12. NEELS-Expertenkonferenz im Wiener Rathaus - Nicht bloß EuGH-Entscheidungen
sondern Rechtsrahmen als Grundlage
Wien (rk) - Im Wiener Rathaus wurde die 12. NEELS-Expertenkonferenz abgehalten, die als Themenschwerpunkt
den schon seit längerem eingeforderten Rechtsrahmen zur Daseinsvorsorge hatte. NEELS ist das Europäische
Netzwerk gewählter Kommunalvertreter mit Zuständigkeit für lokale Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse, und bildet damit eine politische Plattform der Eigentümervertreter im CEEP. Als Veranstalter der
zweitägigen Konferenz fungierten die Stadt Wien über die MA 27, Dezernat Daseinsvorsorge, und der Verband
der öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft Österreichs (VÖWG) in seiner Eigenschaft als österreichische
Sektion des CEEP.
Vizebürgermeister und Stadtrat für Finanzen, Wirtschaftspolitik und Wiener Stadtwerke, Dr. Sepp Rieder,
wies einleitend darauf hin, dass "im Umfeld rasanter Privatisierungen öffentliches Eigentum ein Instrument
der politischen Gestaltungskraft sein soll" und die Gestaltungskraft in den Kommunen von essentieller Bedeutung
einerseits für die wirtschaftliche Entwicklung der Städte und andererseits für die Interessen der
Bürgerinnen und Bürger darstelle. Die Grundsatzfrage dabei sei der gesicherte Zugang der Allgemeinheit
zu jenen Dienstleistungen, die unter Daseinsvorsorge zusammengefasst sind. Hier, so Rieder, sei Rechtssicherheit
zu fordern, es könne nicht so sein, dass man sich quasi von einer Entscheidung des EuGH zur anderen weiterarbeiten
muss. CEEP- Präsident BM a.D., Abg.z.NR Dr. Caspar Einem griff ebenfalls die Haltung des EuGH heraus und machte
deutlich, dass dieser eine ganz klare Orientierung in Richtung Binnenmarkt und Durchsetzung des Binnenmarktes habe.
"Die EU geht nicht von öffentlichen Unternehmen aus, sie geht davon aus, dass das, was öffentlich
ist, den Privaten vorenthalten wird. Politische Verantwortung muss für die Öffentlichen eintreten",
so Einem. Entscheidend helfe dabei die Erarbeitung der vielfach geforderten Rahmenbestimmungen für die Erbringung
von Dienstleistungen im allgemeinem Interesse: "Dieser Kampf muss geführt werden, das ist nicht zu ändern,
dazu bildet NEELS eine ganz wichtige Voraussetzung".
CEEP-Generalsekretär Rainer Plassmann sprach die jüngste Entwicklung an und zwar den Rapkay-Bericht Ende
September im Europäischen Parlament. Es handle sich dabei, so Plassmann, um keine wirklichen Vorschläge,
sondern um rechtliche Initiativen. "Mit der derzeitigen Dienstleistungsrichtlinie können wir leben, die
Daseinsvorsorge ist nicht gefährdet" meinte der Brüsseler Experte, "ein Problem stellen aber
die EuGH Entscheidungen zu Einzelfällen dar, der Gerichtshof wird damit zu einem zweiten Gesetzgeber, deswegen
fordern wir einen europäischen Rechtsrahmen. Es muss eine Kluft zwischen Europa und der Kommission überwunden
werden, besonders was die Daseinsvorsorge betrifft". Plassmann wünschte sich als neuen übergeordneten
Begriff "eine kollektive Wahrnehmung der öffentlichen Interessen". Die interkommunale Zusammenarbeit
bilde nur eine Unterordnung bei den Public Private Partnerships, so sehe es die Kommission.
Die Stadt Wien werde bei NEELS durch Landtagsabgeordneten und Gemeinderat Dr. Kurt Stürzenbecher vertreten,
der feststellte, "das Recht soll vom Volk ausgehen, wenn nur auf der Basis von Case Law entschieden wird,
geht das zu Lasten der Konsumenten. Wir sehen Marktfreiheit nicht nur als Dogma, das Wettbewerbsrecht muss in Relation
zu anderen Werten für die Bürgerinnen und Bürger gesehen werden". Es sei, so der Mandatar,
demokratiepolitisch wichtig, dass eine Regelung über Rechtsnormen erfolge. NEELS müsse bei der Verfolgung
dieser Ziele auch ein entsprechendes Lobbying betreiben", denn der Gesetzgebungsprozess auf europäischer
Ebene ist kompliziert". Für die MA 27 - Dezernat Daseinsvorsorge, wies deren Leiter, OMR Mag. Martin
POSPISCHILL, auf die qualitativ hochwertigen Dienstleistungen der Stadt Wien im Interesse ihrer Bürgerinnen
und Bürger hin. Die Stadt Wien erbringe diese Leistungen zu 100 Prozent als Eigentümer selbst oder durch
ausgegliederte Unternehmen, die Maxime dabei laute "Wir machen den Versuch, die Dienstleistungen aktiv zu
leben". Pospischill sprach klar aus, was allen Beteiligten bewusst sein dürfte: "Wir haben nicht
mehr viel Zeit für das Inkrafttreten eines Rahmenrechts. Setzen die EU-Institutionen ihren bisherigen Weg
fort, gibt es in drei bis fünf Jahren keine Daseinsvorsorge mehr". Auf diese Befürchtung müsse
man schnell reagieren, auch wenn es vereinzelt gute sektorale Entwicklungen, wie etwas den ÖPNV, gebe.
Auf kommunaler Seite machte der Salzburger Bürgermeister Heinz Schaden die Probleme und Sorgen der Städte
anschaulich. Die Debatte darüber, wie weit sich die öffentliche Wirtschaft der Privatwirtschaft nähere,
was die Effizienz betreffe, gehe in Richtung der PPP und sei zu akzeptieren. Mangels klarer rechtlicher Vorgaben
spiele jedoch die Judikatur eine übergeordnete Rolle. Man könne auch bei den Experten in Brüssel
kaum einheitliche Tendenzen feststellen, ein anderes Urteil (Teckal) habe mehrere Auslegungsmöglichkeiten
gefunden: Nur bei 100 Prozent Kontrolle der öffentlichen Hand sei eine Inhouse- Vergabe erlaubt, versus wenn
diese 100 Prozent nicht komplett erfüllt seien, müsse eine 100prozentige Ausschreibung erfolgen. Als
deutliche Präferenz seien Rechtsnormen zu sehen, denn "wir brauchen klare Richtlinien und keine interpretativen
Mitteilungen", forderte Schaden.
Einen Einblick in die Vorgangsweise französischer Kommunalpolitik gab Albert Mahe, Vizebürgermeister
von Nantes. Das Kapital der öffentlichen Unternehmen befinde sich zu 50 bis 80 Prozent in der Hand der Gebietskörperschaften,
15 bis 49 Prozent bei privaten Eignern. Nun geht man daran, neue Gesellschaften zu bilden, die sich zu 100 Prozent
in Händen der Gemeinden befinden. Dieses Modell "entspricht voll den Regeln der Inhouse-Gesetze von Brüssel",
so der Kommunalpolitiker. Beim Personalstatus bestehe ein Unterschied, in den Regie-Betrieben sind die Beschäftigten
Beamte, bei den Inhouse-Firmen Privatangestellte.
Dass sich hier noch ein weites Feld auf tut, hatte zuvor schon NEELS-Präsident Carl Cederschiöld, vormals
Stockholmer Bürgermeister, formuliert "Wenn wir die angesprochene Kluft nicht überwinden, wird es
extrem schwierig sein, eine neue Verfassung zu entwickeln. Es ist nicht nur ein vorbildliches Recht der Stadt Wien,
sich bei der Daseinsvorsorge zu engagieren, das Subsidiaritätsprinzip muss auch weiter wirken".
Die grundsätzlichen Gedanken der NEELS-Konferenz wurden in einer "Wiener Deklaration" festgehalten,
die im Rahmen der 9. Europäischen Konferenz der Kommunalwirtschaft des CEEP am 31. Oktober in Brüssel
vorgestellt wird. An dieser Konferenz wird eine starke österreichische Delegation teilnehmen, der neben mehreren
Mandataren aus allen im Wiener Gemeinderat vertretenen Parteien, auch führende Persönlichkeiten der Kommunalwirtschaft
angehören werden. |