Wien (pk) - Nationalratspräsident Andreas Khol, der sein Mandat nicht
annimmt und daher in der XXIII. Gesetzgebungsperiode dem Nationalrat nicht angehört, verabschiedete sich in
der konstituierenden Sitzung vom Hohen Haus. Wir bringen seine Abschiedsrede im Wortlaut:
Herr Bundespräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! 23 Jahre war dieses Haus ein wichtiges Haus meines Lebens.
In der Hinterbank habe ich angefangen, dann rückte ich weiter vor, wurde Klubobmann und durfte schließlich
Ihr Präsident sein. Ich möchte Ihnen allen, die mit mir diese Strecke Weges gegangen sind, sehr herzlich
für ihre Unterstützung, aber auch für ihre kritischen Worte danken.
Ich habe vieles mitgestalten dürfen und möchte mich auch bei Peter Kostelka bedanken, der mit mir zusammen
Klubobmann in einer großen Koalition war. Wir haben damals eine große Geschäftsordnungsreform
gemacht und die Minderheitenrechte ausgebaut und wir haben die im wesentlichen bis heute bestehende Bezügepyramide
beschließen können, den EU-Beitritt, die internationale Absicherung der Autonomie Südtirols und
den Nationalfonds für die Opfer des Nationalsozialismus - alles Werke, die im Parlament selber beheimatet
sind.
Ich möchte mich auch bei Peter Westenthaler und Herbert Scheibner bedanken, mit beiden konnten wir in einer
anderen Regierung - auch im breiten Konsens des Hauses - die Mitarbeitervorsorge beschließen, alle Restitutionsgesetze,
vom Versöhnungsfonds bis zum Allgemeinen Entschädigungsfonds, und wir haben noch eine ganze Reihe anderer
Gesetze über die Bühne gebracht.
Wir haben gemeinsam vieles weiter gebracht und in der Präsidialkonferenz vieles im Parlament verändert.
Wir haben unter dem Titel "offenes Parlament" gemeinsam das fortgeführt, was unter dem damaligen
Parlamentspräsidenten und heutigen Bundespräsidenten, Dr. Heinz Fischer, begonnen wurde und was jetzt
dazu geführt hat, dass wir an einem Tag der offenen Tür über 20.000 Menschen im Haus begrüßen
durften und dass sich die jährliche Besucheranzahl mehr als verdoppelt hat.
Ich freue mich auch, dass es gelungen ist, den Konflikt um das Palais Epstein beizulegen und im Einvernehmen mit
allen, die daran Interesse hatten, dieses wunderbare Bauwerk der Öffentlichkeit und Ihnen, meinen Damen und
Herren, als Arbeitsstätte zur Verfügung zu stellen.
Eine große Revolution - da bin ich vor allem den Bediensteten des Hauses dankbar - war das papierlose Parlament.
Viele von Ihnen werden sich noch an die schweren Koffer erinnern, die man links und rechts tragen musste. Wir haben
alles durch den Laptop ersetzt, 7 Mill. € in einem einzigen Jahr eingespart. Ich glaube, es hat der Qualität
der Arbeit nicht geschadet, sondern sie eher verbessert. Wir haben eine Änderung der Geschäftsordnung
gemeinsam beschlossen, in der wir die Mitwirkung des Parlaments bei der Europäischen Gesetzgebung verstärkt
haben, haben eine Subsidiaritätskontrolle in Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament erreicht und
wir haben auch die regionale Partnerschaft der Parlamente Mitteleuropas gemeinsam gestalten können.
Ich möchte der Präsidiale sehr herzlich danken. Vor allem Wilhelm Molterer, Josef Cap, Herbert Scheibner
und Alexander Van der Bellen. Mit Barbara Prammer und Thomas Prinzhorn zusammen haben wir in dieser Präsidialkonferenz
ein sehr gutes Klima des Konsenses erzielen können. Davon wissen auch die Stellvertreter zu berichten, die
oft dabei waren. Eine einzige Entscheidung war es, die nicht im Konsens erfolgte, das war die Sitzplatzfrage. Eine
wichtige Frage, eine unvermeidliche Entscheidung.
Ich danke Josef Cap, Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner und Alexander Van der Bellen für die liebenswürdigen
Worte, "Reibebaum" empfinde ich auch als liebenswürdig, Herr Kollege Van der Bellen, wir Tiroler
halten das schon aus. Und ich danke auch Peter Westenthaler für die liebenswürdigen Worte. Nicht alle
wissen, dass eine Konferenz, die ein so schwieriges Haus leitet, nur dann funktionieren kann, wenn es so großartige
Klubdirektoren gibt, wie wir sie haben. Sie bereiten alles im Einzelnen vor und gestalten dieses Haus in einem
guten Geist und in einer guten Stimmung. Ich möchte den Klubdirektoren besonders für ihre Arbeit danken.
Ich wünsche der neu gewählten Präsidentin eine ebensolche Präsidialkonferenz, wie ich sie haben
durfte. Eine Fraktion kommt nun dazu, wir hatten schon fünf Fraktionen. Das kann man managen. Ich wünsche
Ihnen, liebe Frau Prammer, viel Glück und viel Erfolg für Ihre Tätigkeit. Ich bin überzeugt,
auch Ihnen wird es gelingen, in diesem Haus diese Stimmung der Zusammenarbeit, die sich in den vielen einstimmigen
Gesetzen niederschlägt, einzurichten. Alles Gute!
Meine Damen und Herren! Ich habe eine Hoffnung und darf sie aussprechen. Ich hoffe, dass uns das Parlament als
zentraler Ort des politischen Diskurses erhalten bleibt. Das hängt intrinsisch mit dem Wahlrecht zusammen.
Ich bin ein überzeugter Anhänger des derzeitigen Proporzwahlrechtes, sonst haben kleine Gruppen nicht
die Möglichkeit, ins Parlament zu kommen und der Diskurs wird, wie in anderen Ländern, auf die Straße
verlegt. Sie müssen hier herein, hier muss die Diskussion stattfinden. Ich hoffe, das bleibt so. Ich hoffe,
dass dieses Parlament weiterhin zentraler Ort der österreichischen und für Österreich maßgebenden
Gesetzgebung bleibt.
Es gibt die Herausforderung Brüssel, die Herausforderung des Europäischen Parlaments, die Herausforderung
der Regierungsgesetzgebung in den Europäischen Räten, dem gilt es zu begegnen. Wir haben die Schienen
für eine Mitwirkung des österreichischen National- und Bundesrates an dieser Gesetzgebung gelegt. Mir
fahren noch zu wenige Züge auf diesen Geleisen. Es ist das eine äußerst mühevolle Arbeit,
eine lästige Zuspeise zu allem anderen, aber ich bin überzeugt, dass das österreichische Parlament
seine Bedeutung nur dann erhalten kann, wenn hier die Züge fahren und wenn die Mitwirkung bei der Europäischen
Gesetzgebung, wie sie das Subsidiaritätsverfahren jetzt ermöglicht, genützt wird.
Eine weitere Hoffnung und Bitte zum Schluss. Ich hoffe, dass die Erkenntnis, dass wir unsere Arbeit fernsehgerecht
gestalten müssen, größere Verbreitung findet.
Noch eine Bitte, meine Damen und Herren, Sie wissen, es war mir zusammen mit meinen Tiroler Landsleuten in allen
Parteien ein Anliegen, uns besonders für Südtirol zu engagieren. Wir haben einen eigenen Südtirol-Unterausschuss
über viele Gesetzgebungsperioden hinweg gestaltet. Ich hatte die Auszeichnung, auch als Präsident Vorsitzender
zu sein und bitte Sie alle, diesen Unterausschuss auch in dieser Gesetzgebungsperiode weiter zu führen. Das
politische Versprechen von zumindest drei der damaligen vier Parteien, die Schutzrolle Österreichs für
Südtirol in der Verfassung zu verankern, sollten wir honorieren.
Den neu gewählten Abgeordneten möchte ich sagen: Es ist eine wunderschöne Aufgabe, hier Abgeordneter
zu sein. Viel Mühe, viel Fleiß, es ist Dienst am Menschen und es ist Dienst an der Republik und ich
möchte Ihnen zurufen, wie es in Schillers Ode an die Freude heißt: "Laufet Brüder Eure Bahn,
freudig wie ein Held zum Siegen." Das ist nicht geschlechtergerecht, aber man kann sich die Schwestern dazu
denken.
Ich möchte dem Herrn Bundeskanzler danken. Inhaltlich möchte ich nichts sagen, jeder weiß, wie
ich stehe, aber ich habe in meiner langen Zeit als Parlamentarier keinen Bundeskanzler erlebt, der praktisch bei
jeder Plenarsitzung hier im Haus war und der immer wieder zur Verfügung stand, wenn er gerufen wurde.
Danken möchte ich auch dem Herrn Bundespräsidenten; ich hoffe, es schickt sich. Herr Präsident,
wir haben in allen Phasen der verschiedenen Rollen, in denen wir uns gegenüber gestanden sind, vertrauensvoll
und erfolgreich zusammen gearbeitet und ich möchte Ihnen sagen, dass seit Ihrer Wahl zum Bundespräsidenten
vieles über den Volksgarten hinüber leichter gegangen ist und auch dafür möchte ich Ihnen danken.
Ich danke allen MitarbeiterInnen dieses Hohen Hauses. Sie sind außerordentlich, sie leisten sehr viel. Lassen
Sie mich schließen. Es lebe die Republik Österreich! Es lebe unsere schöne Heimat! Leben Sie wohl!
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