Gefestigter Wirtschaftsaufschwung, Arbeitslosigkeit und Defizite sind rückläufig
Wien (ec.europa.eu) - Laut Herbstsprognose der Europäischen Kommission ist 2006 mit einem Wirtschaftswachstum
in der EU von 2,8 % und im Euro-Gebiet von 2,6 % zu rechnen. Im Vorjahr betrugen diese Zahlen noch 1,7 % und 1,4
%. Die ausschlaggebenden Faktoren hierfür sind ein ungebrochener Anstieg der Inlandsnachfrage, insbesondere
bei den Investitionen, sowie ein nachhaltiges weltweites Wirtschaftswachstum. Zwar dürfte die Wirtschaftstätigkeit
angesichts der weltweiten Entwicklung und vor allem der abflauenden Konjunktur in den Vereinigten Staaten 2007
und 2008 etwas zurückgehen, doch beim BIP wird für die nächsten zwei Jahre mit einem Wachstum in
etwa der Größenordnung des Potenzialwachstums gerechnet (2007 und 2008 in der EU mit 2,4 %, im Euro-Gebiet
mit 2,1 % 2007 und 2,2 % 2008). In der EU insgesamt werden im Zeitraum 2006-2008 voraussichtlich 7 Millionen neue
Arbeitsplätze entstehen, davon 5 Millionen in der Euro-Zone. Damit dürfte sich die Erwerbstätigenquote
von 63¾ % 2005 auf 65½ % 2008 erhöhen, während die Arbeitslosigkeit von ihrem Höchststand
von über 9 % der Arbeitskräfte 2004 auf 7,3 % 2008 in der EU (auf 7,4 % in der Euro-Zone) fallen wird.
Den Prognosen zufolge wird auch die Inflation schrittweise zurückgehen und unter den von der EZB festgelegten
Schwellenwert von 2 % sowohl in der EU als auch in der Euro-Zone 2008 sinken.
"Nach Jahren enttäuschender Ergebnisse wird die Wirtschaft der Europäischen Union 2006 einen seit
zehn Jahren nicht mehr erreichten Aufschwung nehmen und 2007 und 2008 etwa dem Potenzialwachstum entsprechend weiter
zulegen. Daran zeigt sich deutlich der Nutzen der Wirtschaftsreformen und der Haushaltskonsolidierungen vor dem
Hintergrund einer starken Weltwirtschaft, was die Mitgliedstaaten dazu ermuntern sollte, den eingeschlagenen Weg
weiterzuverfolgen, denn nur so lassen sich ein starkes und sich auf eine breitere Basis stützendes Wirtschaftswachstum
und mehr Arbeitsplätze erzielen", meinte das für Wirtschafts- und Währungsangelegenheiten zuständige
Kommissionsmitglied Joaquín Almunia.
Die heute veröffentlichten Wirtschaftsprognosen der Kommission sehen für die EU ein Wachstum von 2,8
% und für das Euro-Gebiet von 2,6 % voraus. Dies wäre mehr als 1 Prozentpunkt gegenüber dem Vorjahr
und ein halber Prozentpunkt mehr als noch vor sechs Monaten vorausgeschätzt. Für die nächsten Jahre
gehen die Prognosen von einer Wirtschaftstätigkeit von etwa 2,4 % sowohl 2007 und 2008 in der EU und von 2,1
% 2007 und 2,2 % 2009 im Euro-Gebiet aus.
Die nach oben korrigierten Wirtschaftsprognosen spiegeln das über den Erwartungen liegende Ergebnis im ersten
Halbjahr 2006 wider. Das BIP lag real bei 0,8 % im ersten Vierteljahr und bei 0,9 % im zweiten Vierteljahr 2006
sowohl in der EU als auch im Euro-Gebiet. Das ist der stärkste in den letzten sechs Jahren verzeichnete Anstieg.
Das Wirtschaftswachstum wird gestützt durch eine robuste Inlandsnachfrage, insbesondere durch die Investitionen,
die im ersten Halbjahr 2006, aufs Jahr umgerechnet, um 6 % anstiegen und angesichts einer stetig steigenden Kapazitätsauslastung,
verbesserter Konzernbilanzen, günstiger finanzieller Bedingungen und großer Gewinnmargen weiter zulegen
dürften. Bei den Investitionen in Ausrüstungsgüter wird 2006 mit einem Anstieg um mehr als 5 % gerechnet,
bevor sie 2007-2008 etwas zurückgehen. Die Ausgaben der Verbraucher dürften infolge einer verbesserten
Situation am Arbeitsmarkt eher schrittweise zunehmen. Die Exporte hingegen werden weiterhin von der starken Weltwirtschaft
gestützt. Die eher ausgewogenen Wachstumsmuster in der EU und im Euro-Gebiet und die laufenden Strukturreformen
sollten die Grundlage für einen Anstieg des Potenzialwachstums bieten und damit zu einem nachhaltigeren Wachstum
als bei den letzten Aufschwüngen führen.
Arbeitslosigkeit, Inflation und Defizite: alle Zahlen rückläufig
Die Zahl der Beschäftigten nahm im ersten Halbjahr diesen Jahres deutlich zu, zurückzuführen
auf die günstigen Auswirkungen der Strukturreformen sowohl auf den Produkt- wie auf den Arbeitsmärkten,
aber auch auf ein wiedergewonnenes Vertrauen in die Wirtschaft. Insgesamt wird in der EU im Zeitraum 2007/2008
mit 7 Millionen neuen Arbeitsplätzen gerechnet, davon 5 Millionen in der Euro-Zone. Damit wird sich die Zahl
der in den letzten drei Jahren geschaffenen Arbeitsplätze im Euro-Gebiet verdoppeln und in der EU insgesamt
um ¾ erhöhen. Aufgrund dieser Annahmen wird 2008 mit einer Erwerbstätigenquote von 65½
% gerechnet, verglichen mit 63¾% 2005.
Nach ihrem Höchststand von 9 % 2004, sowohl in der EU als auch im Euro-Raum, dürfte die Arbeitslosenquote
2006 auf etwa 8 % in beiden Gebieten sinken und 2008 noch einmal auf 7,3 % in der EU und bis 2008 auf 7,4 % im
Euro-Gebiet zurückgehen.
Das Wachstum der Arbeitsproduktivität zieht ebenfalls an, was, verbunden mit einem Anstieg der Investitionen
und der Zahl der Beschäftigten, sich günstig auswirken wird. Der lang anhaltende Rückgang des Potenzialwachstums
konnte seit 2004 umgekehrt werden, so dass in der EU 2008 mit einem schrittweisen Anstieg auf 2,3 % (2,1 % im Euro-Gebiet)
gerechnet wird.
Die Inflation blieb dieses Jahr mit einem unveränderten Prozentsatz von erwarteten 2,2 % im Euro-Gebiet bemerkenswert
stabil, wenngleich sie in der EU von 2,2 % auf 2,3 % steigen dürfte. Die Kerninflation bleibt gedämpft,
ein Hinweis darauf, dass der Ölpreisanstieg keine sekundären Folgen hatte. Da laut den Prognosen auch
in Zukunft keine derartigen Folgen zu erwarten sind, wird für beide Gebiete davon ausgegangen, dass die Gesamtinflationsrate
im Vorhersagezeitraum knapp über 2 % liegen und 2008 auf unter 2 % im Euro-Gebiet absinken wird.
Auch die öffentlichen Finanzen übertreffen die Frühjahrserwartungen mit einem durchschnittlichen
Haushaltsdefizit von 2 % des BIP in diesem Jahr, sowohl in der EU als auch im Euro-Gebiet, verglichen mit 2,3 %
in der EU und 2,4 % im Euro-Gebiet 2005, gestützt vor allem durch höhere Steuereinnahmen. Trotz dieser
allgemeinen Verbesserung besteht in fünf Mitgliedstaaten, von denen zwei der Euro-Zone angehören, ein
Haushaltsdefizit von mehr als 3 % des BIP in diesem Jahr. Ausgehend von den vorliegenden Haushalten für 2007
und den üblichen Annahmen einer unveränderten Politik, dürften die Defizite auf 1,6 % 2007 und 1,4
% 2008 in der EU (auf 1,5 % bzw. 1,3 % im Euro-Gebiet) zurückgehen.
Aussichten insgesamt weiter gut, wenngleich noch Risiken bestehen
Das Wachstum in der EU wird durch eine robuste Weltwirtschaft gestützt. In diesem Jahr wird mit einem
weltweiten Wirtschaftswachstum von 5,1 % gerechnet, was damit unwesentlich unter dem Rekordhoch von 2004 bleibt.
Zum Jahreswechsel ist mit einer leichten Abschwächung zu rechnen, vor allem aufgrund der Annahmen über
die sich abflauende Konjunktur in den USA, während andere Regionen weiterhin enorme Wachstumsraten verzeichnen.
Das weltweite BIP-Wachstum dürfte sich 2007-2008 auf etwas über 4,5 % einpendeln.
Gleichzeitig sind die Wirtschaftsaussichten für den Exportsektor mit Risiken behaftet. Zu einer Wachstumsbremse
könnte ein deutlicherer Rückgang der US-Konjunktur werden. Auch ein ungeregelter Abbau der weltweiten
Leistungsbilanzungleichgewichte bleibt weiterhin ein Risiko.
Ein über den Erwartungen liegendes Ergebnis ist jedoch durchaus noch im Rahmen des Möglichen. So könnte
der Welthandel, vor allem in Asien, noch an Dynamik zulegen. Was das Inland betrifft, könnten insbesondere
die Zahlen des Arbeitsmarkts die Schätzungen noch übertreffen und damit die private Nachfrage weiter
ankurbeln.
Schließlich haben uns die letzten Jahre gelehrt, dass sich die Ölpreise in beide Richtungen entwickeln
können. Geopolitische Spannungen könnten zu neuen Ölpreisanstiegen führen, eine schwächere
Nachfrage würde jedoch den Preisdruck verringern, so dass sich Ausmaß und Auswirkungen einer abflauenden
Konjunktur in den USA weniger stark bemerkbar machen würden. |