff
nachhaltig in der europäischen Debatte zu verankern. Demnächst wird die Kommission einen speziellen Bericht
dazu vorlegen, von dem wir erwarten, dass er in seiner Tiefe und Dichte wegweisend sein wird", so die Außenministerin
abschließend. |