Koalitionsverhandlungen / Stillstand der Verhandlungen  

erstellt am
06. 11. 06

 Schüssel: Keine Verhandlungen, während Untersuchungsausschüsse laufen
Untersuchungsausschüsse beschleunigen - Misstrauen abbauen
Wien (övp-pd) - Nachdem der geschützte Raum des vertraulichen Gesprächs bei Bundespräsident Heinz Fischer zu Allerheiligen von SPÖ-Vorsitzendem Alfred Gusenbauer einseitig verlassen wurde, informierte ÖVP-Bundesparteiobmann Bundeskanzler Wolfgang Schüssel am 05.11. über den Inhalt des Gesprächs. Normalerweise blieben vertrauliche Gespräche auch absolut vertraulich, jedoch habe Gusenbauer bereits einen Tag nach dem Gespräch Journalisten informiert und damit "einen möglichen Weg in die Luft gesprengt". Der mögliche Weg hätte so ausgesehen, dass die beiden Untersuchungsausschüsse deutlich beschleunigt werden und in einer Kraftanstrengung das bestehende Misstrauen, das offensichtlich besteht, auf schnellstem Wege abgebaut wird. Anschließend könnten in raschen Verhandlungen die Sachthemen von Regierungsverhandlungen außer Streit gestellt werden.

Schüssel erklärte, er glaube nach wie vor, dass der aufgezeigte Weg ein möglicher sei. ÖVP-Klubobmann Wilhelm Molterer habe auch bereits einen Plan aufgestellt, wie dieser Weg funktionieren könnte. "Weil es um die Sache und nicht um Befindlichkeiten geht", so Schüssel. "Wir haben den 1. Oktober längst verkraftet und verdaut. Aber das Ergebnis war knapp und ist jedenfalls so, dass man einander achten und respektieren muss. Wir sind dazu bereit", so Schüssel. Allerdings habe man den Eindruck, dass von SPÖ-Seite mit vorgesetzter Art der Stichelei, der kleinen oder größeren Provokation, aufgezeigte Lösungen beinahe mutwillig in Frage gestellt werden. "Ich finde das nicht in Ordnung. Wer stabile Mehrheiten will, muss darauf aufbauen, dass 48 Monate gut und hoffentlich gerne zusammengearbeitet wird", so Schüssel.

Das wichtigste Thema für die SPÖ seit dem 1. Oktober sei jedoch die Einsetzung von zwei Untersuchungsausschüssen gewesen. Schüssel bezeichnete den Bankenausschuss als "politisch mutwilligen Ausschuss", der sich gegen die österreichischen Interessen und die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte der Expansion in Süd-Ost-Europa richte. Auch der zweite Untersuchungsausschuss zum Eurofightervertrag sei "nicht notwendig", da der Vertrag bereits der bestgeprüfte Beschaffungsvertrag der Geschichte Österreichs sei. "Entweder man will die Sicherheit des Landes hinterfragen, oder lediglich Spitzenpolitiker anpatzen", so Schüssel. Deshalb habe man im Bundesparteivorstand auch den Beschluss gefasst, keine Parallelverhandlungen zu führen. "Wir werden nicht gleichzeitig Untersuchungsausschüsse machen und am gleichen Tag Koalitionsverhandlungen führen."

 

 Gusenbauer: Zeitdruck steigt durch Problemdruck - nicht schwer Kompromisse zu finden
Bitterer Winter durch radikalen Anstieg der Arbeitslosigkeit droht - ÖVP soll wieder ihre Stühle einnehmen
Wien (sk) - Es sei völlig unverständlich und nicht zu akzeptieren, dass die ÖVP den Termin zur Bildung einer neuen Regierung aufs Frühjahr im nächsten Jahr verschieben will, sagte SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer am 06.11. nach dem SPÖ-Präsidium in einer Pressekonferenz. "Denn der Zeitdruck steigt durch den Problemdruck", so Gusenbauer. Es sei nicht schwer, Kompromisse zu erzielen, wenn es Klarheit über die gemeinsamen Herausforderungen gibt.

"Denn uns steht ein bitterer Winter bevor, der wahrscheinlich wieder zu einer gestiegenen Arbeitslosigkeit führen wird", warnte der SPÖ-Chef. Die Arbeitslosigkeit müsse daher dringend bekämpft und die dringend benötigten Budgetmittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik müssten zur Verfügung gestellt werden. Ansonsten würden all jene, die sich in Schulungen befinden, die aus Teilen der 200 Millionen Euro an Sondermittel finanziert werden, mit einem Schlag wieder arbeitslos. "Es gibt einen echten Zeitdruck und einen echten Problemdruck", der eine rasche Regierungsbildung notwendig mache, so Gusenbauer.

Es sei daher kein sehr verantwortungsvolles Handeln der ÖVP, wenn zuerst die Untersuchungsausschüsse erledigt werden müssen. So drohe ein monatelanger Stillstand in der Politik, bevor weiterverhandelt wird, sagte der SPÖ-Chef. "Die ÖVP hat den Verhandlungstisch verlassen, ihre Stühle sind frei, sie kann die Stühle wieder einnehmen und an den Verhandlungstisch zurückfinden", so Gusenbauer, der davon ausgeht, dass sich diesbezüglich diese Woche Entscheidendes bewegen wird.

"Die Menschen werden es nicht akzeptieren, dass die Verhandlungen bis Weihnachten unterbrochen sind", unterstrich der SPÖ-Vorsitzende. Denn ein durchschnittlicher Untersuchungsausschuss dauerte bislang eineinhalb Jahre. Der schnellste U-Ausschuss nahm immer noch sechs Monate in Anspruch, so Gusenbauer. Im SPÖ-Präsidium habe Einigkeit geherrscht, dass engagiert mit der ÖVP verhandelt werden soll und dass die ÖVP an den Verhandlungstisch zurückkehren muss. "Österreich hat sich nun ein Monat mit der Befindlichkeit der ÖVP beschäftigt; es wird nun Zeit, dass sich die ÖVP wieder um die Befindlichkeit des Landes kümmert", sagte Gusenbauer. Eine Veranlassung zur Unterbrechung der Verhandlungen oder gar zu Neuwahlen, konnte heute im SPÖ-Präsidium nicht gefunden werden.

Natürlich könne auch in den Untergruppen weiterverhandelt werden, wie ein Vorschlag lautete. "Aber wir werden uns nicht bloß zusammensetzen, damit die Zeit vergeht. Das wäre der falsche Weg. Das Ziel von Verhandlungen muss die Bildung einer neuen, soliden, handlungsfähigen Regierung sein", betonte der SPÖ-Vorsitzende. Es gehe nicht, dass man nun weiterverhandelt mit dem Ziel, erst im Frühjahr eine Regierung zu haben. Denn der bislang schnellste U-Ausschuss als Maßstab genommen würde bedeuten, dass erst im Mai eine Regierung zustande kommen könnte.

Gusenbauer wies darauf hin, dass es gar nicht störe, wenn Regierungsverhandlungen und die U-Ausschüsse parallel vor sich gehen. Denn die meisten Mitglieder des ÖVP-Verhandlungsteams sitzen gar nicht in den Ausschüssen - daher bestehe auch keine Veranlassung für eine Verhandlungsunterbrechung. "Es geht um demokratische, parlamentarische Kontrolle, daher dürfen die Ausschüsse nicht zu Pseudoveranstaltungen verkommen", sagte Gusenbauer. Er wies auf die Sorge vieler Menschen hin, die befürchten, dass bei einer großen Koalition wieder alles unter dem Teppich gekehrt wird. "Ich sagte daher von Anbeginn, wenn es zu einer großen Koalition kommt, dann muss sie neuen Typs sein, ohne zu mauscheln. Dem Bedürfnis der Menschen nach Transparenz und Offenheit muss entsprochen werden", unterstrich der SPÖ-Vorsitzende.

Im Zusammenhang mit dem Sechs-Augengespräch zwischen Bundespräsident Heinz Fischer, ÖVP-Obmann Schüssel und ihm selbst, stellte Gusenbauer klar, dass Schüssel seine eigene Meinung als Ergebnis des Gesprächs dargelegt hat. Er selbst sei nämlich nie dafür gewesen, die U-Ausschüsse durchzupeitschen und erst im Frühjahr eine Regierung zu bilden. Wenn die ÖVP nicht verhandeln wolle, dann sei dies ein Signal, dass sie kein Interesse hat, das Land aus einer Regierungsverantwortung heraus zu gestalten. Diese Signale sprächen für sich, sagte Gusenbauer zur Frage, ob die provisorische Regierung noch monatelang in Amt bleiben soll. Es sei jedenfalls eigenartig, dass die ÖVP am liebsten in einer Bundesregierung bleiben wolle, ohne eine neue Regierung bilden zu müssen, sagte der SPÖ-Chef. Er sieht die Geduld der Menschen dem Ende zugehen, die am 1. Oktober gewählt haben und immer noch keinen Fortschritt in den Verhandlungen sehen. Akute Probleme, die es zu lösen gilt, gebe es genug. Sie liegen am Tisch, wie die dringend benötigte Bildungsreform oder die Erhöhung der Pensionen, die zu gering ausgefallen sind, gab Gusenbauer zu bedenken. Er werde jedenfalls diese Woche durch die Bundesländer touren, um vor Ort herauszufinden, was die Menschen denken, schloss der SPÖ-Chef.

 

  Van der Bellen: Frotzelei der WählerInnen durch ÖVP
Wien (grüne) - "Eine Frotzelei der WählerInnen durch die ÖVP", so die erste Reaktion des Bundessprechers der Grünen, Alexander Van der Bellen, zum "Defacto-Verhandlungsabbruch" durch die ÖVP. "ÖVP-Parteiobmann Schüssel will offenbar das Parlament lahm legen und Neuwahlen provozieren. Die ÖVP agiert verantwortungslos und schadet Österreich massiv, indem sie versucht, die Republik auf Monate zu blockieren. Die ÖsterreicherInnen haben am 1. Oktober ihre Wahl getroffen und erwarten sich mit Recht eine arbeitsfähige Regierung, die Lösungen für wichtige Zukunftsfragen in Angriff nimmt. Das Wahlergebnis lässt nur die Große Koalition als einzige Möglichkeit für eine stabile Regierung zu. ÖVP und SPÖ denken aber offenbar nicht im Traum daran, ihre Verantwortung wahr zu nehmen und ernsthafte Verhandlungen zu beginnen", so Van der Bellen.

Empört zeigt sich der Grüne Bundessprecher zudem über die Behauptung Schüssels, zwischen SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer, Bundespräsident Heinz Fischer und ihm selbst sei eine Vereinbarung getroffen worden, der zu Folge ÖVP und SPÖ erst nach Beendigung der U-Ausschüsse an den Verhandlungstisch zurückkehren. "Die SPÖ ist aufgefordert klarzulegen, ob es stimmt, dass Gusenbauer im Beisein des Bundespräsidenten zugestimmt hat, dass die Arbeit des Parlaments lahmgelegt wird. Es gibt abgesehen von SPÖ und ÖVP drei weitere Fraktionen im Nationalrat, die sich weder von Schüssel, noch von Gusenbauer vorschreiben lassen, was sie bis Weihnachten zu tun oder zu lassen haben", so Van der Bellen.

 

 Strache: ÖVP will Österreich unregierbar machen
Will der Noch-Kanzler Neuwahlen provozieren?
Wien (fpd) - Als völlig absurd bezeichnet FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache das Verhalten der ÖVP. Schüssel verhalte sich wie der kleine Pepe im Comic "Asterix in Spanien", der, um seinen Willen durchzusetzen, ständig damit drohe, die Luft anzuhalten, bis ihm etwas passiere. Derartige Kindereien seien jetzt aber völlig fehl am Platz.

Wie die Vergangenheit gezeigt habe, könnten Untersuchungsausschüsse manchmal bis zu einem Jahr dauern. Es sei daher absolut skandalös, dass die ÖVP aus einer beleidigten Justament-Haltung heraus jetzt das Land unregierbar machen wolle, kritisierte Strache, der Schüssel aufforderte, seine Sandkastenspielchen einzustellen und schleunigst an den Verhandlungstisch zurückzukehren. "Oder versucht der Herr Noch-Kanzler bewusst Neuwahlen zu provozieren?" Was Schüssel und seine Spießgesellen hier praktizierten, erinnere langsam aber sicher an staatspolitische Anarchie.

Österreich brauche rasch eine stabile Regierung, betonte Strache. Unser Land stehe vor einer Reihe großer Probleme, die einer dringenden Lösung harren würden. Die persönlichen Eitelkeiten Schüssels hätten dabei hintanzustehen.

 

 Westenthaler: Fischers Fixierung auf große Koalition "nicht nützlich"
Alle Parteien gefordert, ihre starren Positionen zu überdenken
Wien (bzö) - Als "nicht nützlich" bezeichnete BZÖ-Bündnisobmann Peter Westenthaler die ungebrochene Fixierung von Bundespräsident Heinz Fischer auf eine große Koalition. "Es gibt abseits der Regierungszusammenarbeit von SPÖ und ÖVP eine ganze Reihe von Optionen, die das Staatsoberhaupt nicht a priori ausschließen darf. Fischer ist gefordert, der Verantwortung seines Amtes gerecht zu werden, anstatt seine persönlichen politischen Präferenzen über die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher zu stellen", betonte Westenthaler.

An die Adresse von SPÖ-Kanzlerkandidat und Verhandlungsführer Alfred Gusenbauer sagte der BZÖ-Obmann, Gusenbauer müsse entweder rasch dem Auftrag des Bundespräsidenten entsprechen und eine tragfähige Regierung bilden - oder seinen Auftrag zurücklegen. Fischer könne auch jemand anderen mit der Regierungsbildung beauftragen.

Alle Parteien seien aufgefordert, ihre bisherigen starren Positionen zu überdenken, um einen "fortgesetzen Stillstand" zu verhindern: "Auch die destruktive Haltung von FPÖ und Grünen kann nicht im Interesse ihrer Wähler sein. Letztlich ist am 1. Oktober keine große Koalition gewählt worden, sondern es sind die kleinen Parteien gestärkt worden."

Das BZÖ verfolge jedenfalls einen konstruktiven Weg im Interesse Österreichs: "Es gibt keinen Zwang zur großen Koalition. Alle, der Bundespräsident und die Parteien, sind verpflichtet, Alternativen auszuloten. Uns geht es darum, staatspolitische Verantwortung zu beweisen und für Österreich gute Regierungsarbeit zu leisten", so Westenthaler abschließend.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
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