Wien (öj/mg) - Am 17.10. wurde bei der Viennale der Dokumentarfilm von Anja Salomonowitz "Kurz
davor ist es passiert" (A, 2006) als Uraufführung präsentiert. Wie die Autorin berichtet, wurde
er gerade noch zwei Stunden vor der Vorstellung fertig; Salomonowitz thematisiert das Problem des Frauenhandels
und der modernen Form von Sklaverei. Das Projekt entstand in Zusammenarbeit mit dem Verein LEFÖ- Beratung,
Bildung und Begleitung für Migrantinnen, wodurch reale Lebensgeschichten von misshandelten Frauen aufgegriffen
werden konnten, und in einem Verfremdungseffekt Person von Menschen aus verschiedenen Milieus erzählt werden,
die auf Grund ihres Berufes mit ähnlichen Schicksalen konfrontiert werden könnten, sei es ein Zollbeamter,
ein Bordellbesitzer, eine Konsulin. Um aber den Zuschauer zu irritieren werden diese Geschichten in der ersten
Person erzählt, wir wissen genau dass eine Frau im Markenkostüm das Erzählte nicht erlebt hat und
dadurch können wir uns eine Parallelgeschichte vorstellen. Salomonowitz wollte durch diesen Bruch einen zweiten
Film im Hintergrund laufen lassen, der mit den Bildern auf der Leinwand im völligen Gegensatz steht. Einen
ähnlichen Effekt hat Patric Chiha in dem schon erwähnten Film "Home" angewendet, allerdings
geht Salomonowitz in dieser Nachstellung, dem Reenactment, noch einen Schritt weiter.
Es wurde auch eine weitere Doku gezeigt, jedoch mehr mit Literatur und Musik verbunden. In "Leonard Cohen-
I´m Your Man" (L. Lunson, USA, 2005) nahm der Regisseur das Tribut-Konzert für Leonard Cohen in
Sydney zum Anlass, um über dessen Leben und Werk zu erzählen. Eigentlich ist es Cohen der erzählt,
die Interviews mit den teilnehmenden Musikern dienen eher zur Positionierung seines Schaffens. Cohen erzählt
über das Judentum, den Buddhismus, Frauen und glückliche Zufälle im Leben. Es ist ein Film, eigentlich
eine Reportage, mit viel schöner Musik, man sollte ihn eher Musikfilm nennen.
In "Mutual Appreciation" (A. Bujalski, USA, 2005) wird eine Dreiecksgeschichte gezeigt, die ebenfalls
im Musikbusiness positioniert wird, die aber an jedem anderen Ort zu jeder anderen Zeit möglich wäre
und dadurch eine Art Universalbedeutung gewinnt. Die Geschichte, obwohl ausgesprochen, bleibt unerfüllt; ein
subtiles Spiel von Gefühlen und Zweideutigkeiten.
In der Viennale- Zentrale fand eine interessante Lesung statt, es wurde aus dem Buch "Minutentexte. The Night
of the Hunter" vorgelesen, in dem 93 AutorInnen die Handlung des 93-minütigen Films "The Night of
the Hunter" (C. Laughton, USA, 1955) analysieren und diese, jeder in 60 Sekunden, präsentieren. Es waren
u.a. Texte von Ulrich Köhler und Harun Farocki zu hören.
Von der VIENNALE berichtet täglich Malgorzata Glac für das "Österreich Journal" |