Landau und Brauner betonen Wichtigkeit dieser Einrichtung
Wien (rk) - Seit 20 Jahren gibt es nun die "Gruft" in den Räumen unterhalb der Mariahilferkirche.
Die Initiative zur Errichtung einer Wärmestube für obdachlose Menschen kam damals vom Pfarrer der Kirche,
Pater Albert Gabriel, und den SchülerInnen des Amerling-Gymnasiums. Was mit Schmalzbroten und Tee begann,
ist heute Wiens wohl bekannteste Obdachloseneinrichtung. Ein Grund zurückzublicken und Bilanz zu ziehen.
"Seit 20 Jahren unterstützt das Team der Gruft Menschen, die ihre Wohnung verloren haben und auf der
Straße stehen, beim schwierigen Weg zurück in die Gesellschaft. Die Gruft hat sich in dieser Zeit zu
einem wichtigen Bestandteil der Wiener Wohnungslosenhilfe entwickelt und ist aus dem Netz unserer Angebote nicht
mehr wegzudenken", betont Sozialstadträtin Mag.a Renate Brauner.
"Dass es nach 20 Jahren immer noch notwendig ist, einen Raum wie die Gruft anzubieten, ist eigentlich kein
Grund zum Feiern", sagt Caritasdirektor Michael Landau anlässlich des runden Jubiläums. Die Caritas
hat vor zehn Jahren, im Juli 1996, die Leitung der Gruft übernommen. Zur Essenausgabe sind im Lauf der Jahre
weitere Angebote gekommen - Sanitäranlagen und Waschmöglichkeiten, Kleiderausgabe, Schlafmöglichkeit,
sozialarbeiterische Beratung, Nachtstreetwork. Einmal pro Woche kommt eine Friseurin. Der Louisebus der Caritas
zur medizinischen Betreuung macht regelmäßig zwei Mal pro Woche Station. In Kürze wird auch wieder
ein Psychiater zwei Mal pro Woche für Gespräche zur Verfügung stehen.
Das Betreuungszentrum Gruft ist eine niederschwellige Einrichtung, das heißt, jeder und jede Bedürftige
kann die Angebote in Anspruch nehmen - rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag. Insgesamt 24 hauptamtliche MitarbeiterInnen
inklusive Zivildiener und 60 Ehrenamtliche kümmern sich um die Bedürfnisse der Obdachlosen. Dazu zählen
auch Freizeit- und Sportangebote wie gemeinsames Laufen und Fußballspielen. Finanziert wird die Einrichtung
zur Hälfte aus Mitteln der Stadt Wien (Fonds Soziales Wien), für den Rest ist die Caritas auf Spenden
angewiesen.
Mehr Essensausgaben, weniger Nächtigungen
Aussagekräftige Statistiken liegen leider erst für die Zeit seit 1996 vor. Das Durchschnittsalter
der BesucherInnen ist gesunken und liegt derzeit bei 43 Jahren. Die meisten Besucher sind Männer, der Frauenanteil
liegt bei etwa 14 Prozent.
Die Zahl der ausgegebenen Essen ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen, für Caritasdirektor Landau
auch ein Zeichen dafür, dass die Not in unserem Land wächst. Wurden im Jahr 2000 noch 60.497 Mahlzeiten
ausgegeben, so waren es im Jahr 2005 71.234 Mahlzeiten (Anstieg sowohl bei Mittag- als auch bei Abendessen), das
sind durchschnittlich 203 Mahlzeiten pro Tag. "Es sind nicht mehr nur obdachlose Menschen, die zu Mittag eine
warme Suppe in der Gruft essen. Als Caritas sehen wir Tag für Tag in unseren Einrichtungen, dass Menschen
sich Miete, Strom und Essen nicht mehr leisten können. Sichtbare Obdachlosigkeit ist nur die Spitze des Eisbergs!"
Eine auf den ersten Blick erfreuliche Entwicklung gibt es bei den Übernachtungen zu beobachten: Ihre Zahl
ist von 38.069 im Jahr 1995 auf nur 27.133 Übernachtungen im Jahr 2005 zurück gegangen - das entspricht
etwa 74 Personen pro Nacht. Im Winter ist die Zahl kältebedingt meist deutlich höher: bis zu 120 Personen
schlafen dann im einzigen Raum der Gruft auf dem Boden.
Stadt Wien baut Angebot laufend aus
Dieser "Erfolg" ist darauf zurückzuführen, dass die Stadt Wien gemeinsam mit ihren Partnerinnen
und Partnern in den vergangenen Jahren eine Reihe von Notquartieren und anderer neuer Einrichtungen, speziell auch
für ältere obdachlose Menschen, geschaffen hat. Seit 2004 haben zehn neue Obdachlosenhäuser ihren
Betrieb aufgenommen. Dabei handelt es sich um ein Betreuungsangebot, das zielgruppen- und geschlechtsspezifisch
ist.
"Unsere Einrichtungen für wohnungslose Menschen sind so unterschiedlich wie die Bedürfnisse der
Betroffenen. Die Stadt Wien hat sich in der Wohnungslosenhilfe zum Ziel gesetzt, dass jede und jeder die individuelle
Unterstützung bekommt, die sie oder er braucht. Dieses maßgeschneiderte und an den Bedürfnissen
und Notwendigkeiten unserer KlientInnen orientierte Angebot werden wir in den nächsten Jahren noch weiter
ausbauen", erläutert Brauner.
Auch die Caritas hat in Kooperation mit der Stadt Wien den vergangenen Jahren ihr Angebot ausgebaut, unter anderem
mit dem Haus Allerheiligen für ältere ehemals obdachlose Menschen, dem Frauenwohnzentrum in der Leopoldstadt,
der Jugendnotschlafstelle a_way am Westbahnhof und dem neuen Haus Jona in der Cumberlandstraße.
1104 Menschen im Jahr 2005 in der Gruft sozialarbeiterisch betreut
Im vergangenen Jahr wurden 1104 Menschen von den MitarbeiterInnen der Gruft sozialarbeiterisch betreut, 733 waren
es im Jahr 2000. Von diesen 1104 KlientInnen konnten 440 in andere Einrichtungen weitervermittelt werden, 164 davon
in Einrichtungen des Fonds Soziales Wien, 88 in andere Einrichtungen der Caritas, 154 in Notquartiere der Caritas,
aber auch anderer Träger.
Ein Drittel der KlientInnen wird bis zu sechs Monate in der Gruft betreut, weitere 11 Prozent bis zu einem Jahr.
Rund 16 %, das sind 178 Personen, waren im Jahr 2005 schon mehr als fünf Jahre in Betreuung der Gruft. "Als
'Erfolg' ist für uns zu werten, wenn jemand sich auf uns und unsere Hilfe einlassen kann. Oft stellen wir
in den Gesprächen fest, wie viel Verletzung und Kränkung unsere KlientInnen erlebt haben. Was dazu geführt
hat, dass sie auf der Straße gelandet sind - meist eine Trennung/Scheidung oder der Verlust des Arbeitsplatzes",
schildert die Leiterin der Gruft, Martina Pint, ihre langjährige Erfahrung. "Diesen Menschen wieder ein
Stück zurück ins `normale Leben` zu helfen, ist für uns der schönste Lohn für unsere Arbeit."
Nachtstreetwork - (über-)lebensnotwendig
Doch nicht alle Menschen, die Hilfe brauchen, finden den Weg in die Gruft, obwohl das Angebot so niedrigschwellig
wie möglich gehalten ist. Deshalb fahren die MitarbeiterInnen drei Mal in der Woche aus, um jene zu suchen
und zu finden, die sozialarbeiterische und/oder medizinische Betreuung brauchen. Im Jahr 2005 wurden 450 KlientInnen
an 98 verschiedenen Orten in ganz Wien (Karlsplatz, Praterstern, Franz-Josefs-Bahnhof, Esterhazyplatz, Neubaugasse
und andere) regelmäßig vom Nachtstreetwork-Team der Caritas aufgesucht/betreut.
Die Caritas der Erzdiözese Wien bietet insgesamt etwa 800 Plätze für obdachlose Menschen (inklusive
Startwohnungen) an, davon 250 Notquartieren für Obdachlose. "Wichtig ist uns das maßgeschneiderte
Angebot für die Bedürfnisse der Betroffenen", so Landau. "Es geht darum, Menschen so anzunehmen
wie sie sind. Wo immer es möglich ist, wollen wir den Menschen aber auch Mut machen für einen Neubeginn
und sie dabei unterstützen. Denn eines ist klar: warm, satt und sauber allein ist nicht genug."
Die Wiener Wohnungslosenhilfe in Zahlen
Der Fonds Soziales Wien (FSW) als Einrichtung der Stadt Wien ist neben vielen anderen sozialen Aufgaben dafür
zuständig, Wohn- und Nächtigungsplätze, Beratungs- und Betreuungsangebote für wohnungslose
Menschen zur Verfügung zu stellen. Der FSW finanziert bzw. kofinanziert die Leistungen, die von KooperationspartnerInnen
in dessen Auftrag erbracht werden. Die Caritas der Erzdiözese Wien wird beispielsweise im Jahr 2006 vom FSW
mit insgesamt 6,4 Mio. Euro gefördert. Damit werden 16 verschiedene Projekte der Caritas in der Wohnungslosenhilfe
unterstützt.
"Die Caritas der Erzdiözese Wien ist ein langjähriger verlässlicher Partner der Stadt Wien
bei der Betreuung und Unterstützung obdachloser Menschen. Gemeinsam mit allen anderen Partnern in der Wiener
Wohnungslosenhilfe werden wir auch in Zukunft gezielt helfen, den weiteren sozialen Abstieg unserer KlientInnen
zu vermeiden und dauerhafte Wohnungslosigkeit zu verhindern", so Brauner.
Das Gesamtangebot der Wiener Wohnungslosenhilfe - mit allen Partnerinnen und Partnern - besteht aus insgesamt 42
Einrichtungen:
* acht ambulanten Einrichtungen (Tageszentren, Beratungsstellen,
dem medizinischen Betreuungsbus "Louise")
* 23 Übergangswohneinrichtungen (Nächtigerquartiere,
Übergangswohnhäuser allgemein, Zielgruppenwohnhäuser z.B. für
Frauen, Betreutes Wohnen in Wohnungen vor allem für Familien)
* elf Dauerwohnhäuser
Das Budget der Wiener Wohnungslosenhilfe beträgt im Jahr 2006 rund 22,5 Mio. Euro. Auf den insgesamt rund
2.700 Wohnplätzen werden pro Jahr durchschnittlich 4.500 Personen betreut. |